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Longerich: Seit 26 Jahren Zusammenarbeit zwischen evangelischen und äthiopischen Christen. Jetzt wurde die äthiopisch-orthodoxe Gemeinde Eigentümerin der ehemaligen Luther-Kapelle

Eine große Sache war der Verkauf der Luther-Kapelle für die Protestanten aus Longerich eher nicht. „Die Kapelle wird ja schon seit Jahren ausschließlich von der äthiopisch-orthodoxen Kirche genutzt“, erzählt Hans-Willy Bein, Presbyter der Evangelischen Immananuel-Gemeinde Köln-Longerich, um sie einmal bei ihrem offiziellen Namen zu nennen. Jetzt sind die Äthiopier also endgültig Eigentümer, aus der Luther-Kapelle wurde die St. Michaelskirche, die Gemeinde heißt jetzt “ Äthiopisch-orthodoxe St. Michaels-Kirche“. Über den Preis hüllen sich Käufer und Verkäufer in Schweigen.



Durch den Verkauf können in der ältesten evangelischen Kirche im Kölner Norden auch weiterhin Gottesdienste gefeiert werden
Nicht ganz so schwer gefallen sei der Gemeinde der Verkauf, so Bein, weil sie die Räume schon seit Jahren nicht mehr genutzt habe. Allerdings habe es durchaus Stimmen gegeben, die den Verkauf abgelehnt hätten. Andere seien der Meinung gewesen, man hätte das Gebäude samt Grundstück lukrativer vermarkten müssen angesichts zurückgehender Kirchesteuer-Einnahmen. Sei’s drum, am Ende überwog die Freude darüber, dass in der ältesten evangelischen Kirche im Kölner Norden auch in Zukunft Gottesdienste gefeiert werden. Ausdruck verleihen sollte dieser Freude ein gemeinsames Fest der Protestanten und der Äthiopisch-Orthodoxen am 13. September. Daraus wird aber nichts. Das Fest muss verschoben werden, weil in der Luther-Kapelle ein kapitaler Wasserschaden eingetreten ist. Wann nachgefeiert wird, seht noch nicht fest.

Äthiopische Christen aus Deutschland und dem benachbarten Ausland
Über 70 Jahre gibt es die Lutherkapelle am Lindweilerweg. Seit 1983 wurde sie abwechselnd von Longericher Protestanten und der äthiopisch-orthodoxen Gemeinde genutzt, die sie als ihre St. Mikaelskirche geweiht hat. Seit 1995 feiern nur noch äthiopische Christinnen und Christen aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland dort ihren Gottesdienst.
Der Bau der Kapelle geht zurück auf die Initiative des Apothekers Ernst Ranwig. Ein Nebengebäude des früheres Richardshofes am Lindweiler Weg, das zur Hälfte als Kuhstall gedient hatte, wurde 1933 vom Longericher Architekten Josef Dodemont zu der Mini-Kirche um- und ausgebaut. Es entstand ein schlichter Saalbau, der nach Westen hin durch ein Portal mit Glockenträgerbau im neugotischen Stil abgeschlossen wurde. Hier hängt seither die einzige Glocke, die evangelische Christen jemals in Longerich zum Gottesdienst rief. 1988 wurde die unter Denkmalschutz stehende Kirche umfassend renoviert. Dabei ist bereits die damals gemeinsame Nutzung mit den äthiopischen Christen berücksichtigt worden.

Erster Vermittler: Manfred Kock
Es war Manfred Kock, damals Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord, der sich dafür stark machte, den äthiopischen Christinnen und Christen eine Heimat zu geben. Dank der Inititative des späteren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland entschloss sich die Longericher Gemeinde nach längerer und durchaus kontroverser Diskussion, die Luther-Kapelle mit den Äthiopiern zu teilen.

Mit oder ohne Segen des Patriarchats?
Pfarrer Dr. Merawi Tebege, der in Deutschland promoviert hatte, konnte mit der Gemeindearbeit beginnen. Das war alles andere als einfach. Die Gläubigen waren nahezu alle vor dem kommunistischen Regime in ihrem Heimatland geflohen. Da die äthiopische Kirche über Jahrhunderte immer sehr eng mit den jeweiligen Machthabern zusammengearbeitet hatte, wollten die Flüchtlinge in Longerich keinesfalls eine Gemeinde gründen, die vom Patriarchat in Addis Abeba anerkannt und damit indirekt von den Kommunisten gelenkt wurde. Diskutiert wurde, ähnlich wie die russischen Exilanten nach 1920 eine Auslandskirche ohne Segen des Patriarchates zu gründen. Dafür war aber der treu zu seiner Kirche stehende Tebege nicht zu haben.
Schließlich erteilte das Patriarchat in Äthiopien der Auslandskirche seinen Segen, und die Angst vor der Infiltrierung durch die Kommunisten erwies sich als völlig unbegründet.
Die äthiopisch-orthodoxe Gemeinde besteht 26 Jahre
Im vergangenen Jahr feierten die Äthiopier das 25-jährige Bestehen ihrer Gemeinde. Zu den Gottesdiensten kommen regelmäßig Besucher und Besucherinnen aus ganz Deutschland und sogar aus dem benachbarten Ausland. Und bei den zahlreichen Veranstaltungen im Veedel ist die äthiopisch-orthodoxe Gemeinde als selbstverständlicher Partner regelmäßig mit von der Partie.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann