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„Die Zukunft evangelischer Kirchenbauten“: Beim Frühjahrsgespräch des Stadtsuperintendenten gaben Rolf Domning und Architekturfachmann Jörg Beste Impulse zum Thema

Jörg Beste stellte das Thema des Abends in einen größeren Zusammenhang: „Die Problematik der Kirchengebäude hängt zusammen mit dem gesellschaftlichen Wandel, dessen Auswirkungen in anderen Bereichen wie Industrie, Dienstleistungssektor und Handel schon länger deutlich sichtbar sind. Hier sind Fusionen, Zentralisierung und Rückzug aus der Fläche schon länger zu beobachten. Mit den Kirchengebäuden erreicht dieser gesellschaftliche Wandel nun eine besonders sensible Stelle der gebauten, sozialen und kulturellen Gemeinschaft“, sagte der Diplom-Ingenieur, Geschäftsführer des Architektur-Forums Rheinland und Inhaber von „synergon. Konzeption und Kommunikation für Stadtentwicklung, Architektur und Kultur“, beim traditionellen Frühjahrsgespräch des Stadtsuperintendenten mit den Medien im Haus der Evangelischen Kirche in Köln. Als Thema des Abends mit zahlreichen Journalisten hatte Pressesprecher Günter A. Menne die „Zukunft evangelischer Kirchenbauten und Räume in der Stadt“ gesetzt.



„Das Modell Volkskirche ist vermutlich ein Auslaufmodell“
„Eines steht fest: Wir werden längst nicht alle Kirchen auf dem Gebiet des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region halten können“, sagte Domning. Dem stimmte auch Beste zu, der bereits in vielen Fällen Prozesse moderiert hat, in denen sich Gemeinden aus finanziellen Gründen von ihren Kirchen verabschieden mussten. Er wies darauf hin, dass Kirchenschließungen für die „breite Öffentlichkeit, die nicht aktiv am Kirchengemeindeleben teilnimmt“, oft mit einem Bewußtwerdungsprozess der Bedrohung „ihrer“ Kirche im direkten Umfeld einher gehe. Nachdem der nahe Eisenwarenladen im Baumarkt aufging, die Postfiliale schloss, der Lebensmittelladen zum Kiosk wurde und die kleine Tankstelle dicht machte, droht nun auch noch die Kirche das „Dorf unserer direkten Lebensumgebung zu verlassen“, so Beste: „Das Modell Volkskirche ist vermutlich ein Auslaufmodell.“ Beste hat bei den Prozessen, die er begleitet hat, ein interessantes Phänomen ausgemacht: In dem Moment, wo eine bevorstehende Kirchenschließung bekannt geworden sei, bildeten sich oft Gruppen, die sehr engagiert um den Erhalt des Gebäudes kämpften. Diese Leute müsse man einbinden in die Gemeindearbeit. Gelinge dies nicht, entstünden aus den zusätzlichen Energien Opposition, Frustration und Depression.

„Es muss Rituale bei Kirchenschließungen geben“
Auch Domning war in jüngster Zeit an zwei Kirchenschließungen beteiligt. „Ich habe nach dem letzten Gottesdienst im Jeremiahaus die Kerzen ausgeblasen“, erinnerte sich der Stadtsuperintendent. „Es muss für eine solche Schließung Rituale geben, denn das alles ist für die Menschen der Gemeinde mit einer sehr großen Traurigkeit verbunden.“ Aber wenn ein Punkt erreicht sei, an dem die Unterhaltung einer Kirche mit so hohen Kosten verbunden sei, dass man Mitarbeitende entlassen müsste, um die Gelder aufzubringen, sei ein Verkauf unumgänglich. „Und dann muss man auch einen guten Preis erzielen“, fuhr Domning fort: „Denn mit den Mitteln, die man gewinnt, kann man die weiter bestehenden Standorte stärken.“

Bei einer Umnutzung ist „kreatives Denken“ gefordert
Für die weitere Nutzung einer verkauften Kirche sollen strenge Regeln gelten. Eine Spielhalle oder ähnliches sei völlig undenkbar, sagte der Stadtsuperintendent: „Ideal war die Lösung, die wir für die Kreuzkirche in der Nähe des Hauptbahnhofs gefunden haben: Die wird jetzt zur Jugendherberge umgebaut“. Beste forderte kreatives Denken bei der Umnutzung. Er berichtete von einem Beispiel aus Oberhausen-Sterkrade, wo die Gemeindekirche St. Bernhardus durch eine raumhohe Glaswand geteilt worden sei. Die eine Hälfte diene als Kapelle und werde für Taufen, Hochzeiten und besondere Gottesdienste genutzt. In der anderen Hälfte sei ein Veranstaltungsort entstanden, der von einer „Catering-Frma“ für Tagungen und Feste angeboten werde. Für Beste ist diese Lösung vorbildlich: „Durch die Inititative wurde ein ,überzähliges‘ Kirchengebäude behutsam zum Teil umgenutzt und damit auch für die sakrale Nutzung langfristig gesichert. Der Kirchengemeinde ging das Gebäude nicht verloren. Für die Ortsgemeinde wurden dadurch sogar neue räumliche und kulturelle Möglichkeiten geschaffen, die den Ort wieder beleben.“

Was bleibt?
Für Beste ist es undenkbar, ein Grundstück mit einer Kirche zu verkaufen, die dann abgerissen wird und einer Aldi-Filiale weicht. Das sah Domning natürlich genauso und zitierte den bekannten Juristen Ulrich Vultejus: „Was bleibt, wenn man Kirche, Rathaus und Amtsgericht wegnimmt? Eine Ansammlung von Häusern, zusammengehalten allein von der städtischen Kanalisation.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann