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Zeit für Menschen: der Besuchsdienst. Wie geht das? Was erlebe ich dabei? Ein Erfahrungsbericht und Info-Tipps.

„Besuchsdienst“, „Zeit für Menschen“. Diese Worte las ich regelmäßig im Gemeindeblatt, eher unbewusst als bewusst. Sie gingen schnell an mir vorbei.
Bis ich eines Tages ein wenig nachdachte „Du hast doch im Moment soviel Zeit bei deinem Halbtagsjob und hast doch eigentlich immer den Wunsch gehabt, Dich sozial zu engagieren.“

Brauche ich Vor-Erfahrungen?
In meinem Leben habe ich regelmäßig ehrenamtlich im sozialen Bereich gearbeitet, vor allem in der Jugendarbeit. In unserer Gemeinde habe ich vier Jahre als Konfirmandenbetreuer mitgewirkt. Bei einer anderen Organisation bin ich seit Jahren in der Kinder-Stadtranderholung aktiv. Als Zivildienstleistender betreute ich Mitte der 90er Jahre ältere Menschen, führte Gespräche mit ihnen und half ihnen bei Haushaltstätigkeiten. Außer der einmal im Jahr stattfindenden zweiwöchigen Stadtranderholung hatte ich jedoch bis vor kurzem kein regelmäßiges Ehrenamt, was mich ein bisschen unzufrieden machte.

Gesellschaft, Zuwendung und Gespräch
Ich entschied mich dann im Oktober letzten Jahres, die Leiterin des Besuchskreises anzurufen und nachzufragen, was es denn genau mit diesem Besuchsdienstkreis auf sich hat. Ich erfuhr, dass der Besuchsdienstkreis aus einer Gruppe von Menschen besteht, die sich bereit erklären, regelmäßig, dies bedeutet wöchentlich oder auch zweiwöchentlich, einen (meist älteren) Menschen zu besuchen, der gerne ein wenig Gesellschaft, Zuwendung und Gespräch haben möchte. Ich erfuhr weiterhin, dass knapp zwei Wochen später, das einmal monatlich stattfindende Treffen der Besuchsdienstmitarbeiter stattfinden würde. Ich nahm an diesem Treffen teil, lernte die anderen MitarbeiterInnen kennen, lauschte gespannt ihren Erzählungen über die Erfahrungen bei den Besuchen und nahm am Gedankenaustausch über den für dieses Treffen ausgesuchten Bibelvers teil.

Viele ältere Menschen haben Angst vor Fremden
Es sollte jedoch noch Wochen dauern, bis ich jemand finden würde, der gern besucht werden möchte. Dies frustrierte mich ein wenig, denn ich bin davon ausgegangen, dass es in einem so dicht bevölkertem Gebiet wie dem Kölner Norden doch viele ältere Menschen geben müsste, die gerne besucht werden möchten. Aber dem war nicht so, wie ich in den Besuchsdienstreffen mitbekam, denn viele ältere Menschen haben Angst davor, Unbekannte in ihre Wohnung zu lassen, andere wollen nur vom Pfarrer besucht werden.

„Bin ich überhaupt als Besucher geeignet?“
Nun endlich ergab sich Mitte Februar dieses Jahres für mich eine Möglichkeit.
Frau W. aus Chorweiler-Nord, eine Dame im Alter von fast 80 Jahren, stark sehbehindert, sonst körperlich und vor allem geistig fit. Sie hat eine große Familie, Kinder, Enkel und Urenkel, die sie regelmäßig besuchen. Frau W. ist aber in der Woche bis zum späten Nachmittag meist allein in ihrer Wohnung, kann aufgrund ihrer Sehbehinderung schlecht lesen und fernsehgucken.
Als ich das erste Mal zu ihr ging, machte ich mir Gedanken, was mich wohl erwarten wird. Trotz meiner ausgeprägten Kontaktfreudigkeit und meiner Offenheit anderen Menschen gegenüber hatte ich ein etwas mulmiges Gefühl. In meinen Gedanken an diesen ersten Besuch kamen Fragen auf, wie „Wie wird die Dame wohl auf mich reagieren?“ „Bin ich überhaupt als Besucher geeignet?“
Inzwischen sind wir längst miteinander warm geworden. Sie ist eine liebevolle, offene, umgängliche Frau, die im Leben viel mitgemacht hat.  Frau W. und ich, wir haben schon viel miteinander unternommen. So sind wir an einem sonnigen Tag im nahe gelegenen Park spazieren gegangen. Bei Kaffee und Kuchen erzählen wir miteinander. Sehr gerne mag sie es, wenn ich ihr aus der Bibel vorlese. Meine Besuche bei Frau W. machen mir und auch ihr viel Freude.

Besuchsdienst ist eine verantwortungsvolle Aufgabe
Die Arbeit in einem Besuchsdienstkreis ist eine lohnende Aufgabe. So wie ich es bei meinen Besuchen bei Frau W. ständig erfahre, wird jeder und jede erfahren, dass Besuche für beide Beteiligten, also für den/die Besuchte(n) und für Sie als Besucher(in) selber eine enorme Bereicherung darstellen. Besuchsdienst ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die mit Nächstenliebe in Verbindung steht, der Liebe, für die der christliche Glaube steht; eine Aufgabe, die gerade in der heutigen Zeit, welche durch zunehmende Isolation und Vereinsamung vieler Menschen geprägt ist, nicht wegzudenken ist. 

Info-Tipps
Das Amt für Gemeindeentwicklung und Missionarische Dienste der Evangelischen Kirche im Rheinland stellt zahlreiche Materialien rund um das Thema „Besuchsdienst“ zur Verfügung, Im Internet beispielsweise „Besuchsdienst aufbauen – aktivieren – motivieren“, hier.
Unter der Telefonnummer 0202/28 20-405 kann man auch den zweimal jährlich erscheinenenden Rundbrief „besuchen und finden“, speziell für Mitarbeitende im Besuchsdienst der evangelischen Kirche, bestellen.

Text: Christian Jurko für den Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Neue Stadt
Foto(s): EKD