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Geplante Kürzungen bei den freien Trägern der Kölner Wohlfahrtsverbände: Offener Brief vom 25. März an den Oberbürgermeister und die Fraktionsvorsitzenden

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,

gestern haben Sie im Rat der Stadt Köln die Verwaltung beauftragt, einen Doppelhaushaltsentwurf für die Jahre 2010/2011 noch vor der Sommerpause vorzulegen und diesen dann im Rat im Oktober 2010 zu beschließen. In der Begründung weisen Sie unter anderem daraufhin, dass damit die Freien Träger Planungssicherheit bekommen.

In der gleichen Sitzung beschließen Sie, den freien Trägern zur Aufrechterhaltung ihrer Zahlungsfähigkeit Abschlagszahlungen für das II. Quartal 2010 zukommen zu lassen und das auf der Basis des teilweise extrem (von 7,5% bis 17%) gekürzten Haushaltsentwurfs 2010. Dazu gibt es die von Ihnen im Doppelhaushalt 2008/2009 erfolgten Zusetzungen für Tarifsteigerungen. Der I. Quartalsabschlag erfolgte auf Basis Haushaltsansatz 2009 ohne Tarifsteigerungen! Spätestens hier sollte sich die Frage stellen, für wen die oben erwähnte Planungssicherheit dann noch greifen kann.
Hinzu kommt, dass in allen Haushaltsgesprächen, die wir bis heute mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik und der Verwaltung geführt haben, immer wieder betont worden ist, dass eine solche pauschale „Räsenmähermethode“ als untaugliches Mittel gewertet wurde.

In der Konsequenz werden wichtige Strukturen gefährdet, ohne dass überhaupt eine fachliche Bewertung erfolgte oder eine politische Entscheidung zum Haushalt 2010 getroffen wäre. Damit wird auch nicht der Intention eines längeren Planungsvorlaufs bis Oktober für die Verabschiedung des Haushalts entsprochen.

Wir, die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Köln, vertreten in Köln nicht nur rund 25.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte sondern unendlich viele Menschen, die unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Diese Dienstleistungen erbringen wir im Auftrag der öffentlichen Hand und zu weit über 90% im direkten Auftrag der Stadt Köln und damit auch von Ihnen verantwortet.

Jede Dienstleistung, jede Finanzierungsart und jede Richtlinie haben Sie in Verwaltung und Rat beschlossen. Sie wissen, dass jede Aufgabe, die wir in Ihrem Auftrag erledigen, umfangreicher gesetzlicher Vorgaben unterliegt. Wenn Freie Träger eine Kindertagesstätte, eine Jugendeinrichtung, eine Seniorenberatungsstelle, eine Familienbildungsstätte, ein Frühförderzentrum, eine Schuldnerberatungsstelle, ein Gesundheitszentrum für Migranten, Seniorennetzwerke, Seniorenzentren, Schulkinderbetreuung an Grundschulen usw. usw. im Auftrag der Stadt Köln betreiben, dann unterliegen diese denselben Kriterien, wie vergleichbare Betriebe der Öffentlichen Hand.

Sie als Arbeitgeber für über 16.000 Beschäftige in der Stadtverwaltung tragen ebenfalls eine Verantwortung für die vielen Beschäftigen bei Freien Trägern, die in Ihrem Auftrag Dienstleistungen erbringen. Sie reklamieren gerade aktuell die unbedingte Notwendigkeit der Einhaltung von Tarifverträgen und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen (Hauswirtschaftskräfte in städt. Kitas) – diesem Anspruch und dieser Verpflichtung müssen auch wir als Freie Träger in den genannten Feldern entsprechen.

Sie als Arbeitgeber wissen, dass Arbeitsrecht und Tarifrecht nur bedingte Spielräume zu lassen. Sie wissen auch, dass durch Sie beauftragte Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein Recht auf Planungssicherheit haben. Dem kommen Sie mit den oben zitierten Entscheidungen leider in keiner Weise nach.

Wenn beispielsweise ein Seniorennetzwerk mit rund 33.400 Euro jährlich finanziert ist, eine dazu benötigte 0,5 Stelle Koordination bereits durchschnittliche Arbeitgeberkosten von 29.000 Euro (Basis TV ÖD) verursacht , der Rest für Mietkosten und Sachmittel gebunden ist, dann wissen Sie, dass bei 12,5% Kürzung nur arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich sind.

Ein weiteres Beispiel: In Kürze sind die Betreuungsverträge Grundschulen (OGTS) zwischen Schulen, Schulträger und Freien Trägern für das Schuljahr 2010/2011 abzuschließen. Sollten die weitergeleiteten Kürzungen auf Basis des Haushaltsentwurfs 2010 (17% Kürzung ) Bestand haben, müssen auch dort ab sofort Arbeitskräfte Änderungskündigungen erhalten, die dazu führen, dass sich der Betreuungsumfang und die Betreuungsqualität nachhaltig verschlechtern. Sicherlich wird sich der eine oder andere Träger überlegen, ob unter solchen Konstellationen und mit diesem hohen Erwartungsdruck von Eltern, Schule und Verwaltung weiter solche Angebote gemacht werden können. Kann die Stadt Köln dann direkt einspringen und mit diesen Finanzierungsspielräumen die Aufgaben erledigen. Sie müssen entscheiden, ob sich durch diese Kürzung der Umfang der Aufgabenerledigung nachhaltig reduziert, wir werden dann die notwendigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen einleiten müssen. Sie müssen die Planungssicherheit für die herstellen, die für Sie im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips für die Menschen in dieser Stadt arbeiten und da sind.

Sie entscheiden über die Zukunft dieser Stadt, ihrer Dienstleistungen und der dazu notwendigen Arbeitsplätze. Im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung darf eine Kommune notwendige Aufgaben weiterführen, diese Notwendigkeit ist darzulegen und zu prüfen – so die Ausführungen der Verwaltung in der Vorlage 1149/2010 zur Ratssitzung am 23.03.2010. Wir bitten Sie also, bezogen auf die von Freien Trägern wahrgenommenen Aufgaben, um eine entsprechende Prüfung. Nur so bekommen wir die für uns notwendige Verlässlichkeit und Planungssicherheit.

Es kann nicht sein, dass der Rat in einem Beschluss darauf hinweist, dass „angesichts der notwendigen Haushaltssanierung einer Bürgerbeteiligung auf Basis einer transparenten Darstellung der städtischen Finanzstruktur besonders große Bedeutung beizumessen ist, um in der Bevölkerung Akzeptanz und Unterstützung für eine nachhaltige Sanierungspolitik zu erreichen“ und auf der anderen Seite über ein nicht nachvollziehbares generelles Kürzungsszenario bestehende soziale Strukturen, an denen alle Menschen dieser Stadt partizipieren, gefährdet werden.

Ihrer baldigen Antwort sehen wir mit Interesse entgegen.
Mit freundlichen Grüßen

für die Liga der Wohlfahrtsverbände

haben diesen Offenen Brief vom 25. März unterschrieben:
Ulli Volland für die AWO Köln, Helga Blümel für das Diakonische Werk Köln und Region, Franz Decker für die Caritas, Monika Dierksmaier für den Paritätischen Wohlfahrtsverband, Marc Ruda für das Rote Kreuz, Benzion Wieber für die Synagogen-Gemeinde Köln.

Ihre Meinung?
Blümel ist bis 31. März noch federführend als Sprecherin der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Köln und deren Arbeitsgemeinschaft (LIGA). Die wiederum hat ein höchst einladendes Portal gestaltet, auf dem jeder und jede eingeladen ist, sich zu den geplanten Kürzungen in Köln zu äußern – jede Meinung zäht! Teilnehmen kann man hier.

Text: Diakonisches Werk Köln und region
Foto(s): Kölner gestalten Zukunft