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„Mut zum Ich“

Welches Thema sagt mir besonders zu, worauf habe ich heute Lust? Tanzen, trommeln, kreativ mit einer Kamera, am PC oder auf Papier arbeiten. Vielleicht nachdenken über den Glauben, das Glaubensbekenntnis, die Stärken und Schwächen der eigenen Person. Oder vielleicht meine Selbstsicherheit trainieren… Wieder einmal die Qual der Wahl hatten die Teilnehmerinnen des Frauentages im Evangelischen Kirchenkreis Köln-Süd. Ausgerichtet im Berufsförderungswerk der Diakonie Michaelshoven im Kölner Stadtteil Rodenkirchen, stand er unter dem Motto „Mut zum Ich“.

„Oma Maria und die erste Geige“
„Mut zum Ich“ – die nachdenklich-heitere Einstimmung in das Tagesprogramm übernahm Dr. Kristin Kunze. 1996, mit 52 Jahren, hatte Kunze ihre Zahnarztpraxis aufgegeben und an einer Zirkusschule eine Ausbildung zur Clownfrau absolviert. Seitdem tritt sie als Sophia Altklug vor ihr Publikum. In Michaelshoven bot sie ihr (autobiographisch eingefärbtes) Stück „Oma Maria und die erste Geige“. Dabei schlüpfte sie in die Rolle von fünf Frauen, die in verschiedene gesellschaftliche Verhältnisse hineingeboren worden und auf unterschiedliche Art mit den jeweiligen Bedingungen und ihren Möglichkeiten umgegangen sind. Frauen aus fünf Generationen einer deutschen Familie vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart, von der Ururoma Maria bis hin zum kleinen Mariechen. In wechselnden Kostümen und mit wenigen, die Generationen verbindenden Requisiten, wie Geige und Teddy, erzählte Kunze pointiert eine Geschichte der Emanzipation. Bis heute: „Mariechen, was die für Möglichkeiten hat. Die könnte ja Bundeskanzlerin werden oder Bundestrainerin oder Wissenschaftlerin und…, ach nee, Papst könnte sie nicht werden. Sie könnte in Potsdam oder in Portugal wohnen, alles ist möglich…“ Nach 60 Minuten Kabarett mit rasanten Einlagen, besinnlichen „Inseln“ und trefflicher Pantomime spendeten die rund 130 Besucherinnen frenetisch Beifall. „Da waren bei jeder von uns viele Erinnerungen dabei“, fasste die Frechener Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul in ihrem Dank an Kunze zusammen.

Girlspace zum ersten Mal mit dabei
Koch-Torjuul ist Synodalbeauftragte für Frauenarbeit im Evangelischen Kirchenkreis Köln-Süd und leitet das Frauentag-Vorbereitungsteam. Eine „engagierte Gruppe, die weiterhin offen ist für Interessierte ist, für junge wie ältere“. Ein Frauentag müsse auch die Entwicklung der Frauenarbeit im Blick haben, so Koch-Torjuul. Daher „fördern wir selbstverständlich den Austausch der Generationen, und versuchen wir, junge Frauen mehr in den Blick zu bekommen“. So stellte der girlspace e.V. in Köln als Trägerverein des gleichnamigen offenen Medientreffs für Mädchen und junge Frauen, der in der evangelischen Kirche, genauer im Evangelischen Jugendpfarramt wurzelt, für den diesjährigen Frauentag nicht nur zwei Referentinnen. Die „girlspace“-Mitarbeiterinnen Selma Benfadal und Irene Klein skizzierten zudem die Arbeitsschwerpunkte und Angebotspalette der mittlerweile im Kapitelhaus am Kartäuserwall sitzenden Einrichtung. Der gekonnte und bewusste Umgang mit den Neuen Medien, insbesondere dem Internet, sei auch für ältere Frauen, für Seniorinnen wichtig, begründete Koch-Torjuul. „Internet-Nutzung erweitert die Mobilität“, und trage zur Stärkung des Selbstbewusstseins in jedem, auch im hohen Alter bei. Mit der Kollekte der abschließenden Vesper unterstützte der Frauentag die Medienarbeit des girlspace e.V.

Rote Perle für die Liebe
Die Referentinnen der acht Workshops, darunter ehemalige beziehungsweise aktuelle Mitarbeiterinnen von Dienstellen des Kirchenverbandes, warteten mit einem vielseitigen Programm auf. Silvia Hecker hatte mit Abigail, Sarah und Lydia biblische Frauen „eingeladen, die intelligent, tatkräftig, unerschrocken, aber auch listig sind, und uns ermutigen können“. Andere Teilnehmerinnen begaben sich mit Christina Wohlfahrt tanzend „auf die Spur nach dem Kleinkind, dem Mädchen in uns“ oder entdeckten unter Anleitung von Kirchenmusikerin Barbara Banasch trommelnd ein Gemeinschaftsklangerlebnis. Derweil machte die Pfarrerin i.R. Hannelore Häusler, ehemalige Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd, „Mut, alle Rückfragen an das Glaubensbekenntnis loszuwerden die Ich habe“. Die Frage „was glaube ich“ sei angesichts der zahlreichen Religionen in unserer Gesellschaft wichtig für die Verantwortung, die wir Christinnen hätten. Dr. Juliane Arnold, Leiterin der Evangelischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, bot ein „Mini-Selbstsicherheits-Training“, das dazu ermutigen soll, auch in schwierigen Situationen „zu seinen Ansichten zu stehen und sie zu vertreten“. Etliche Teilnehmerinnen übten sich mittels der „Perlen des Glaubens“ im Nachdenken über sich selbst. „Jede Perle steht für ein zentrales Lebensthema. Die rote etwa für Lieben und geliebt werden“, sagte die Referentin Magdalena Otto. Das Perlen-Band spiegle das Wirken Jesu wider, der den Mut zum Ich vorgelebt habe.

Neue Frauenbeauftragte stellt sich vor
„Ich freue mich auch auf die Arbeit mit Ihnen“, nutzte Katja Kriener den Frauentag, um sich vorzustellen. Kriener ist mit einer halben Stelle die neue Frauenreferentin des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Parallel dazu wirkt sie als Pfarrerin an der Melanchthon-Akademie. „Ich bin noch immer in der Erkundungsphase“, beschrieb Kriener. Gleichwohl konnte sie bereits zwei Projekte ankündigen, „die auf uns Frauen zukommen“. Für den Miriam-Sonntag 2012 sei die Reihe an den Christinnen im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region, die entsprechende Materialsammlung für die Gemeinden im Gebiet der Rheinischen Landeskirche zusammen zu stellen. Zudem lud Kriener ein zum „Frauen-Mahl“ am 20. November 2011 in die Kölner Trinitatiskirche. Das Besondere an dem gemeinsamen Essen: Es wird auch mit Wortbeiträgen „gewürzt“. In verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen tätige Frauen, unter anderem in Kirche und Kultur, steuern Sieben-Minuten-Statements aus der Perspektive ihrer jeweils haupt- oder nebenberuflichen Tätigkeit beziehungsweise ihres ehrenamtlichen Engagements bei.

Wie geht es langfristig mit der Frauenarbeit weiter?
Koch-Torjuul zeigte sich „sehr glücklich“ über die Wiederbesetzung des Frauenreferentinnen-Postens auf Verbandebene. „Nach Christina Schlarps Ausscheiden hatte das Frauenreferat 20 Monate nur Mängel verwalten und auf Besserung hoffen können.“ Ihre Freude trübe jedoch, unter anderem, der eingeschränkte Umfang von Krieners Stelle, „die mit Hilfe der Landeskirche und des MBA-Pools möglich wurde“. Koch-Torjuul wirft die Frage auf, „wie es langfristig weiter geht mit der Frauenarbeit im Verband, in den Kirchenkreisen und Gemeinden. Der Verband hat in seiner Satzung als eine seiner Aufgaben die Frauenarbeit festgehalten.“ Daher halte sie an ihrer Hoffnung auf eine unbefristete und umfängliche Frauenbeauftragtenstelle auf Verbandsebene fest.

Zahl der Teilnehmenden gestiegen
„Wir können eine gute Teilnahme vermelden“, schildert Koch-Torjuul die Resonanz auf die Frauentage in den vergangenen Jahren. „Aktuell ist die Zahl noch ´mal gestiegen.“ Der Frauentag werde als „Gemeinde für einen Tag“ verstanden und angenommen. Für die Teilnehmerinnen sei er „ein Tag, an dem sie sich gemeinsam als Kirche erleben, die ausstrahlt, an dem Kontakte hergestellt und Netzwerke weiter geknüpft werden“.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich