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Landessynode 2012: Abschied von sechs Ältesten des Kirchenverbandes

Das hatte schon eine symbolische Qualität: Im Rahmen des traditionellen „Kölner Essens“ im Restaurant „Goldener Anker“ während der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland 2012 nutzte der Stadtsuperintendent des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, Rolf Domning, die willkommene Gelegenheit, einen „Ankermann“ und fünf „Ankerfrauen“ in Bad Neuenahr zu verabschieden. Zum letzten Mal nahmen die sechs Synodalältesten aus Köln und Region in diesem Jahr aktiv an einer rheinischen Landessynode teil.


Der Mann zuerst – weil er der „Dienstälteste“ ist
Als „Dienstältester der Ältesten“ gab Dietrich Neuhaus (72) – mit humorvoll-launiger Rede – seinen Dank an die ausdauernd applaudierenden Delegierten zurück in deren Runde. Neuhaus, verheiratet, Vater zweier Töchter und Großvater von drei Enkeln, ist seit 1981 Landessynodaler und war Mitglied im Nominierungsausschuss der Synode. Der pensionierte stellvertretende Schulleiter eines Deutzer Gymnasiums ist seiner Kirche schon seit eigenen Grundschulzeiten verbunden. Über den CVJM kam er zur Leitung von Jugendgruppen. Es folgten Wahlen und Berufungen in das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Dellbrück/Holweide, in die Synode des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch und in deren Vorstand sowie in den Vorstand des damaligen Kölner Stadtkirchenverbands. Und schließlich in die Synode des Evangelischen Kirche im Rheinland: „Das können Sie nur erreichen“, verrät Neuhaus mit seinem für ihn so typischen Schalk in der Stimme, „wenn Sie niemals umziehen!“ Der gelernte evangelische Religions- und Englischlehrer erinnert sich noch gut an seine Ausbildung zum Predigthelfer „so hieß das damals noch“ – mit 29 Jahren. Er war einer der ersten zu Anfang der 70er Jahre, als es im Lande an Lehrern und Pfarrern fehlte. Gefragt nach besonders eindrücklichen Erlebnissen als Landessynodaler fallen Neuhaus sofort Szenen in jenen Eröffnungsgottesdiensten ein, in denen der berufene Landessynodale Johannes Rau schwer bewacht von Polizei und Bodygards seinen Platz in den Bankreihen der Lutherkirche suchen musste: „Das war die schlimme Zeit der Roten-Armee-Fraktion (RAF).“ Stets geschätzt hat Neuhaus an „seiner“ Rheinischen Landessynode das „aufeinander Hören“ in strittigen Fragen, das er seinen Kolleginnen und Kollegen in Bad Neuenahr auch für die Zukunft wünscht. Seine eigene Zukunft in Köln sieht er „weiterhin im Weinberg des Herrn, wo ich noch ein bisschen schlendern und gucken werde, auf dass ich das ein oder andere Stückchen Brachland finde, das ich mit meinen bescheidenen Kräften beackern kann.“

Stadtsuperintendent Rolf Domning (links) im Bild mit 'dem Ältesten der Synodalältesten' Dietrich Neuhaus.

Der Bruder ist eine Schwester….
Ingrid Schaefer (74) ist eine der Kölner „Ankerfrauen“ in der rheinischen Kirchenleitung, in die sie 1997 als nebenamtliches Mitglied berufen wurde. Die verwitwete Diplom-Übersetzerin und ehemalige PR-Journalistin der britischen Botschaft fand ihren Weg ins kirchliche Engagement „eher als Konsumentin kirchlicher Angebote“. Als dann ihr Sohn konfirmiert wurde, „suchte man Leute, die was taten.“ Fortan organisierte Schaefer zusammen mit anderen Eltern den Konfirmandenunterricht, unterstützt vom Bonner Pädagogisch-Theologischen-Institut und dem Kölner Schulreferat des damaligen Stadtkirchenverbandes. Seit 1980 Presbyterin in Weiden und seit 1996 auch Mitglied im Vorstand des damaligen Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln, hat Schaefer ihr Wirken stets als „Arbeit am Aufbau der Gemeinde“ verstanden. 1984 folgte ihre Wahl in den Synodalvorstand des Kirchenkreises Köln-Nord und 1988 zur Delegierten der Rheinischen Landessynode: „Ich war dann 1989 erstmals dabei, das war die Landessynode, auf der Peter Beier zum Präses gewählt wurde.“
Immer war es ihr wichtig, konkrete Gemeindebezüge in der Gremienarbeit auf allen Ebenen in den Blick zu bringen. Die professionelle Übersetzerin verstand sich in ihrer Kirche stets als „Brückenbauerin“. Als bewegenden Moment benennt Schaefer (auch Mitglied im Ständigen Theologischen Ausschuss) den Beschluss zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden und besonders eine Situation: „Als vor der Synode der niederländische Rabbiner Eskenasy davon berichtete, wie er sich überwand, zum ersten Mal wieder die holländische Grenze nach Deutschland zu überschreiten, da saß ich auf der Tribüne der Kirchenleitung, für alle gut sichtbar, und mir liefen die Tränen vor Scham und Rührung über das Gesicht, ich konnte es nicht verhindern.“ Auch an einen heiteren und für die Zeit typischen Moment erinnert sie sich: „Als ich einmal – als eine der wenigen Frauen – schriftlich meine Wortmeldung zum Bericht des Präses abgegeben hatte, wurde ich mit ‚Bruder Schaefer‘ aufgerufen, da trat ich dann mit den Worten ans Mikrofon: ‚Der Bruder ist eine Schwester’…'“

Tochter einer „protestantischen Dynastie“
Erika Falcke (72) ist seit 1978 Presbyterin der Kirchengemeinde Frechen, verheiratet, hat zwei Söhne und drei Enkel. Sie entstammt einer wahrhaftig protestantischen Dynastie: Seit 400 Jahren schon stellt ihre Familie (sie ist eine geborene Hemmersbach) Presbyterinnen und Presbyter in Frechen – jetzt auch wieder die Schwiegertochter, der Sohn ist Prädikant, eine Enkeltochter studiert evangelische Theologie in Wuppertal. Ihre erste Landessynode erlebte Falcke 1996 – „das war die letzte Landessynode mit Präses Beier im alten Kurhaus.“ Insgesamt drei Präsides hat sie kommen und gehen sehen. Als stellvertretendes Mitglied der Kreissynode Köln-Süd und Delegierte zur Landessynode engagierte sich die Grundschullehrerin im Ausschuss für Erziehung und Bildung, „damals noch als einzige Grundschullehrerin im Tagungsausschuss.“ Nach ihrer Pensionierung 2001 war sie Mitglied im Ständigen Ausschuss für Erziehung und Bildung, wo sie sich für die Themen Kindergarten und Jugendarbeit stark machte. Falckes „Einmischen“ hat eine persönliche Geschichte: Schon als Studentin wirkte sie an der Universität im „ASTA“ und machte die Vertretung von Interessen ihrer Kommilitonen zu ihrer Sache. In ihrer Zeit als Landessynodale blieb ihr „das gute menschliche Miteinander“ wichtig, vor allem auch der Humor beim Diskutieren und Beraten. Mit einem Augenzwinkern – „und mit Respekt!“ – erinnert sich Falcke an den Kölner Landessynodalen Dr. Thomas Hübner aus Rondorf. Der nämlich verstand es, plötzlich in einen Sekundenschlaf zu fallen und mit dem Kopf auf der Brust wegzunicken, aber trotzdem weiter der Sitzung zu folgen: „Wenn man ihn hinterher auf irgendetwas ansprach, hatte der alles mitbekommen, das war schon faszinierend!“
Ein „offenes und faires Diskutieren“ wünscht Falcke der Rheinischen Landessynode auch für die Zukunft, in der sie selbst nicht mehr dabei sein wird. Persönlich hofft sie, nun „mehr Zeit zum Lesen“ zu haben. Auch da interessiert sie „das Menschliche“: Besonders gern wird sie darum demnächst im Bücherregal nach Biografien greifen.

„Wir hatten eine Farm in Tansania“
Heidemarie Dexling (67) ist seit 1980 Presbyterin der Kirchengemeinde Köln-Nippes. Die gelernte Reisebürokauffrau ist verheiratet, hat zwei Töchter und vier Enkelkinder. Zur Landessynode wurde sie erstmals 1997 abgeordnet. Als Mitglied im Kreissynodalvorstand ihres Kirchenkreises Köln-Mitte engagierte sich Dexling auch für die dortige Afrika-Partnerschaft , und wenn sie heute sagt: „Wir hatten eine Farm in Tansania…“, dann klingt dieser Satz so ganz wie aus dem Roman der Tania Blixen, unvergesslich gesprochen von Meryl Streep in der berühmten Verfilmung „Jenseits von Afrika“. Starke Frauen, in Köln und Afrika und natürlich auch in Bad Neuenahr, die waren Heidemarie Dexling (selbst eine starke Frau) stets ein besonderes Engagement wert. Zum „Aufbruch“ im Kirchenkreis zählt sie die dortige Einrichtung der ersten Stelle einer Frauenreferentin, und ihre eigene Wahl zur Rheinischen Landessynode, als damals zweite Frau ihres Kirchenkreises überhaupt: „Bis dahin waren immer nur Männer zur Landessynode delegiert worden.“ Als starken persönlichen Moment erlebte es „Heide“ Dexling, wie ihr im Eröffnungsgottesdienst einmal das Abendmahl von Johannes Rau weitergereicht wurde, neben dessen „Stammplatz“ sie zufällig zu sitzen kam, und sie spürte: „Der war ein Mensch und machte keine Unterschiede.“ Das entsprach auch dem Geist der Landessynode, wie ihn Dexling alle Jahre in Bad Neuenahr erlebte: „Hier haben die vielen Akademiker unter den Brüdern und Schwestern keine Standesdünkel.“ Als Wunsch für die Rheinische Landessynode formuliert sie denn auch: „Wir sollten gut durchwachsen bleiben, nicht zu weit weg von der Basis sein und Worte sprechen, die auch in den Gemeinden verstanden werden.“ Außerdem sagt sie: „Ich wünsche mir unglaublich viele Kircheneintritte!“ Auf die Frage, wie dieses Wunder denn wohl vollbracht werden könne, antwortet Dexling: „Neue Wege und Projekte wie die ‚Kulturkirche Köln‘ in Nippes beweisen, dass über die Konzerte und Veranstaltungen Menschen eine neue Heimat in der Kirchengemeinde finden.“ Zuerst sei sie ja selbst skeptisch gewesen, „aber das funktioniert.“ Persönlich wird sich Dexling künftig vermehrt in der Hospiz-Arbeit engagieren, aber auch „einfach Menschen betreuen, vorlesen – und zusammen singen!“

„Da will eine Frau in den Rechnungsprüfungsausschuss!“
Barbara Ruhland (71) ist verwitwet, sie hat zwei Kinder und vier Enkelkinder und ist seit jeher kirchlich gebunden – schon der Großvater war Pfarrer, ihr Vater Kirchenvorstand in Hessen und Prädikant, als Jurist in vielen kirchlichen Aufsichtsräten. Nach dem Umzug, 1978, nach Bensberg, „da wurde ich sofort von der Pfarrerin gefragt, ob ich für das Presbyterium kandidieren will.“ 1980 wurde sie Presbyterin der Evangelischen Kirchengemeinde Bensberg. Als Lehrerin für wirtschaftswissenschaftliche Fächer wurde der Volkswirtschaftlerin sogleich das Amt der Finanzkirchmeisterin angetragen – ungewöhnlich in der damaligen Männerriege! Über viele Jahre hin blieb Ruhland denn auch mit ihrer Expertise in den meisten Gremien einzige Frau „unter Männern“. Und sie erinnert sich noch gut an den Spott des damaligen Pförtners im Stadtkirchenverband, der seinem Hausmeisterkollegen in die Rippen stieß mit den ungläubigen Worten: „Mensch, da will eine Frau in den Rechnungsprüfungsausschuss!“
Zur Kreissynode des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch wurde Ruhland 1984 delegiert, 1987 in den Kreissynodalvorstand gewählt. 1996 folgte die Wahl in den Kölner Verbandsvorstand. Ab 2000 war sie Finanzkirchmeisterin des rechtsrheinischen Kirchenkreises. Seit 2007 kam dann noch die Arbeit auf der Landessynode dazu. Immer hat Ruhland „nebenher“ vollberuflich gearbeitet.
Woran erinnert sie sich besonders lebendig, wenn sie an die Jahre in Bad Neuenahr zurückblickt? „Sicher an meine zweite Synode, als gerade in Duisburg das ‚Loveparade-Unglück‘ geschehen war, da stand die ganze Synode unter diesem Eindruck, und in der Diskussion gab es ein Ringen um die Schuldfrage.“
Für die Zukunft ihrer Landeskirche sieht Ruhland – anders als viele andere – beste Aussichten durch die Einführung des „Neuen Kirchlichen Finanzwesens“ (NKF): „Als Volkswirtschaftlerin ist mir das ja alles bestens vertraut.“ Mehr Transparenz vor allem erwartet Ruhland von der Umstellung: „Dazu stehe ich positiv.“ Familiäre Gründe und ihre Reiselust bewegen die Fachfrau („gerade jetzt, da es spannend wird“) dennoch zum Ausscheiden aus der Landessynode: „Australien oder Neuseeland möchte ich sehen, diese Erdteile kenne ich noch nicht.“

„Mein Leben verlief in Dekaden-Sprüngen“
Inga Weyer-Fabrega (69), verheiratet, sie hat einen Sohn, war Gymnasiallehrerin für evangelische Religionslehre und Deutsch – und war als Volltheologin prädestiniert für ein Engagement in den Gremien ihrer Kirche. Geweckt wurde das jedoch erst durch „Schwester Anna und den Kindergottesdienst, den sie damals in der Kölner Christuskirche hielt, stets inspiriert von lebendigen biblischen Erzählungen.“ Doch schon in ihrer eigenen Familie, erzählt Weyer-Fabrega, „wimmelte es nur so von Theologen“, und das prägte ihr Interesse an Kirche und Theologie. Zu ihrem ureigenen Interesse machte sie dann die Förderung von „neuen Formen des Konfirmandenunterrichts“ in kleinen Gruppen mit dem Ziel, darin Verantwortung zu entwickeln und kirchliche Inhalte und „die Botschaft“ zu übersetzen.
30 Jahre lang aber gab es für sie „gar keine Beziehung zu kirchlichen Gremien und Ämtern außerhalb der Gemeinde.“ Und erst mit etwa 50 Jahren, zehn Jahre, nachdem sie mit vierzig Mutter geworden war und ein Frauennetzwerk geknüpft hatte, ging es für Weyer-Fabrega erstmals ins Presbyterium; daneben die Schule, mit halber Stelle: „Mein Leben verlief eigentlich immer in Dekaden-Sprüngen“, lacht sie. Es folgte die Mitwirkung im Kölner Evangelisch-Katholischen Arbeitskreis: „durch die eigene konfessionsverbindende Ehe, da lag das ja nahe.“ Soziales Engagement, Ökumene, Frauenthemen – für diese Felder setzte sich Weyer-Fabrega auch in ihrem Kirchenkreis Köln-Mitte seit 1997 ein. Vor acht oder zehn Jahren („ach, so genau weiß ich das gar nicht mehr“, sagt sie) folgte die Wahl als Delegierte zur Landessynode, wo man sie als eloquente und auch emotional beteiligte Diskutantin erleben konnte. „Jetzt aber soll eine Zeit der Entschleunigung und Reflexion für mich folgen“, sagt Weyer-Fabrega, „ich will weniger Sitzungsprotokolle und wieder mehr Literatur lesen!“
Von großem Gewinn war für die scheidende Landessynodale „die Art des Diskutierens, also nicht nur eigene Positionen durchzubringen, sondern ein aktives Interesse auch an Positionen der Anderen.“ „Landessynode“, das war für Weyer-Fabrega immer auch „gottesdienstliche Betätigung“ – gerade auch das gemeinsame Singen „als Ausdruck der Bindung an und in der Verantwortung vor Gott.“
Für die Zukunft der Landessynode wünscht sie sich Menschen, die sich mit ihren Gaben qualifiziert einbringen und auch die Grenzen ihrer Kompetenz erkennen: „Genau solche Einsicht motiviert übrigens mich selbst nun zum Abschied, denn in Sachen Finanzen bin ich einfach keine Fachfrau, das können andere besser als ich!“

Fazit mit Blick auf die Landessynode 2012
Einig sind sich alle ausscheidenden Kölner Synodalältesten darin, dass die Beibehaltung von Ausnahmeregelungen der Verwaltungsstruktur in Köln und Region – dafür findet sich in den Beratungen über die anstehende Verwaltungsreform auf der Landessynode 2012 eine Mehrheit – nur zu begrüßen ist: „Uns bleibt weiterhin ein sinnvoller Spielraum, und es ist gut, dass bewährte Formen auf Kirchenkreis- und Verbandsebene erhalten bleiben.“

Text: Günter A. Menne aus Bad Neuenahr
Foto(s): Günter A. Menne