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Et „Weihnachtsjeföhl“

Was für Vorzeichen! Björn Heuser war wenige Tage vor dem Zweiten Advent zusammengebrochen. Eines seiner nächsten Konzerte war in der Evangelischen Kirchengemeinde in Köln-Esch. Wird er singen? Es schneit. Wer traut sich am Zweiten Advent vor die Tür? Die Reportage über das weihnachtliche Konzert wackelt. Der Weg zur Kirche in Köln-Esch ist noch nicht geräumt. Mutige Menschen rutschen voran und begehren eingehakt Einlass.

Doch dieser Nachmittag läuft! Einer aufgeschlossenen Begrüßung folgt die Versorgung mit Björns Programmheft. Am kleinen Björn-Merchandising-Tisch vorbei lockt Waffelduft. Überall ist junges Volk. Man munkelt auch junge Katholiken seien ehrenamtlich hier tätig. Pfarrerin Sylvia Wacker selbst schenkt in Designer-Schürze „EA – Engel in Ausbildung“ den Menschen geisthaltige Getränke ein. Die jüngste Zielgruppe nuckelt. Die Kirche ist warm und mit rund 200 Gästen auch sehr gut besucht.

Björn Heuser – ja, er ist da. Unübersehbar. Die Bühne gehört ihm und Volker Dahmen, der seit drei Jahren sein Duo-Partner ist. Ihr Werkzeug: die „Flitsch“ (aus dem Kölsch übersetzt: Gitarre, Mandoline). Björn ist ein „Bickendorfer Jung“, er textet und komponiert selbst. Das Studium seiner Texte im Liederheft könnte dauern? Nein, bereits die ersten Akkorde und Zeilen brechen das Eis, hier singt man mit, egal wie.

„Et Weihnachtsjeföhl- … wat morje kütt es hück noch janz wick weg“. Viele seiner Zeilen stimmen nachdenklich. Björn Heuser stellt sich nicht selbst dar, drängt sich nicht auf. Er musiziert, worüber er nachdenkt. Und er wird mit zunehmenden Alter reifer, seine Gedanken berühren. Seine schöpferischen Momente folgen Impulsen, Begegnungen im Alltag. „Wie ich es in meinem Lied ‚Zick es Jlöck‘ zum Ausdruck bringe“, erklärt der kölsche Liedermacher, „sich selbst bewusst werden, was Leben bedeutet. Gemeinsam Zeit zu verbringen. Weg vom Profit-Weg unserer Gesellschaft.“

In seinem Lied heißt das so:
„Nur e bessje Zick, et Levve zo jeneeße,
denn mer nemmt nix met, op singer letzte Reis.
Wie en Sanduhr die, sich einfach nur eins quer lät,
nur es bessje Zick, denn Zick es Jlöck.“
(Text: Björn Heuser)

In der Pause verrät er, dass er auch Auftragsstücke für Karneval-Bands schreibt, oder er in Schulen jungen Menschen „Kölsche Mundart“ lehrt. Seine Familie habe Kölsch gesprochen, das sei seine Muttersprache. Er selbst habe erst über die Schule entdeckt, dass Hochdeutsch eine angewandte Sprache sei. Er lebt nach christlichen Werten – und das möchte er als junger Vater auch seinem Kind weitergeben.

In seinen Konzerten, zu zweit mit Volker, dazu nur die „Flitsch“, da sei er „nah am Song“, authentisch. Und wie „authentisch“ geht, erfährt das Publikum durch immer wieder unterhaltsame Einwürfe und Geschichten rund um Bickendorf. Da gibt es den Metzger, dessen neue Mitarbeiter auf betagte Stammkunden an der heißen Theke treffen. „Wissen Sie, was ein Bickendorfer unter ‚streng gebratene‘ Frikadellen versteht?“ Björn Heuser versteht sich in szenischer Erzählung. Über Frikadellen und Spareribbs schlägt er elegant den Bogen zu den Gefühlen: Wohl nur eine kindliche Phantasie kann ihm in dem Moment folgen, wenn er fragt „wie fühlt sich wohl eine Kerze?“ und weiter „Irjentwann wirs‘ e anjezündet, und dann bisse fott wie ä Schneemann“:

„Azvenzkranzkäzje (zum nachsprechen: 5 stimmhafte „z“)
Ich leeve nur em Winter, Höchsten vier Woche lang.
En nem schöne kleine Jade. Un Sunndachs steche se mich ahn.
Ich han drei Kolleje, Die sin miehstens us wie ich.
Un keiner vun uns weiß, Wer et al eetzter erwisch.
Ich ben e Azvenzkranzkäzje, ich levve nit lang.
Einmol em Johr, wenn ich Pech han nur en Woch, steche se mich ahn.
Ich bin e Azvenzkranzkäzje, es nit unjerääisch,
Minge Broder dr es besser dran, er es et iwije Leech.
Minge Broder dr es besser dran, der es et iwije Leech.“
(Text: Björn Heuser)

Dem Stück folgt eine kleine Pause. Akzentuiert lächelnd setzt Björn hinzu „Isch hätt Mitleid erwartet“, was mit einem crescendierenden „oh“…“oohhh“ aus dem Auditorium gewürdigt wird. Das Wechselspiel der Themen ist dem Publikum eine Freude: Mal ist es Zuhörer, mal Sänger, steht an der Bickendorfer heißen Theke oder mit Björn als Klimawandel-Opfer im vollgelaufenen Keller der Familie. Und nach dem freundschaftlichen Rat „Heuser, Du muss oppassen, Gitarren kunne nich schwimme‘… do is a Loch drinne“ weiß der letzte Anwesende das Geburtstagslied „Leeven Häns“ zu würdigen. Attestiert „musikalisch gut“, wie das Geburtstagskind wohl selbst einmal meinte. Womit Björn Heuser den Kritikern seiner Werke wohl etwas Wind aus den Segeln nehmen dürfte.

Der Berufskölner hat einen eigenen Weg gefunden, Menschen für seine Kunst zu gewinnen. Es ist die Mischung aus Mundart, leichter Unterhaltung und Nachdenklichem. Hier geht jemand nicht achtlos am anderen vorbei. Er nimmt sich Zeit.

Für die weihnachtliche Stimmung wird auch mal die „Flitsch“ gegen das E-Piano eingetauscht. „Wenn wat weißes vom Himmel fällt, dat is jar nit schlimm… dat is Schnee“ sagt‘s und singt „Leise rieselt der Schnee“. „Alle Jahre wieder“ wird gefolgt vom „Gloria“ der Hirten auf den Feldern um einen Ausflug über den Tellerrand zu unternehmen: „Hakuna Matata“ – „Weihnachte en Afrika“ ist seinem Patenkind in Uganda und der Organisation „Home of Hope“ gewidmet. Verschmitzt nimmt Björn Heuser Anlauf ins Schlussprogramm mit dem Auftakt: „Fröh-hö-liche Weihnacht überall… bald is nämlich wie-i-da Karneval“. Mit Ausblick auf die Kölsche Weihnacht am 23.12.17 im Rheinenergiestadion stimmt er sich des Textes von Wolfgang Niedecken an:

„Wie schön dat wöhr
Nur eine Himmel jööv et un kein Höll,
kein Relijion, die sich für die einzisch wohre hältt,
all Minsche wöhre jlisch, ejal en welcher Färv.
Wie schön, wie wie schön dat wöhr.
Keiner möht hungre, keiner wööt jequält,
keiner wöhr kniestisch,
selvsverständlich wööt jedeilt,
et jööv kein Jründe mieh für Terror, Haß un Neid.
Wie schön, wie schön, wie schön dat wöhr,
wie schön, wie schön, wie wunderschön dat wöhr.
Ich weiß, jetz schloof Kind, bess ich etdir erklär.
Schloof joot, dräum schön, et ess ald spät.
(Text: Wolfgang Niedecken)

Und so gehen viele Besucher mit einem beschwingten Gefühl nach Hause. Sie waren willkommen. Die Lieder konnten sie auch als ungeübte Sänger mitsingen. Das mit der Kölschen Mundart wurde nicht zu eng genommen. Hier konnte sich jeder, der möchte, vergessen. Und Björn Heuser tourt in der Adventszeit 2017 weiter: 15.12. Diakonie Michaelshoven, 16.12. Weihnachtsmarkt Frechen, 22.12. Gaffel am Dom, 23.12. um 19.00 „Loss mer Weihnachtsleeder singe 2017“ im (ausverkauften) Rheinenergie-Stadion. Uschi Löwe vom Förderverein für Kinder, Jugend und Kultur („Für Zukunft“ e.V.) erwähnte nebenbei, dass der Verein in der Gemeinde bis zu 7 Veranstaltungen im Jahr anbiete. Gut besuchte Konzerte hätten bis zu 220 Gäste. Pfarrerin Sylvia Wacker ergänzt, dass dieses Engagement in der Gemeinde und im Presbyterium sehr geschätzt werde. Schließlich käme das Vereinsengagement der Jugendleiterstelle zu Gute, die dadurch zur Hälfte finanziert werden könne. Die Stelle sei aber derzeit vakant. 50 Jugendliche, neben 19 Konfirmanden, sind hier aktiv, einige lassen sich zu Teamern ausbilden. Allein im Service sin jeute fünf „Engel-Azubis“ im Alter zwischen 15 bis 23 Jahren tätig. Es gibt viel zu tun. Allein im Flyer für das erste Halbjahr 2018 finden sich 4 Events, so am 18. März um 15.30 Uhr eine Märchenstunde mit Kathrin Sonza-Reorda oder am 28. April um 20.00 Uhr „Merci Udo“, eine Hommage an Udo Jürgens von und mit Michael von Zalesjki

Text: Antje Rabe
Foto(s): Antje Rabe