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Kölsch Hätz: Die erfolgreiche, ökumenische Nachbarschaftshilfe erreicht immer mehr „Veedel“ von Köln

Vor über neun Jahren fing die ökumenische Nachbarschaftshilfe Kölsch Hätz in den Kölner Stadtteilen Mauenheim, Weidenpesch und Niehl an zu „schlagen“, zuerst vor allem in den evangelischen und katholischen Gemeinden der „Veedel“, nun auch mit Hilfe von des Amts für Diakonie im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region sowie der Caritasverband für die Stadt Köln e.V. Seit März 2005 „pulsiert“ die aktive Nachbarschaftshilfe auch in Köln-Mülheim, seit Juni 2006 in Köln-Poll. Anlässlich von Gründungsvorbereitungen in weiteren Stadtteilen – 2007 starten Nachbarschaftshilfen in Sülz/ Klettenberg, Buchheim/ Buchforst und Weiden/ Lövenich/ Widdersdorf – erläuterten die Beteiligten jetzt ihr Konzept. Und nächstes Jahr wird zehnjähriges Bestehen gefeiert.



Sehnsüchtig erwartet
Gründerin von „Kölsch Hätz“ und noch heute ehrenamtlich Engagierte ist Gabriele Vollrodt: „1992 habe ich begonnen, ehrenamtlich im Krankenhaus Niehl tätig zu werden“, erinnert sie sich. Bei ihren regelmäßigen Krankenbesuchen sei immer wieder das Thema Einsamkeit angesprochen worden. „Die Patienten sagten mir: ‚Hier, im Krankenhaus, geht es ja noch, aber wenn ich zuhause bin… ‚ Mich beeindruckten diese Worte und ich dachte, das kann doch nicht sein.“ Vollrodt wollte etwas gegen die Isolation der Menschen unternehmen, sprach mit Pfarrern und Apothekern, die ihr Unterstützung zusagten. „Ich habe dann angefangen, in meiner Pfarrgemeinde St. Katharina, Alleinstehende und Senioren zu besuchen.“ Die Menschen erwarteten sie geradezu sehnsüchtig zu den vereinbarten Terminen. Aber als Einzelkämpferin stieß Vollrodt bald an ihre Grenzen. Daher sprach sie die Evangelische Kirchengemeinde Mauenheim-Weidenpesch und Ludger Hengefeld vom Caritasverband an. Aus diesen Kontakten entstand schließlich eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Köln-Mauenheim, -Niehl und -Weidenpesch, des Amtes für Diakonie, des Caritasverbandes sowie des Familien- und Krankenpflegevereins Niehl/Weidenpesch e.V. Noch ein Projekt, in dem nur auf den Schultern von ehrenamtlich engagierten Menschen gesellschaftliche Mißstände beseitigt werden sollen? Nicht ganz. „Ich hatte genaue Vorstellungen für das Projekt“, so Vollrodt. „Eine davon war, dass im Hintergrund eine hauptamtliche Begleitung stattfinden muss.“

Kinder, alte, alleinlebende, arbeitslose und behinderte Menschen
Am 1. Juni 1997 ging „Kölsch Hätz“ in Mauenheim, Niehl und Weidenpesch an den Start. Seitdem vermittelt die Initiative Kontakte in der Nachbarschaft, zwischen Ehrenamtlichen und Menschen, die Hilfe brauchen. Bis heute sind es insgesamt 300 Freiwillige, die sich für Alte, Alleinlebende und -stehende, Arbeitslose, Behinderte, aber auch für Kinder engagiert haben. In Mauenheim, Nippes und Weidenpesch sind derzeit fünfzig Ehrenamtliche tätig, in Mülheim und Poll jeweils 25. Sie bieten sich beispielsweise als Gesprächspartner an, begleiten Interessierte bei Spazier- oder Amtsgängen, lesen vor oder helfen bei Hausaufgaben. Die Ehrenamtlichen von Kölsch Hätz – dass sind Elf- bis Achtzigjährige, die bereit sind, mit anderen zusammen etwas zu unternehmen; einmal wöchentlich, für maximal drei Stunden. „Jeder muss aber selber bestimmen, wieviel Zeit er aufwenden kann“, so Vollrodt. „Es reicht schon aus, wenn jemand eine halbe Stunde im Monat eine Person bei einem Friedhofsbesuch begleitet.“

Bei uns em Veedel…
„Kölsch Hätz hat mit Köln zu tun, auch sichtbar im Logo, in dem sich unter einem Herzsymbol die stilisierten Türme des Wahrzeichens unserer Stadt finden“, so Pfarrer Franz Decker, Direktor des Caritasverbandes für die Stadt Köln e.V. So wie im Lied der Bläck Fööss „Bei uns em Veedel“, so sei die Vertrautheit eben auch hier, eine kölsche und humane Wahrheit. Kölsch Hätz gehe es darum, die „Milieus“ am Leben zu halten oder neue zu schaffen, die zerbrechenden sozialen Bindungen (wieder) aufzubauen, die Lebensqualität in den Stadtvierteln zu fördern. Das sei auch eine klassische kirchliche Aufgabe, der sich katholische und evangelische Gemeinden sowie deren Leitungen gemeinsam stellen wollten. „Wir wirken dort mit, wo es Schwierigkeiten gibt“, dankte er Gabriele Vollrodt, „die das Ganze in Gang gesetzt und viele weitere Ehrenamtliche gefunden hat.“

Neu: Die Kooperation mitt der Diakonie
„Es hat uns gereizt, hier einzusteigen, weil es sich um eine neue Form der Zusammenarbeit gehandelt hat“, begründete Karl-Gerhard Bachmann, Geschäftsführer des Amtes für Diakonie im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region die neue Kooperation mit der Nachbarschaftshilfe. „Kölsch Hätz“ sei ein guter Baustein der ökumenischen Zusammenarbeit, von denen es in Köln bereits andere gebe, nannte er die Bahnhofsmission, die Christliche Sozialhilfe Köln-Mülheim oder das Arbeitslosenprojekt ABC in Köln-Höhenhaus. Die Kooperation sei gut und beispielhaft, die Arbeit habe sich bewährt und setze sich erfolgreich weiter fort. Auch mit Unterstützung des evangelischen Verbandsvorstandes, der beschlossen habe, die Kirchengemeinden der Region in dieser Arbeit zu stärken.

„Anderen Menschen Zeit schenken“
Ziel von „Kölsch Hätz“ ist die Vermittlung von dauerhaften, persönlichen Kontakten zwischen Nachbarn, eben „em Veedel“. Dafür biete die Initiative gute Rahmenbedingungen, sagte Hermann-Josef Roggendorf vom Caritasverband. Er ist einer von zwei hauptamtlich Mitarbeitenden und Koordinator der Nachbarschaftshilfe. „Ich möchte einem anderen Menschen meine Zeit schenken“, begründet Vollrodt ihr Engagement. Und sie ist glücklich darüber, dass sich so viele Menschen gefunden haben, die das auch möchten. Die jeweiligen „Paarungen“ zwischen Betreuenden und Betreuten entstehen aufgrund der Ansprüche, Bedürfnisse oder Hobbys der Beteiligten. Doch immer gebe es für beide Seiten so etwas wie „ein Umtauschrecht“, betont Vollrodt: „Niemand wird zu etwas gezwungen. Wichtig ist, dass sich unsere Mitarbeitenden Grenzen setzen. So müssen sie beispielsweise nicht putzen oder andere Hausarbeiten verrichten. Aber bis jetzt hat alles noch immer wunderbar geklappt.“ Es haben sich sogar Freundschaften entwickelt – auch untereinander, zwischen Ehrenamtlichen, von denen einige bis dahin selber allein waren.

Ehrenamtliche in der Arbeit nicht alleine lassen
Entscheidend sei, dass die Arbeit in Kombination von Haupt- und Nebenamtlichen bestritten werde. „Ich kann nicht in das Klagelied einstimmen, die Menschen würden sich immer weniger ehrenamtlich betätigen“, so Decker. „Aber man muss den Ehrenamtlichen Strukturen geben, wir dürfen sie nicht alleine lassen. Wir zeigen ihnen, dass sie in ihrer Tätigkeit ernst genommen werden.“ Beratung und Begleitung erfahren die Ehrenamtlichen eigentlich immer: Vollrodt zählt Fortbildungsangebote, Versicherungsschutz und Kostenerstattungen auf. Natürlich gibt es regelmäßige Treffen, Gesprächsführungskurse, Erfahrungsausstausch und immer wieder Gespräche über Einzelfälle. Die fachliche Begleitung und Schulung erfolgt unter anderem durch Honorarkräfteoder über die Fachdienste von Caritas und Diakonie. „Das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können“, betonte Bachmann. „Wir können auf die eigenen Ressourcen zurückgreifen.“ Gerade auch in Fällen, wo die Ehrenamtlichen bei den Betreuten Probleme wie beispielsweise Suchtgefahr oder Überschuldung feststellten – in solchen Problemstellungen kennen sich die diakonischen Fachberatungen bestens aus. „Die Ehrenamtlichen sind durch ihre Arbeit sensibilisiert. Sie gehen mit offenen Augen durch ihr Viertel“, zieht Vollrodt eine positiven Bilanz des ehrenamtlichen Engagements.

Nächstes Jahr wird gefeiert
Die Akzeptanz ist groß. Roggendorf betont, dass „Kölsch Hätz“ nicht mit den bestehenden, bewährten Diensten und Netzwerken konkurriert. „Wir wollen diese keinesfalls ersetzen, sondern uns in die Vernetzungen anderer Institutionen und Projekte einbinden und deren Angebote stadtteilorientiert ergänzen.“ An den Standorten von Kölsch Hätz habe man bislang auch nur Menschen gewonnen, die noch nicht ehrenamtlich tätig waren. „Wir finanzieren uns über öffentliche Mittel, über Zuschüsse seitens der Träger. Außerdem betreiben wir Fundraising in den Stadtteilen, werden von Sponsoren und Stiftungen bedacht“, erläutert Hengefeld.
Nächstes Jahr besteht Kölsch Hätz in seinen „Stammveedeln“ Mauenheim, Niehl und Weidenpesch zehn Jahre. Aus diesem Anlass sind ein ökumenischer Gottesdienst, ein Festakt sowie weitere Jubläumsveranstaltungen geplant.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich