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„Klettenberger Köpfe“: Pfarrerin Susanne Beuth stand Rede und Antwort

Wenn Susanne Beuth ein Vorgespräch erwartet hatte, war sie bei Kurt Gerhardt fehl am Platze. Der routinierte Journalist, ehedem Moderator des Mittagsmagazins auf WDR 2, ging mit der Klettenberger Pfarrerin gleich auf die Bühne und sofort in die Vollen. "Wozu brauche ich eigentlich Religion? Anständig leben kann ich auch ohne", eröffnete Gerhardt das Gespräch in der Reihe "Klettenberger Köpfe" im Brunosaal.

Die Reihe stellt Menschen aus dem Veedel vor, die einem größeren Personenkreis bekannt sind. Das gilt wohl mit Fug und Recht für Susanne Beuth, die seit 1992 als Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg tätig ist und seit 2004 mit ihrer Pfarrstelle im Tersteegenhaus verantwortlich ist für den Bereich zwischen Gürtel und Sülzburgstraße/Gottesweg.

"Ich erzähle von dem, was ich mache"
Auf Gerhardts Eingangsfrage wusste Beuth natürlich und spontan zu antworten: "Im Leben ist es mit der Religion wie mit der Musik. Es ist schöner mit. Ich weiß aber auch, dass es Menschen gibt, die Erfahrungen mit der Kirche haben, die nicht zu ihnen passen." Ob sie einen Missionierungsauftrag in sich spüre, fragte Gerhardt. "Ich bin keine große Missionarin. Ich erzähle von dem, was ich mache. Ich will niemanden bekehren, der völlig anti ist. Aber es gibt im Leben ja immer die Hoffnung, dass sich das noch einmal ändert. Ich galube an den Funken des Heiligen Geistes." "Woran merkt man den?", wollte Gerhardt wissen. "Da gibt es ein Gefühl, getragen zu sein, ein Gegenüber zu haben", antwortete die Pfarrerin. Überrascht zeigte sich Gerhardt angesichts der Nachkommen von Susanne Beuth. Sie und ihr Mann haben eine 18-jährige Tochter und einen 24-jährigen Sohn. Der Mann brachte einen mittlerweile 27-jährigen Sohn mit in die Ehe, Susanne Beuth ist Oma von zwei Enkeln, sechs Jahre und ein Jahr alt.
Beuth sei bereits mit 16 oder 17 Jahren sei klar gewesen, dass ihr künftiger Beruf eine theologische Richtung haben würde, sagte die Pfarrerin. Nach dem Abitur habe sie sich auf eine Stelle als Krankenschwesternschülerin beworben. "Ich bin aber nicht genommen worden. Vielleicht war das sehr vernünftig."

Immer dem "Geringsten" zugewandt
Gerhardt erzählte eine Anekdote von einer Zugfahrt nach Berlin. Auf der Suche nach einer lateinischen Vokabel im Internet habe ihm ein junger, langhaariger Mann mit zerrissenem Rucksack geholfen, der als Theologie-Student Lateinisch, Griechisch und Hebräisch studiert hatte. "Der ließ sich nun zum Krankenpfleger ausbilden, weil er den Pfarrberuf nicht ergreifen konnte, nachdem er das Bibelwort "Was Ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr mir getan" gehört hatte. "Ich konnte danach nicht wie bisher weiterleben. Ich musste mich an den Geringsten wenden." Diesen "Faden", wie Beuth es nannte, kann auch sie in ihrem Leben erkennen. "Ich habe mich auch immer den Geringsten nach den Maßstäben in unserer Gesellschaft zugewandt."

"Ich fand Jesus damals ein wenig angeberisch"
Als religiös prägende Persönlichkeit ihrer Jugendzeit nannte sie Hans-Georg Link, damals Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Weiden, mittlerweile pensionierter Ökumenepfarrer des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Darüber hinaus habe sie ihre Oma mit religiöser Literatur versorgt. Als Beispiel nannte sie das Buch "Ich bat um Füße, und er gab mir Flügel". Darin gehe es um eine Ärztin, die nach einem Unfall querschnittgelähmt gewesen sei. Die habe nicht resigniert, sondern sei als Reha-Spezialistin in Indien hochgeachtet gewesen. "Da geht es natürlich um eine sehr direkte Frömmigkeit." Als die spätere Pfarrerin mit zwölf Jahren krank war, hat sie "aus Langeweile" das Neue Testament gelesen. Mit einem überraschenden Ergebnis: "Ich fand Jesus damals ein wenig angeberisch." Das hat sich mittlerweile wohl verändert.

"Gibt es katholische und evangelische Typen?"
Eine weitere Frage brannte Gerhardt auf der katholischen Seele: "Ich bin immer für einen Protestanten gehalten worden. Gibt es katholische und evangelische Typen?" Beuth: "Ich kann hier im Veedel Protestanten nicht von den Katholiken unterscheiden". Unterschiede zwischen beiden Konfessionen kennt sie degegen schon. "Den Katholiken ist der Gottesdienst sehr wichtig. Bei uns kann man prima evangelisch sein, ohne in die Kirche zu gehen. Dann hat man den Evangelischen nachgesagt, sie würden die Bibel besser kennen als die Katholiken. Aber auch da werden wir den Katholischen immer ähnlicher. Evangelisch ist ein weites Feld, man muss sich immer wieder einigen." Katholisch sein heiße, einer entscheidet, und die anderen müssten damit fertig werden, entgegnete Gerhardt.

"Man braucht ein Gesicht"
"Evangelisch ist anstrengender als katholisch", fuhr Gerhardt fort. "Der Papst ist natürlich praktisch in unserem medialen Zeitalter. Man braucht ein Gesicht. Deshalb war Margot Käßmann für die Protestanten so bedeutsam", resümierte Beuth. "Ich würde nie im Leben einen Ring küssen", fasste Gerhardt seine Meinung zu Papst und nachgeordnetem katholischen Personal zusammen. Dem konnte sich die evangelische Pfarrerin ohne Wenn und Aber anschließen. Und auch auf ein gemeinsames Kirchenlied verständigte man sich problemlos: ebenfalls Gerhardt, weder verwandt noch verschwägert mit dem Moderator. Also stimmten beide "Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerzeit" von Paul Gerhardt an. Applaus, Applaus.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann