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Gedenken an die Schrecken der NS-Zeit

Zum fünften Mal hatten der Evangelische Kirchenverband Köln und Region und der Kölner Katholikenausschuss zu einem ökumenischen Gedenkgang unter der Überschrift „Erinnerungsspuren“ eingeladen.

Dabei sucht die Gruppe Orte auf, die einst Schauplätze von Gewalt, Verfolgung und Kriegsereignissen waren – jedes Jahr ist ein anderer Stadtteil an der Reihe. Schwerpunkt ist dabei stets die Zeit des Nationalsozialismus' und des Zweiten Weltkriegs. Dieses Jahr, im Jahr des großen Reformationsjubiläums, hatten die Veranstalter den Kölner Stadtteil Lindenthal ausgewählt.

Gedenken an den schwersten Angriff auf Köln
Hannelore Bartscherer, Vorsitzende des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, die für die liturgischen Impulse wie das Friedensgebet von Coventry zuständig war, und Armin Beuscher, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Lindenthal, begrüßten dazu etwa 40 Teilnehmer in der Kapelle St. Magdalena und St. Lazarus auf Melaten. Dort erzählte Stadtführer Günter Leitner, dass das 1245 eingeweihte Gotteshaus während des schweren Peter- und Paul Angriffs am 29. Juni 1943 zerstört wurde und erst nach dem Krieg wieder aufgebaut werden konnte. Westlich der Kapelle war im Krieg ein unterirdischer Bunker angelegt worden. Dort starben im Verlauf eines weiteren schweren Angriffs im Oktober 1944 mehr als 100 Schutzsuchende: „Es handelte sich um eine Hochzeitsgesellschaft, die aus einem nahe gelegenen Lokal hierher geflohen war“, so Leitner. Außerdem seien während des Krieges in den Familiengruften auf Melaten Juden versteckt und von Lindenthaler Bürgern versorgt worden. „Wie viele von ihnen bei dem Angriff gestorben sind, ist unbekannt.“

Hinrichtungsstätte von Clarenbach und Fliesteden
Von Bedeutung für die Protestanten ist die heute eher unauffällige Kreuzung Clarenbachstraße/Lortzingstraße mitten in einem Wohngebiet auf der anderen Seite der Aachener Straße. Dort, so Beuscher, seien am 28. September 1529 Adolf Clarenbach und Peter Fliesteden auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, weil sie sich zu den Ideen Luthers bekannt hatten. Zwar werde die Hinrichtungsstätte meist weiter östlich, etwa in Höhe der katholischen Kirche Christi Auferstehung am Clarenbach-Kanal verortet. Doch: „In einem historischen Bericht über die Hinrichtung heißt es, dass der Zug mit den Verurteilten von der Stadt kommend die Kapelle St. Magdalena und St. Lazarus passierte, deshalb kommt die Umgebung von Christi Auferstehung nicht in Frage“, stützt Beuscher seine These.

Die Clarenbach-Kirche früher
Auch auf alten Karten sei der „Rabenstein“ weiter westlich in der „Gemarkung Melaten“ eingezeichnet – dort, wo sich heute die Kreuzung Clarenbachstraße/Lortzingstraße befindet. Als dieses Gelände in den 20er Jahren besiedelt wurde, hatte der damalige evangelische Pfarrer Karl Wilhelm Engelhardt zu einer Sammlung aufgerufen: Um der beiden Märtyrer zu gedenken, sollte hier eine große Clarenbach-Kirche errichtet werden. Aufgrund des Krieges kam es nicht dazu; in Höhe der heutigen Hausnummer Clarenbachstraße 196, gleich an der Kreuzung, wurde in den 30er Jahren jedoch eine Clarenbach-Kapelle gebaut, die während des Kriegs ebenfalls zerstört wurde. Nach 1945 errichtete die Gemeinde Braunsfeld schließlich eine große Clarenbach-Kirche jenseits des Gürtels.

Gedenktafel für die Philosophin Edith Stein
Im Krieg stark beschädigt wurde auch Christi Auferstehung. Die Kirche wurde jedoch erst Ende der 60er Jahre abgerissen und durch den polygonalen Neubau von Gottfried Böhm ersetzt, dessen Ästhetik Leitner ebenso erklärte wie die Bedeutung von Böhms Kirchenfenstern. Im Eingangsbereich befindet sich eine Kapelle zum Gedenken an die Philosophin und Frauenrechtlerin Edith Stein, die ursprünglich jüdischen Glaubens war, sich taufen ließ und 1933 dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen beitrat. Das Karmel lag an der Dürener Straße, wo an dem Gebäude mit der Hausnummer 94 ebenfalls eine Gedenktafel hängt. Im Jahre 1938 wechselte Edith Stein in ein holländisches Kloster, von dort wurde sie deportiert und 1942 in Auschwitz ermordet.

Nicht immer eine rühmliche Vergangenheit
Im Anschluss führte Armin Beuscher die Gruppe noch zur Gedenktafel für den KZ-Überlebenden Herbert Lewin, der ab 1937 Chefarzt im Israelitischen Asyl an der Ottostraße war und von 1963 bis 1969 Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland. Der Pfarrer verschwieg nicht die unrühmliche Vergangenheit seiner Gemeinde, in der einst ein klar nationaler, das NS-Regime stützender Standpunkt, vertreten wurde: „Nach dem Krieg wurde sie aber von ehemaligen Mitgliedern der Bekennenden Kirche geleitet. Das soll zum Abschluss des Rundgangs so etwas wie ein Hoffnungszeichen setzen.“

Nicht alle Orte konnten besucht werden
Gern hätten die Organisatoren noch weitere Erinnerungsorte besucht. Daran mangelt es nicht in Lindenthal: die einstige Wirkungsstätte von Ernst Flatow, einem evangelischen Krankenhausseelsorger jüdischer Herkunft und Holocaust-Opfer etwa, oder die 1944 fast vollständig zerstörte Paul-Gerhardt-Kirche. Oder die Villa Schröder, wo sich Franz von Papen und Adolf Hitler am 4. Januar 1933 durch die Vermittlung des Bankiers Kurt Freiherr von Schröder darauf einigten, dass Hitler Reichskanzler werden sollte. Dieser Schritt hatte das „Dritte Reich“ erst möglich gemacht.
Der ökumenische Gedenkgang endete in der Matthäuskirche mit gemeinsamem Singen unter Leitung von Hannelore Bartscherer.

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans