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„Stolpern“ gegen das Vergessen: Lechenicher Arbeitskreis verlegte mit Gunter Demnig Stolpersteine zum Gedenken an verschleppte jüdischer Mitbürger

Die Lechenicher Familie Simon, Eheleute Simon und Paula, die Mutter Amalia und der Sohn Günther lebten bis 1942 als Viehhändler in Erftstadt-Lechenich. Bis zu ihrer Deportation durch die Nazis, die Nazi-Diktatur hat keiner der der jüdischen Familie überlebt. Um ihnen und weiteren Opfern des NS-Regimes zu gedenken, haben die Lechenicher Bürger nun Gedenksteine – sogenannte „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig – in den Bürgersteig eingelassen, vor den ehemaligen Wohnorten der Ermordeten.

Angeregt durch die Evangelische Kirchengemeinde Lechenich und die Katholische Pfarrgemeinde St. Kilian Lechenich hatte sich im Januar 2006 der Arbeitskreis „Stolpersteine in Lechenich – wider das Vergessen“ gegründet. Der Bildhauer und Aktionskünstler Gunter Demnig, der mit seiner überaus erfolgreichen Stolpersteine-Aktion auch über Deutschland hinaus Bekanntschaft errungen hat, war an sie herangetreten und hatte sein Projekt vorgestellt. Das traf auf Begeisterung bei den Lechenicher Bürgern: „Wir bemühen uns seit je her um ein bewusstes Erinnern an das Schicksal der Juden zur NS-Zeit – etwa mit einem jährlichen Gedenkmarsch zur Reichspogromnacht“, sagt Helmut Schneider-Leßmann, Pfarrer der evangelischen Kirche Erftstadt-Lechenich. Da lag es nahe, den Gedanken dieser Aktion auch in Lechenich fortzuführen.

So trafen sich Vertreter des Arbeitskreises, interessierte Bürger und der Gunter Demnig zur Verlegung der Stolpersteine am Wokinghamplatz, wo der Hof der Simons damals stand. 33 solcher Steine sollen insgesamt in Lechenich verlegt werden. Dabei erwies es sich anfangs als äußerst schwierig, die genaue Anzahl an NS-Opfern aus Lechenich zu ermitteln: „Viele Spuren verlieren sich in den Wirren des Holocausts“, erzählt Pfarrer Schneider-Keßmann, „wir haben mit einem Historiker zusammengearbeitet, der uns bei der Rekonstruktion jedes einzelnen Schicksal geholfen hat.“ So etwa das der Familie Simon: Mutter Amalia Simon etwa ist nachweislich noch 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt zu Tode gekommen. Ernst, Paula und ihr Sohn Günther Simon starben unter ungeklärten Umständen an unbekannten Orten, sie wurden alle im Laufe des Jahres 1942 für tot erklärt.

Seit 1993 verfolgt der Künstler und Bildhauer Demnig sein Projekt. Dazu gießt er seine Stolpersteine aus Beton und versieht sie mit einer Messingplatte, in die er mit Hammer und Schlagbuchstaben den Namen, den Jahrgang und das weitere Schicksal jedes einzelnen Menschen einstanzt. Die Schrift bleibt unauslöschlich in das Metall geprägt. „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, erklärt Demnig. Mit den Steinen vor den Häusern hält er die Erinnerung an die Menschen lebendig, die einst dort wohnten. In bereits über 200 Gemeinden in Deutschland, darunter Berlin, Köln und München, hat er bereits über 11 000 Stolpersteine verlegt. Dieses Jahr kamen sogar die ersten Steine in Budapest dazu. Und die Nachfrage sei weiterhin so groß, dass er zur Zeit schon Aufträge für 2009 entgegennähme, erzählt Demnig. Auch in Lechenich ist die Resonanz auf die Aktion durchweg positiv. „Wir stoßen auf wohlwollende Zustimmung bei den Bürgern und bei der Stadt“, sagt Schneider-Leßmann. Der Arbeitskreis hat noch weitere Verlegeaktionen in den kommenden Jahren geplant.

„Wir wollen, dass die Leute stolpern, aber im positiven Sinne“, sagt Mirjam Schmerschneider vom Arbeitskreis „Stolpersteine in Lechenich“. „Wir haben den Eindruck, das Unrecht der Nazizeit gerät immer mehr in Vergessenheit“, so Schmerschneider. Doch noch eine andere Deutung lassen seine Steine zu, so Demnig: Wer die Steine im Bordstein entdeckt, der muss den Kopf senken, um sie zu lesen. Diese kleinen Verbeugungen seien auch Gesten der Demut gegenüber den Opfern des NS-Regimes, findet Demnig.

Anlässlich der Gedenkaktion in Lechenich hat der Arbeitskreis auch einen Nachfahre von einem der Lechenicher NS-Opfer kontaktiert, der in den USA lebt. Eine persönliche Einladung zu der Gedenksteinverlegung habe er so kurzfristig leider nicht wahrnehmen können, erzählt Schmerschneider Aber er habe die Lechenicher in einer Email von seiner Freude und Rührung über diese Aktion wissen lassen.

Text: Rouben Bathke
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