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Kirchentag: Europa – Festung oder Forum, oder: Wie viele Einwanderer verträgt ein Land? Die Aspekte der Migration

Es gibt keine illegalen Menschen, es gibt nur Irregularien.“ Bei der Podiumsdiskussion „Europa – Festung oder Forum?“ auf dem DEKT fanden Politiker und Migrationsforscher klare Worte zum Thema Migration. Migration sei keine Erfindung der modernen Gesellschaft, sondern mit dem Exodus bereits ein altes biblisches Thema. Doch seitdem mit der Globalisierung auch die Mobilität der Menschen zunähme, sei Zuwanderung zu einer der zentralen Herausforderungen der Industriestaaten geworden. Es sei daher folgerichtig, dass Migration als Thema auch auf dem Evangelischen Kirchentag eine wichtige Rolle spiele, stellte Rita Süssmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin, zu Beginn der Podiumsdiskussion klar. Die prominent besetzte Runde behandelte die Herausforderungen von Migration und Integration für die europäischen Staaten.

Migration als globales Thema
Migration, das sei ein globales Thema, das ähnlich wie der Klimaschutz auch globale Strategien erfordere, sagte Süssmuth in ihrem Eröffnungsstatement zur Migration in der Welt. Dabei sei es wichtig, Zuwanderung nicht nur als Problem zu verstehen, sondern als Bedingung des Zusammenlebens. „Wir können uns gegenseitig bereichern“, rief sie der Zuhörerschaft in der Themenhalle „Europa in der Welt“ zu. Schließlich gliche Migration in vielen europäischen Ländern seit den Sechziger Jahren den Geburtenrückgang aus.

„Zäune sind nicht die Lösung“
Amaya Valcárcel von der spanischen Flüchtlingskommission gab in ihrem Vortrag Einblicke in die Schicksale der afrikanischen Flüchtlinge, die an die Küsten Spaniens, Italiens und der kanarischen Inseln gespült werden. Wenn sie das europäische Festland erreicht haben, so führte sie aus, hören die Probleme nicht auf: polizeiliche Verfolgung, Ausbeutung durch unterbezahlte Arbeit und gesellschaftliche Diskriminierung seien für viele an der Tagesordnung. Dass sich europäische Länder zunehmend durch meterhohe Zäune wie in Marokko und ähnliche Barrieren abzuschotten versuchen, sieht sie als höchstproblematisch. „Geschlossene Grenzen untergraben die Rechte politischer Flüchtlinge auf Asyl.“

Kirchen als Motor der Integration
Der nordrheinwestfälische Integrationsminister Armin Laschet stellte zu Beginn seines Vortrags zur Zuwanderung in Deutschland fest, dass Deutschland schon seit Jahren de facto ein Einwanderungsland ist. „Und wir sind ein Land vieler Kulturen. Auf Latein heißt das „multi“.“ Den besonderen Stellenwert von Integrationspolitik stellte er an deutliche Zahlen heraus: In Städten wie Köln habe jedes zweite Kind einen Migrationshintergrund. Lobend hob Laschet auch die Rolle der Kirchen in Deutschland hervor, die nach dem biblischen Motto „Den Fremden in der Fremde annehmen“ Integration praktizierten und vorantrieben. Mit einem Appell wandte er sich abschließend an die Zuhörer: „Wir müssen den Zuwanderern zeigen, dass sie willkommen sind. Dann wächst auch die Bereitschaft sich zu integrieren.“

Hausgemachte Probleme
Migrationsforscher Klaus Bade gibt den großen Industrieländern selbst die Hauptschuld an den heutigen Migrationsproblemen. Deren Handelspolitik torpediere etwa die einheimischen Märkte in Afrika und nähme den Familien die Lebensgrundlage weg. Zudem fügte Fidele Mutwarasibo vom irischen Immigrant Council hinzu, gäbe es bereits in vielen Fällen eine Zuwanderung von hochqualifizierten Migranten, die ja von vielen europäischen Ländern gewollt wird. Allerdings finden solche Zuwanderer häufig nur Arbeit unterhalb ihrer Qualifikation. Sein Schlussplädoyer richtete sich an die europäische Integrationspolitker: Wer heute nicht in Migration und Integration investiert, der müsse morgen womöglich mit immensen Folgekosten rechnen.
Migration und Integration, da war man sich auf dem Podium am Ende einig, gehörten zum Selbstverständnis moderner Gesellschaften dazu. Einen positiveren Umgang mit dem Thema wünschten sich die Beteiligten zum Schluss einstimmig. So müsse die Gesellschaft permanent Angebote zur Integration schaffen, denn Formen von Diskriminierung gäbe es schließlich immer noch, resümierte Laschet.

Unlimited Voice Company
In den Pausen zwischen den Diskussionsrunden gab die „Unlimited Voice Company“ aus Köln musikalische Anstöße zum Thema. Das passte in jeder Hinsicht gut, hat dieser Chor doch seine Wurzeln in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Neue Stadt, einer Region, in der beispielsweise rund um Chorweiler der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund besonders hoch ist – so natürlich auch bei den Sängerinnen und Sängern dieses Chores, der sich mittlerweile weit über Köln hinaus einen Namen gemacht hat.

Tipp
Migration oder Integration, Quote oder nicht – bei der Veranstaltung im Zentrum Migration zum Thema „Deutschland, ein Zuwanderungsland?“ wurde beim Kirchentag auch deutlich: Die Problemlage hat viele Gesichter. Nachzulesen auf den Seiten der rheinischen Landeskirche hier.

Text: Rouben Bathke
Foto(s): Bathke