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Pulheim: Kirchraum mit individueller künstlerischer Note

Wenn mehrere Personen gemeinsam an der Planung von Erneuerungen beteiligt sind, kommt oft etwas Gutes dabei heraus. So auch in der Pulheimer Gnadenkirche, in der seit 2004 ein demokratischer Sanierungs- und Renovierungsprozess in Gang gesetzt wurde. Mit der Anfertigung eines neuen Taufbeckens findet die künstlerische Neugestaltung des kleinen, einladenden Kirchraums nun ihren Abschluss.

Anpassung an den Zeitgeschmack
Es war 1954, als der Grundstein der Gnadenkirche gelegt wurde. 50 Jahre später, im Jahr 2004, sollte das Jubiläum gebührend gefeiert werden, und dafür sollte die Kirche in neuem Glanz erstrahlen. Waren es im Vorfeld zunächst bauliche Instandsetzungen wie neue Leitungen oder eine bessere Ausleuchtung des kleinen Pulheimer Gotteshauses für rund 100 Gläubige, so stand für das mehrköpfige Planungs- und Entscheidungsgremium schon früh fest, dass der Innenraum eine deutlich sichtbare künstlerische Handschrift erhalten sollte.

Aufarbeitung der Oberfläche oder Ersatz?
Am schwersten tat sich das Gremium aus Pfarrern, Kirchenvorstand, Presbyterium und fachkundigen Gemeindegliedern mit der Entscheidung, was mit dem Altar aus unansehnlichem Beton und rostenden Metallverstrebungen geschehen sollte: Aufarbeitung der Oberflächen oder Ersatz? Mit der Entscheidung für etwas Neues fiel gleichzeitig die Wahl auf den ortsansässigen Künstler Holger Hagedorn. Bereits in den Vorjahren waren den Gremienmitgliedern schon die über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Arbeiten des bildenden Künstlers aufgefallen. Besonders der Stelentisch an der Sinnersdorfer Friedenskirche, den das aktive Gemeindeglied in einem Kunstprojekt mit Jugendlichen aus dem Ortsteil realisiert hatte, hatte für Furore gesorgt.

Fündig wurde er in der Eifel
Hagedorn machte sich also auf die Suche nach einem geeigneten Material. Fündig wurde er in der Eifel, von wo er das Steinmaterial Grauwacke bezog. Nun ziert die Kirche ein in Form und Größe fast identischer Altar, der sich jedoch mit seiner glatten Oberfläche in warmen Grautönen auch ganz ohne Tischwäsche sehen lassen kann.

Keine Verunstaltung durch Bohrlöcher
Doch nach der Aufstellung und Einweihung stellte sich das Problem der Anbringung der Paramente. Schließlich sollte der neue Altar nicht mit Bohrlöchern und Haken verunstaltet werden. Auch hier war wieder die künstlerische Arbeit von Hagedorn gefragt, der zusammen mit einem Kölner Paramentehersteller eine neue, nicht sichtbare Halterung entwarf. Auch bei den Paramenten selbst entschied man sich für eine Neuerung, weg vom altbewährten Webmaterial hin zu feiner, leuchtender Seide, die dem Kirchraum nun eine individuelle Farbnote verleiht.

Nicht nur ein neuer Altar
Insgesamt hat der Kirchraum sein Gesicht nicht nur durch den neuen Altar verändert, sondern ebenfalls durch die Verwendung hellerer Fliesen auf dem Boden und den Anstrich der vormals dunklen Bänke mit deckend weißer Farbe. Um eine flexiblere Raumgestaltung zu erreichen, wurden die beiden vorderen Bankreihen zugunsten einer Stuhlreihe entfernt. „Bei festlichen Gottesdiensten wie etwa in der Osternacht stellen wir die Stühle in einen Halbkreis und haben durch die Nutzung des Mittelgangs eine kreuzförmige Anordnung der Gläubigen“, sagt Pfarrerin Sabine Petzke, die die Gemeinde gemeinsam mit ihrem Kollegen Johannes Böttcher leitet. Eine verbesserte Ausleuchtung mit Strahlern, die in einen Rundbogen über dem Altar eingelassenen wurden, und ein Mosaikfenster mit dem Motiv des Fisches als Symbol christlichen Glaubens sorgen für ein freundliches Gesamtbild. So erinnert die Inneneinrichtung der Kirche nun an die protestantischen Kirchen, wie man sie aus amerikanischen Filmen kennt.

Drei schlichte Edelstahlständer
Während die Planung der ausschließlich spendenfinanzierten Umgestaltung Stück für Stück voranging, kam der Gemeinde bei der Wahl der Kerzenständer eher der Zufall zu Hilfe. Für ein Fotoshooting seiner selbst entworfenen Leuchter, die er auf der Messe Ecclesia präsentieren wollte, hatte sich Hagedorn den ansprechenden Kirchraum der Gnadenkirche als Hintergrundmotiv ausgesucht. Da die alten Messingleuchter ohnehin nicht mehr zu dem neuen Altar passten, entschied man sich kurzerhand einhellig für zunächst zwei, später drei der schlichten Edelstahlständer mit der Handschrift des Künstlers.

Das neue Taufbecken mit der Intarsienarbeit
Taufschale aus uralter Eiche
Als letzte Aktion wünschte sich die Gemeinde im Herbst des vergangenen Jahres ein neues Taufbecken. Holger Hagedorn legte verschiedene Entwürfe vor, favorisierte jedoch von Anfang an eine Taufschale aus Holz. Trotz etlicher Zweifel an Material und Form bei den Planungstreffen fiel die Wahl am Ende eines längeren „durchaus fruchtbaren basisdemokratischen Prozesses,“ so Hagedorn, auf eine Taufschale aus einer uralten Eiche aus dem niederrheinischen Kempen. Der besonders wertvolle Baum mit bizarren natürlichen Ausbeulungen, die sogenannte „Liebeseiche“, musste bereits vor 15 Jahren gefällt werden. Damals war sie Gegenstand eines künstlerischen Projekts, bei dem Hagedorn im Sommer 1999 mit rund 20 Jugendlichen vier Wochen lang handwerklich mit Säge, Schleifhexe und Feile zu Werke ging, bevor die Objekte auf einem öffentlichen Platz in der symbolträchtigen Form eines Wikingerschiffs ausgestellt wurden.
Bei einem der Objekte des Projekts war die Schalenform bereits angelegt. Holger Hagedorn bearbeitete sie nach und arbeitete in der Mitte eine Intarsie aus Aluminium ein, mit der er das vorhandene Symbol des Fisches aus dem Fenster wieder aufgreift.

Warten auf den ersten Täufling
Pfarrerin Sabine Petzke zeigt sich besonders begeistert über die unregelmäßige, natürlich gewachsene Form des Holzes. Diese steht in ausgewogenem Kontrast zu ihrer glatten, dunklen Lackoberfläche. Auffällig ist auch der Metallfuß aus Edelstahl mit sichtbarer Schweißnaht. Die unregelmäßig gezackte Linie erinnert an eine Narbe und greift so erneut die christliche Symbolik auf. „Nun wartet das Taufbecken auf den ersten Täufling“, freut sich die Pfarrerin. „Wir sind schon sehr gespannt, wie das Kunstwerk in der Gemeinde ankommt.“

Einweihung am 3. März
Eingeweiht wird das Taufbecken am 3. März 2013, 9.30 Uhr, während eines feierlichen Gottesdienstes in der Gnadenkirche, Gustav-Heinemann-Straße 28c. Im Anschluss an die Taufe lädt die Gemeinde zu einem Forumsgespräch mit dem Künstler Holger Hagedorn ein.

Text: Anne Siebertz
Foto(s): Anne Siebertz