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Pfarrer Jürgen Jäger in Hürth-Gleuel verabschiedet

Künstler wollte er werden. Doch aufgrund eines „persönlichen Glaubenserlebnisses“ gab Jürgen Jäger nach gut zwei Jahren sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien auf. „In die Überzeugung gekommen, dass Gott existiert“, wandte er sich schließlich der Theologie zu.

Ende Juni, nach fast 30 Jahren als Pfarrer in Hürth-Gleuel, scheidet Jäger aus dem Arbeitsleben aus. Bereits am Sonntag wurde er in der Martin-Luther-Kirche von Superintendent Dr. Bernhard Seiger von seinen Diensten entpflichtet und von seiner Gemeinde herzlich verabschiedet.

Ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde
Gleichwohl wird er ihr erhalten und in Gleuel wohnhaft bleiben. Jäger ist verheiratet mit Pfarrerin Ute Grieger-Jäger. Sie wurde 1984 von der Evangelischen Johannes-Kirchengemeinde Hürth-Gleuel in die Pfarrstelle an der Martin-Luther-Kirche gewählt und hatte diese seit der Einführung ihres Mannes 1986 im eingeschränkten Dienstverhältnis inne. Zukünftig möchte Jäger, sofern Bedarf besteht, sich ehrenamtlich in der Gemeinde betätigen. Insbesondere aber freut er sich darauf, noch mehr Zeit der Malerei widmen zu können. Denn die Kunst, seine „erste Liebe“, hat er nie aufgegeben. Davon zeugt eine Vielzahl an Gemälden und Zeichnungen. Einige von ihnen waren in Ausstellungen in der evangelischen Kirche in Gleuel zu sehen. An deren Altarwand hängt unbefristet das von Jäger angefertigte Großformat „Nach der Sintflut“.

Ehefrau hat auch den Pfarrberuf gewählt
Als Glücksfall bezeichnet Jäger, dass er so lange auch beruflich mit seiner Frau zusammenarbeiten konnte. „Die Existenz als Pfarrer-Ehepaar ist eine ziemlich gute Sache. Speziell für mich, da ich mich auch auf die Kunst konzentrieren konnte.“ Das gemeinsame Leben und Wirken biete zudem den Vorteil, jederzeit einen Gesprächspartner neben sich zu wissen, der sich in die Situation des anderen hineinversetzen könne. „Natürlich sind entsprechende Gespräche auch mit Kollegen möglich, aber nicht selbstverständlich.“

Vikariat in Köln-Lindenthal
Geboren 1950 im thüringischen Sondershausen, wuchs Jäger in Wuppertal auf. In der größten Stadt des Bergischen Landes trat er auch sein Theologie-Studium an, das er an der Uni Tübingen fortsetzte. Sein Vikariat absolvierte Jäger 1982 in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal. Anschließend amtierte er als Hilfsprediger in der Evangelischen Kirchengemeinde Wesseling. Dort wurde Jäger 1985 ordiniert. 1986 wechselte er als Pfarrer nach Hürth-Gleuel in die Johannes-Kirchengemeinde. Diese fusionierte 2015 mit der Matthäus-Kirchengemeinde Hürth zur Evangelischen Kirchengemeinde Hürth. Die letzten Monate war Jäger also Pfarrer im Gemeinde-Bezirk II, zu dem Hürth-Gleuel, -Berrenrath, -Altstädten-Burbach, -Sielsorf und -Stotzheim gehören.

Strukturelle Veränderungen frühzeitig begonnen
„Ich bin in einer Großstadt aufgewachsen“, erinnert Jäger, dass er einige Zeit benötigt habe, sich in der dörflich geprägten Gemeinde Gleuel einzuleben. „Veränderungen brauchten lange, Geduld und ein langer Atem waren notwendig.“ Mit dem Verkauf der Predigtstätte in Berrenrath habe die Gemeinde 2000 relativ früh auf strukturelle Veränderungen reagiert. „Notwendigerweise, aber das kam damals gar nicht so gut an. Es war ein neues Thema, das heute zu einem selbstverständlichen geworden ist.“ Damals sei die kleine Gemeinde Vorreiter gewesen, habe Dinge unternommen, um sich finanziell über die Zeit zu bringen. Mit den Einnahmen habe man die Renovierung des 1957 eingeweihten Gemeindezentrums in Gleuel und den Anbau eines Gemeindesaales finanziert. „Dieser wurde 2002 fertiggestellt.“

Bausünde an der Kirchenfassade korrigiert
Laut Jäger atmet der helle und lichte Versammlungsraum Weite und Großzügigkeit. Er ist multifunktional nutzbar und mit dem Kirchraum zu verbinden. „Wir haben uns an die Architektur der 50er Jahre, an ihr Material, ihre Farbgebung angelehnt. Der Anbau bildet mit dem vorhandenen Baukörper eine Einheit, fügt sich harmonisch ein, und verleugnet trotzdem nicht seine Eigenständigkeit. Die gerundete Form mit dem gegenläufigen Pultdach schließt das Gebäude als Einheit zum Gartenbereich ab. Zugleich trägt der neue Teil, indem er sich unter den Altbau schiebt, zur Stabilisierung desselben bei“, sagte Jäger bei seiner Einweihung. „Zugleich“, blickt der scheidende Pfarrer heute zufrieden auf eine weitere Maßnahme zurück, „haben wie an der Kirchenfassade eine Bausünde korrigiert. Die Eternit-Verkleidung wurde entfernt und das Äußere in ihren originären, weiß getünchten Zustand versetzt.“

Geldspende für den Kirchbau in Gleuel
Zum 50-jährigen Bestehen der Kirche im März 2007 erweiterte Jäger die zehn Jahre zuvor vom ehemaligen Presbyter Hans-Joachim Hanke zum 40-Jährigen zusammengestellte Publikation um Ergebnisse eigener Recherchen. Auf der Suche nach Informationen über die Entstehungsgeschichte des evangelischen Gotteshaues in Gleuel sei er „vor allem im Zeitungsarchiv des ehemaligen Amerikahauses in Köln fündig geworden“. Die Bemühungen der Muttergemeinde Frechen um die Errichtung einer Kirche in Gleuel hätten durch die Währungsreform nach dem Krieg einen großen Dämpfer erfahren, geht Jäger kurz auf die Voraussetzungen ein. Rettung habe eine Spende der Fundraising Company „Wooden Church Crusade Inc.“ gebracht. Konservative Kreise in den USA hätten geplant, in Westdeutschland entlang der damaligen Grenze zur DDR den Bau von Holzkirchen zu finanzieren – als Friedenszeichen sowie „geistigen Schutzwall gegen Kommunismus und Bolschewismus“. „Von dieser amerikanischen Initiative erhielt der Bankier und Politiker Dr. Robert Pferdmenges anlässlich seines 75. Geburtstages eine Geldspende, die er der Frechener Gemeinde für den Kirchbau in Gleuel übergab“, so Jäger. Wie die meisten der durch den „Wooden Church Crusade“ (Kreuzzug für Kirchen aus Holz) unterstützen Bauten wurde die Martin-Luther-Kirche weder aus Holz, noch an der innerdeutschen Grenze errichtet.

Sehnsucht nach dem Transzendenten
Seine Berufswahl bezeichnet Jäger als „richtig und sinnvoll“. Er sei aus einer religiösen Motivation heraus Pfarrer geworden. Auch und insbesondere habe er sich in seiner Amtszeit mit Sterben, Tod und der Auferstehungsthematik beschäftigt. Dabei habe seine Glaubensüberzeugung nicht nur eine Bestätigung, sondern große Stärkung erfahren. In diesem Leben eine Sehnsucht nach dem Transzendenten zu haben und sie in der Wirklichkeit durchscheinen zu lassen, das sei auch ein „großes, geheimes Thema der Kunst“, zieht Jäger eine Verbindung.

Mitinitiator der „Gottesdienst-Matinees“
Das Ende seiner Dienstzeit verbindet der scheidende Pfarrer auch „mit dem Gefühl der Freiheit“. Diese will er mit einer stärkeren Konzentration auf seine künstlerische Tätigkeit nutzen. Kultur und Kunst, diese Themen hätten auch im Leben der Gleueler Gemeinde ihren Platz. Neben Ausstellungen mit bildender Kunst habe man etwa besondere musikalische Erlebnisse ermöglicht, kommt Jäger auf die von der Gemeinde „sehr positiv“ angenommenen „Gottesdienst-Matinees“ zu sprechen. In Gottesdiensten beziehungsweise in den Predigten hätten renommierte Ensembles oder Solisten das Wort Gottes auf einer zusätzlichen Ebene veranschaulicht. Initiator sei Ulrich Ahlert gewesen. Der Eigentümer der Burg Gleuel habe gemeinsam mit dem Gemeindeglied Hans-Josef Lang, Leiter des Hürther Musikseminars, und dem Pfarrer-Ehepaar das stimmige Konzept erarbeitet. Als Gemeinde alleine hätte man das nicht leisten können, hebt Jäger ab auf die guten Kontakte von Ahlert und Lang in die Musikszene. Bei der letzten Veranstaltung in dieser Reihe im November 2014 trat Klaus der Geiger auf.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich