You are currently viewing Materialheft „Religion betrifft uns“ zur „Barmer Theologischen Erklärung“ vorgestellt

Materialheft „Religion betrifft uns“ zur „Barmer Theologischen Erklärung“ vorgestellt

„Die unantastbare Grundlage der Deutschen Evangelischen Kirche ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift bezeugt und in den Bekenntnissen der Reformation neu ans Licht getreten ist. Hierdurch werden die Vollmachten, deren die Kirche für ihre Sendung bedarf, bestimmt und begrenzt.“ So steht es in Artikel eins der im Mai 1934 auf der Barmer Bekenntnissynode verabschiedeten „Theologischen Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche“.

„Sie ist die 'Magna Charta' des 'Kirchenkampfes'“, betonte Siegfried Hermle. 80 Jahre nach der Erklärung hat der Professor für Kirchengeschichte am Institut für Evangelische Theologie an der Universität zu Köln gemeinsam mit Thomas Martin Schneider, Kirchenhistoriker an der Universität Koblenz-Landau, ein entsprechendes Materialheft für den Einsatz im Unterricht zusammengestellt.

„Kirchenkampf“ wird vorgestellt
Auf Einladung von Thomas vom Scheidt für das Evangelische Schulreferat Köln und Beate Sträter für das Bonner Pendant stellte Hermle das in der Reihe „Religion betrifft uns“ erschienene Themenheft „Die Barmer Erklärung. Schlüsseltext des 'Kirchenkampfes'“ nun in einer Fortbildung für Religionslehrerinnen und -lehrer vor. Zwar sei der „Kirchenkampf“ speziell ein Thema der Oberstufe, so der Schulreferent vom Scheidt, mittlerweile werde der Stoff aber auch schon im 9. und 10. Jahrgang behandelt. „Ich erhoffe mir ein Update“, begründete eine der Pädagoginnen ihre Teilnahme. Eine Kollegin schilderte eine der Herausforderungen bei der Bearbeitung zeitgeschichtlicher Themen: „Schüler besitzen oft keine historischen Kenntnisse.“ Auch der Betroffenheitsgrad sei ein anderer als noch vor Jahren oder Jahrzehnten. Ob man die Antike oder Nazizeit behandle sei egal: „Beides ist für Schüler weit weg.“

Spannende historische Entstehung
„Es ist der Versuch, Material für die Beschäftigung mit der Barmer Theologischen Erklärung bereitzustellen“, erklärte Hermle im Gespräch. Ihm und Schneider sei die Einbindung der Erklärung in den historischen Kontext wichtig gewesen. „Wir zeigen die spannende historische Entstehung auf, die beteiligten unterschiedlichen Gruppen.“ Damit nachvollzogen werden könne, wogegen sich die Erklärung gewendet habe und was das Besondere an ihr sei. „Wir wollten darstellen, dass sie nicht vom Himmel gefallen ist.“ Ebenso habe man die Rezeption, die Wirkungsgeschichte seit ihrer Entstehung im nationalsozialistischen Staat sowie das Fortwirken der Erklärung nach 1945 beleuchtet. Sowohl die konservative evangelische Seite als auch der Linksprotestantismus hätten in den 1960er Jahren auf ihn Bezug genommen. „Das ist ein Text, der in theologischen wie kirchenpolitischen Auseinandersetzungen bis heute herausfordernd ist, und dem man sich zu stellen hat“, so Hermle.

Das Besondere an der Erklärung
„Was ist die Folie, auf der wir Barmen zu lesen haben?“, fragte Hermle eingangs die Teilnehmenden, und ließ eine ausführliche Darstellung der politischen und theologisch-kirchenpolitischen Verhältnisse seit Ende des Ersten Weltkrieges folgen. Die Erklärung selbst gehe vor allem auf einen Entwurf des in Bonn lehrenden Schweizer Theologen Karl Barth zurück. Sie habe sich gegen die „natürliche Theologie“ der dem NS-Regime nahestehenden, die Institution Kirche bestimmenden „Deutschen Christen“ gewandt. Das Besondere an der Erklärung: „Sie ist gemeinsam von reformierten, lutherischen und unierten Christen angenommen worden“, so Hermle.

Multimediale Ausstellung als Ergänzung
Mit der Online-Ausstellung „Widerstand!? Evangelische Christinnen und Christen im Nationalsozialismus“ stellte der Wissenschaftler ein ergänzendes nützliches Arbeitsinstrument mit „historischen Dokumenten in Form von Texten, Fotos, Audios und Videos“ vor. Träger des Projekts ist die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte. Hermle ist Mitglied der Kommission der Arbeitsgemeinschaft und gehört deren geschäftsführendem Ausschuss an. Er erläuterte den Aufbau der multimedialen Ausstellung und wie im Unterricht mit den angebotenen Materialien gearbeitet werden kann. Die Internetseiten zeigten erstmals das gesamte Spektrum widerständigen Verhaltens von evangelischen Christinnen und Christen im Nationalsozialismus. „Sie enthält reiches Material auch zur Barmer Erklärung“, betonte Hermle.

Gut verständliche Texte
Eine Lehrerin erzählte begeistert, wie gewinnbringend sie den Einsatz der Ausstellung in ihrem Unterricht erlebt habe: „In ihr können die Schüler gut stöbern, die Texte sind gut verständlich, die Materialien lassen sich gut zur Erarbeitung von biographischen Hintergründen nutzen.“ Auf Hermles Hinweis, das die Ausstellung noch sicher zwei Jahre online stehen werde, wurde im Kreis der Teilnehmenden ausdrücklich der Wunsch nach einer langfristigen Sicherung dieses Internet-Projekts geäußert.

Bibliothek im Haus der Evangelischen Kirche
Nach der dichten Informationsrunde gingen die Teilnehmenden daran, in Gruppen die verschiedenen Module des Materialheftes zu bearbeiten. Schließlich wurden die Ergebnisse zusammengetragen und reflektiert. Das vorgestellte Themenheft und diverse andere Publikationen zur Geschichte der Evangelischen Kirche im „Dritten Reich“ können von Interessierten auch in der religionspädagogischen Bibliothek des Schulreferates im Haus der Evangelischen Kirche, Kartäusergasse 9-11, 50678 Köln, eingesehen beziehungsweise entliehen werden. Unter www.bibkat.de/koeln gelangt man zum Onlinekatalog.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich