You are currently viewing Eine neue Orgel für die Friedenskirche in Köln-Mülheim

Eine neue Orgel für die Friedenskirche in Köln-Mülheim

Überall im Kirchenschiff und auf den Emporen lehnen glänzende Orgelpfeifen an den Wänden, Werkbänke und Gerüste sind aufgebaut, Baupläne liegen ausgebreitet, Schutzfolien wurden ausgelegt und zahllose Kartons stapeln sich. Noch gleicht die evangelische Friedenskirche in Mülheim einer riesigen Baustelle und es gehört durchaus eine Portion Optimismus dazu, sich vorzustellen, dass in wenigen Tagen – am 28. Oktober – die neue Pfeifenorgel der Gemeinde erstmals in einem Konzert zu hören sein wird.

Dennoch sind alle, allen voran der Orgelbauer Gerald Woehl aus Marburg und der Kantor der Gemeinde, Kirchenmusikdirektor Christoph Spering, zuversichtlich, dass alles rechtzeitig fertig wird. Woehl hat das neue Instrument bereits über elf Monate in seiner Werkstatt vorgefertigt und ist insgesamt sieben Wochen damit beschäftigt, das Orgelwerk in der Friedenskirche aufzubauen und jeden Ton genau auf den Raum abzustimmen.

Vier Jahrhunderte evangelisches Leben in Mülheim
Die Evangelische Kirchengemeinde Mülheim am Rhein, die erst seit der Eingemeindung 1914 zu Köln gehört, ist die älteste evangelische Gemeinde auf heutigem Kölner Stadtgebiet. Bereits 1610 gaben die Fürsten zu Jülich-Berg den Mülheimer Protestanten die Möglichkeit, eine Kirchengemeinde zu gründen. Nur zum Vergleich: Die Kölner mussten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts auf das Recht zur freien Religionsausübung warten. Zum 500. Jubiläum der Reformation und im Jahr ihres 407. Bestehens macht sich die evangelische Gemeinde Mülheim mit der Anschaffung einer neuen Orgel nun ein besonderes Geschenk.

Die neue Orgel: ein mutiges Projekt
Vor etwas mehr als einem Jahr, so berichtet Kantor Spering, war noch unklar, ob das ambitionierte Orgelprojekt in der Friedenskirche tatsächlich innerhalb von zwölf Monaten Wirklichkeit werden könne. Zur Vorgeschichte: Das 1965 von der Kölner Orgelbauwerkstatt Willi Peter errichtete Orgelwerk zeigte mit seinen 17 Registern seit langem klangliche Schwächen und musste schließlich aufgrund technischer Mängel 2016 außer Dienst gestellt werden. Eine Sanierung wäre unwirtschaftlich und auch musikalisch unbefriedigend gewesen. Aus einem internationalen Ideenwettbewerb, zu dem die Gemeinde drei sehr renommierte europäische Orgelbauer eingeladen hatte, ging 2016 die Marburger Orgelbaumanufaktur Woehl siegreich hervor.

Klassisches Orgelbauerhandwerk und hohe Intonationskunst
Woehl gehört zu den Orgelbauwerkmeistern, die klassisches Orgelbauerhandwerk und hohe Intonationskunst mit modernster Technik bis hin zur Digitalisierung zu verbinden wissen. Er und seine zehn Mitarbeiter sind unter Musikern und Orgelfachleuten als echte Spezialisten bekannt und haben unter anderem die berühmte große Bach-Orgel in der Leipziger Thomaskirche erbaut. In Kürze wird das Woehl-Team auch in der Kölner Musikhochschule eine große neue Orgel errichten.

Musikalische Vielfalt ist garantiert
Wenn Ende Oktober das neue Orgelwerk in der Friedenskirche erklingen wird, besitzt die Gemeinde nicht nur ein wahres Schmuckstück, sondern zugleich eine der ganz besonderen Orgeln in Köln. Spering und Woehl haben ein Instrument geplant, das im Endausbau 1.800 Pfeifen besitzt, auf zwei Manualen und Pedal gespielt wird und über 37 Registerzüge verfügt. Ein strahlend weißes Gehäuse wird die silbrigen Orgelpfeifen fassen. Auch die Figur des David, die bereits die Vorkriegsorgel der Friedenskirche verzierte, wird den neuen Orgelprospekt verschönern. Musikalisch darf sich die Gemeinde demnächst nicht nur auf edle und warme Klänge, sondern auf eine gewaltige Vielfalt an musikalischen Möglichkeiten freuen. Die neue Woehl-Orgel wird so groß und klanglich flexibel sein, dass Musik fast aller Epochen und Regionen in Mülheim mustergültig vorgetragen werden kann.

Die neue Orgel: ein kostspieliges Projekt
Angesichts wertvoller Materialien und ungezählter Arbeitsstunden wundert es nicht, dass das neue Instrument mit erheblichen Kosten von rund einer halben Million Euro verbunden ist. „Die evangelische Gemeinde stellt hierfür 250.000 Euro zur Verfügung“, berichtet der Mülheimer Pfarrer Klaus Müller, der auch Vorsitzender des Presbyteriums ist. „Die übrigen Kosten“, so Müller weiter, „bringen wir aus Spenden und Fördergeldern auf“. Um die Finanzen gut unter Kontrolle zu behalten, werden im ersten Schritt auch nur ein Teil der Register eingebaut. Nach und nach sollen dann, je nach Spendenstand, die weiteren Klangfarben folgen.

„Wenn nicht jetzt, wann dann“
Seine Kollegin in der Gemeinde, Pfarrerin Andrea Vogel, die zugleich Superintendentin des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch ist, gibt sich gemeinsam mit Klaus Müller durchaus nachdenklich und verantwortungsbewusst, was die Kosten angeht: In heutigen Zeiten und angesichts der vielen kirchlichen Aufgaben und Arbeitsfelder, so die Superintendentin, sei ein sehr sorgfältiger Umgang mit Kirchensteuergeldern sehr wichtig. Zugleich steht die Superintendentin zur Entscheidung der Gemeinde: „Wenn nicht jetzt, wann dann“, so Vogel, „hätten wir das Orgelprojekt, das schließlich vielen Generationen zu Gute kommen soll, angehen sollen?“. Für sie überraschend und ermutigend sei die große Spendenbereitschaft der Menschen innerhalb der Gemeinde und weit darüber hinaus. Viele kleine und große Spenden seien eingegangen und der Orgelbau im Mülheimer Veedel werde von sehr vielen Mitbürgern ausgesprochen positiv wahrgenommen, betont Andrea Vogel.

Festwoche zur Einweihung
Die Gemeinde feiert die Fertigstellung ihrer neuen Orgel mit einer konzertanten Festwoche. Den Auftakt bildet ein Orgelkonzert am Samstag, 28. Oktober, 19 Uhr, welches der Altenberger Domorganist Andreas Meisner spielen wird. Zwei Tage später, am Reformationstag, 31. Oktober, erklingt die Orgel erstmals im Gottesdienst. Nachmittags um 15 Uhr werden Christoph Spering und Christoph Anselm Noll die Klangvielfalt der Orgel mit gottesdienstlicher Musik und einer großen Choralfantasie von Max Reger vorstellen. Der Kölner Domorganist Professor Winfried Bönig gibt am Mittwoch, 1. November, 17 Uhr, ein Konzert an der Woehl-Orgel und am Sonntag, 5. November, 17 Uhr, steht zum Abschluss der Festwoche Musik für Orgel, Solisten und Orchester auf dem Programm. Alle Konzerte werden immer auch tagesaktuell im Konzertkalender auf www.kirche-koeln.de veröffentlicht.

Text: Wolf-Rüdiger Spieler
Foto(s): Wolf-Rüdiger Spieler