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Im Kölner Arbeitslosenzentrum (KALZ) steigt die Beratungsnachfrage, aber: Landesregierung und Europa-Fonds haben Kürzungspläne

Das Wort „Aufschwung“ entlockt Ernst H. ein mildes Lächeln. Einen „Aufschwung“ erleben vielleicht die, die sowieso schon oben sind. H. hat genug damit zu tun, mit seinem eigenen „Abschwung“ fertig zu werden. Der 52-Jährige Bürokaufmann wird in vier Wochen arbeitslos sein. Betriebsbedingt gekündigt. Dass er in den vergangenen Jahren oft krank war, hat seinen Stand im Betrieb auch nicht gerade verbessert. Und nun? Wie so viele andere hat H. eigentlich nicht damit gerechnet, eines Tages, von jetzt auf gleich, „auf der Straße“ zu stehen. Die Eigentumswohnung ist noch nicht abbezahlt, die Tochter studiert.


Noch bietet das KALZ umfassende Beratung
H. ist der klassische Klient für das Kölner Arbeitslosenzentrum (KALZ). Hier wird er umfassend beraten in allen Fragen der Existenzsicherung. Hier erhält er Antworten auf seine Fragen zu Leistungen, Rechten und Pflichten gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit, den Job-Centern und dem Sozialamt. Und das kostenlos. Noch. Denn die Landesregierung will zum 1. Oktober 2008 die finanzielle Förderung für Einrichtungen wie das KALZ einstellen. Rund 4,25 Millionen Euro, die das Land aus dem europäischen Sozialfonds an Arbeitslosenzentren und Beratungsstellen in Nordrhein-Westfalen weitergibt, sollen eingespart werden. „Die Landesregierung hat einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Sie setzt jetzt auf die Förderung von jugendlichen Arbeitslosen“, sagt Hedel Wenner, Geschäftsführerin des KALZ. Darüber hinaus seien die Mittel, die der europäische Fonds bereitstelle, reduziert worden.

Längst nicht ausreichend
An den Kürzungsplänen hat auch einen landesweiter „Aktionstag für den Erhalt der Arbeitslosen-/Sozialberatung in NRW“ nichts geändert. „Bisher haben wir den Eindruck, dass sich die Regierung nicht bewegt“, sagt Wenner. Das KALZ steht mit den Vertretern der Parteien im Landtag in Kontakt. Weitere Gespräche und Verhandlungen, auch mit der Landes-SPD, erfolgten unter anderem durch die Diakonie, die Gewerkschaften und Vertreter der Arbeitslosenberatungsstellen NRW. „Die Diakonie will was bewegen“, so Wenner. Aus ihrer Sicht macht es sich die Landesregierung „zu einfach, den Kommunen den Auftrag zuzuschieben, diese Art von Beratung zu leisten“. Das sei CDU-Leitlinie im Land. Im Gegensatz zu anderen Städten hat sich Köln allerdings zu dieser Aufgabe bekannt. Der Rat hat beschlossen, die unabhängigen Beratungsstellen in den letzten drei Monaten dieses Jahres und im kompletten Jahr 2009 finanziell zu unterstützen. Bisher erhielten das KALZ und sieben weitere Einrichtungen des Kölner Beratungsnetzwerks, bestehend aus Beratungsstellen und Beratungszentren, 235.000,- € jährlich. Der Rat hat beschlossen, dem Kölner Beratungsnetzwerk 2009 190.000 Euro aus dem städtischen Haushalt zu überweisen. Immerhin. Aber längst nicht ausreichend.

„Diese Menschen haben keine Lobby“
„Seit der Einführung von Hartz IV ist die Beratungsnachfrage explodiert“, berichtet Wenner aus dem Alltag vor Ort. Allein im KALZ, der Beratungsstelle im Kölner DGB-Haus am Hans-Böckler-Platz, fragen pro Jahr 2.500 Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen um Rat. „Die Menschen brauchen das. Und diese Menschen haben keine Lobby“, weiß Hedel Wenner. Sie wünscht sich eine politische Entscheidung im Landtag mit der klaren Aussage: Das Land finanziert weiter. Denn viele Kommunen, gerade die mit hohen Arbeitslosenzahlen, seien nicht in der Lage, die Finanzierung der unabhängigen Beratung sicherzustellen. Und Köln? Hier leben 115.000 Frauen und Männer vom Arbeitslosengeld II. Schlecht und recht – besser allerdings mit der Beratung im KALZ.
Seit 25 Jahren hilft das Kölner Arbeitslosenzentrum beschäftigungslosen Menschen, Menschen in Armut und Obdachlosen. Gegründet wurde es vom früheren Sozialwerk des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln, von Anfang in enger Kooperation mit der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Ehrenfeld. Das KALZ betreibt übrigens unter anderem auch das Lobby-Restaurant für Berber und die Überlebensstation Gulliver.

Und was sagen NRW-Politiker?
In diesem Zusammenhang eine Meldung des epd-west: Die SPD im nordrhein-westfälischen Landtag habe Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) eine „unsoziale und unchristliche Kahlschlagspolitik“ vorgeworfen. Die ersatzlose Streichung der 4Fördermittel für die landesweit 65 Beratungsstellen und 75 Arbeitslosenzentren zum 1. Oktober dieses Jahres sei für deren Arbeit „fatal und dramatisch“, habe der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rainer Schmeltzer kritisiert. Er habe die Arbeit von Beratungszentren wie dem Kölner KALZ gelobt: „Für eine Vielfalt von Problemen, die im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit bestehen, bieten diese Zentren und Beratungsstellen einen passgenauen Verweis an andere Institutionen mit einer klaren und eindeutigen Darstellung der individuellen Problemlage.“ Die CDU wies diese Kritik zurück, meldete epd-west weiter: Es könne nicht Aufgabe eines Bundeslandes sein, Arbeitslosenzentren zu fördern, die Bescheiden der staatlichen ARGen widersprechen, habe der CDULandtagsabgeordnete Norbert Post erklärt. Das sei „falsch verstandene Sozialpolitik.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Rahmann