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Der neue Vorsitzende des Sozialethischen Ausschusses: Dr. Thomas Münch

„Ich verstehe dieses Amt als eine Beauftragung, aus protestantischer sozialethischer Sicht deutlich Stellung zu beziehen zu den aktuellen sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen der bundesdeutschen Gesellschaft“, sagt Dr. Thomas Münch. Der gelernte Mess- und Regelmechaniker, Diplom-Sozialarbeiter und promovierte Erziehungswissenschaftler wurde Anfang Dezember als Nachfolger von Dr. Marie Luise Lösener zum neuen Vorsitzenden des Sozialethischen Ausschusses (SEA) im Evangelischen Stadtkirchenverband Köln gewählt. 1953 in Dillingen geboren, entschloss sich Münch nach einer Lehre und Tätigkeit als Handwerker in der Chemie- und Stahlindustrie 1979 zum Studium der Sozialarbeit an der FH Köln. „Ich bin während meinem Zivildienst am Städtischen Krankenhaus Leverkusen mit der Idee konfrontiert worden, dass es auch andere wichtige Themen gibt“, so seine Begründung. Nach dem Anerkennungsjahr bei der Stadt Köln begann im August 1984 die berufliche Praxis. Als Gemeinwesenarbeiter in einem Kölner Armutsviertel war er maßgeblich am Aufbau des „Holweider Selbsthilfe e.V.“, einer Mieter- und Bewohnerselbsthilfe, beteiligt. Gleichzeitig nahm er einen Lehrauftrag an der FH Köln wahr, später auch an der Universität Siegen.

Seit Juni 1990 fungiert der Opernfreund, begeisterte Leser und Koch sowie passionierte Skifahrer und Kletterer als Leiter und Geschäftsführer des Kölner Arbeitslosenzentrum KALZ e.V.. Dieses habe sich, so Münch, inzwischen zu einem sozialen Dienstleister entwickelt. Dessen Spektrum reiche von „parteilicher Sozialberatung“ über die Rolle als „politischer Akteur“ bis hin zum „Beschäftigungsprojekt“. Von Oktober 1995 bis Mai 1998 absolvierte er an Universität GHS Essen ein berufsbegleitendes Studium der Erziehungswissenschaft. Auf das Diplom folgte im Juli 2003 die Promotion. „Ich fand es immer interessant, mit einem Bein in der sozialpolitischen Praxis und dem anderen auf dem Gebiet Forschung und Lehre zu stehen. Beide befruchten sich gegenseitig. Weil es zwingt, die eigene berufliche Tätigkeit mit der wissenschaftlichen Theorie auseinanderzusetzen.“

Man könne nicht soziale Arbeit machen, ohne politisch Stellung zu beziehen, sagt Münch, seit 1994 der Sprecher der Kölner Armutskonferenz. „Wir erleben gerade, wie die Bundesregierung versucht, die gesellschaftlichen Pflöcke zu versetzen und unsere Sozialstaatlichkeit so zu verändern, das wir sie nicht mehr wieder erkennen können.“ Sie stelle „leichtfertig die Fundamente des bundesdeutschen Sozialstaates zur Disposition“ und baue darauf, auf große Resonanz in der Bevölkerung zu stoßen. „Aber die Gesellschaft empfindet sehr wohl eine Verantwortung gegenüber Schwächeren. Das belegen Umfragen, in denen ein großer Teil der Interviewten den Reformen der Regierung die soziale Gerechtigkeit abspricht.“ Dies spiegele sich natürlich auch in der Kirche wider. Sozialethische Begründung sowie sozialdiakonisches Handeln seien laut Meinungsforschungen genau das, was Kirche zugeschrieben werde. „Sich um die Beladenen kümmern, das erwartet die Gesellschaft von Kirche.“

Die Frage der sozialen Gerechtigkeit bezeichnet der Sozialexperte nach wie vor als elementar. „Wie diesen Zustand herstellen und was muss Gesellschaft dafür leisten, welche Verpflichtung haben die Reichen in diesem Land an Verantwortung gegenüber der Armut?“ Armut und Arbeitslosigkeit, das sind seit zwanzig Jahren Münchs Themen. Und bei seinen Tätigkeiten, die bislang zumeist im protestantischen Kontext standen, hat er die positive Erfahrung gemacht, dass es gerade auch in Kirche und Kirchengemeinden Männer und Frauen gibt, die die Schattenseiten unserer Gesellschaft ernst nehmen.

Vor einem Jahr wurde Münch in den Sozialethischen Ausschuss berufen. „Ich habe sowohl dessen vielfältige Zusammensetzung, als auch die Bandbreite der behandelten Themen wie Gentechnologie, Flüchtlingssituation oder Stadtgestaltung schätzen gelernt.“ Als interessant und anregend empfindet er, im SEA mit einer Vielzahl von Themen und Problemen konfrontiert zu werden, mit denen man sich zuvor wenig oder gar nicht befasst hat. „Das zeigt einmal mehr, dass man den Blick nicht nur auf das eigene Arbeitsfeld richten sollte, sondern darüber hinaus. Frau Dr. Lösener sagte bei der Verabschiedung, dass sie während ihrer Zugehörigkeit zum Ausschuss ‚ihre Scheunen der Erfahrungen habe reich füllen‘ können. Dem kann ich mich schon jetzt ohne weiteres anschließen.“


Text: Engelbert Broich, WEG
Foto(s): Engelbert Broich, WEG