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Der „kulturelle Leuchtturm“ in Nippes feiert 125. Geburtstag

Als „kulturellen Leuchtturm“ bezeichnete Stadtsuperintendent Rolf Domning die Lutherkirche in Nippes, als er beim Festgottesdienst zu Gast war, mit dem die Kirchengemeinde die Einweihung ihres Gotteshauses vor 125 Jahren feierte. Seit 2002 ist sie als „Kulturkirche Köln“ auch überregional als Veranstaltungsort zur Marke geworden, hier treten Künstler und Kulturschaffende wie Harry Rowohlt, Katharina Thalbach oder Gerd Köster auf.

Protestantismus im Norden heimisch
In ihren Anfängen wies noch nichts auf diese Form der Nutzung hin, die Errichtung der Lutherkirche war zunächst einmal ein Zeichen dafür, dass der Protestantismus im Könner Norden heimisch geworden war. Denn das künftige Gemeindegebiet von Nippes war in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch dörflich und sehr katholisch geprägt. Als die Rheinische Eisenbahngesellschaft 1860 ihre Zentralwerkstätten eröffnete, änderte sich das schlagartig. Die Aussicht auf Arbeit lockte auch protestantische Familien nach Nippes, 1872 wurde die Gründung einer evangelischen Volksschule beantragt, ein provisorischer Gemeindevorstand beschloss, ein Grundstück an der Dormagener Straße anzukaufen, um dort einen Betsaal zu bauen.

35.000 Mark aus dem "Lutherfonds"
1880 lebten bereits rund 1.500 Protestanten in Nippes, 1881 erkannten die Kirchenleitung der Rheinprovinz und der preußische Staat die kirchliche Selbstständigkeit der Kirchengemeinde Nippes an. Als 1883 zum Gedenken an Luthers 400. Geburtstag in ganz Deutschland Geld zur Errichtung von Lutherkirchen gesammelt wurde, ergriff die Gemeinde diese Gelegenheit und erhielt 35.000 Mark aus dem „Lutherfonds“. 1886 erfolgte die Grundsteinlegung für eine neugotische Backsteinkirche nach Plänen des Kirchbaumeisters August Albers, zur Einweihung 1889 war auch das Pfarrhaus gleichen Stils in der Siebachstraße bezugsfertig.

Nippes teilte sich in neun Gemeinden
Dieses Pfarrhaus allerdings überstand, wie große Teile der unmittelbaren Umgebung, nicht die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs. Anders als die Kirche selbst, die bis auf die zerborstenen Fenster kaum beschädigt wurde. „Das grenzte an ein Wunder“, meint Pfarrer Thomas Diederichs. „Die Gemeinde hätte wohl kaum die Mittel zum Wiederaufbau gehabt.“ In den folgenden Jahren wuchs Nippes, begünstigt durch die Ansiedlung von weiteren Einrichtungen von Bahn und Post, aber auch durch den Zuzug von Flüchtlingen, zu einer Großgemeinde heran. Die musste ab 1955 geteilt werden, im Laufe der Jahre entstanden im Kölner Norden neun Tochtergemeinden: Longerich, Niehl, Riehl, Weidenpesch, Worringen, Bilderstöckchen, Mauenheim, Gartenstadt-Nord und Neue Stadt.

Durchschnittsalter von 38 Jahren
Die verkleinerte Gemeinde Nippes selbst hat sich – insbesondere durch die Schließung der Bahn-Werkstätten – von Grund auf verändert. Das frühere Arbeitermilieu sei, wenn überhaupt, nur noch in Restbeständen erhalten: „Hier leben jetzt viele jüngere Leute, die herausfordernden Berufen nachgehen“, sagt Pfarrer Diedrichs. „Als ich vor 24 Jahren nach Nippes kam, lag das Durchschnittsalter der Gemeindeglieder bei 55 Jahren, heute bei 38.“ Rund 5.500 Gemeindeglieder seien es derzeit – Tendenz steigend, denn Nippes ist als Wohnort beliebt: Diederichs hat bei den „neuen“ Nippesern durchaus den Wunsch ausgemacht „irgendwo dazuzugehören“ und ist stolz auf die Besucherzahlen: Sonntags seien es zwischen 40 und 50, bei besonderen Gottesdiensten, wie zu Weihnachten, reiche die Kapazität der Kirche mit 500 Plätzen nicht aus. Pro Jahr zähle er rund 14.500 Gottesdienstbesucher.

40 Ehrenamtler nötig
Die Angebote der Kirche sollte sich nach den Bedürfnissen der Gemeinde richten, und die sei in Nippes eben anspruchsvoll, so Diederichs. Was angepackt werde, müsse ein bestimmtes Niveau erreichen, dann zögen die Leute von selbst mit – wie eben im Fall der professionell organisierten Kulturveranstaltungen: „Dafür brauchen wir jedes Mal etwa 40 Ehrenamtler, vom Aufbau bis zum Ausschank und dem Ticketverkauf, anders wäre das nicht zu stemmen.“ Schwarze Zahlen schreibe die „Kulturkirche“ zwar, aber richtig viel Geld sei damit nicht zu verdienen. Es sei eher ein Projekt, an dem die Gemeinde gemeinsam arbeite und dabei zusammenwachse. Ebenso wie der Bahnhof Ahrdorf, ein Haus für Tagungen und Jugend- oder Familienfreizeiten irgendwo zwischen Blankenheim und Nürburgring: Die Gemeinde Nippes hat es vor einigen Jahren angekauft und saniert und vermietet es nun an interessierte Gruppen. Darunter ist auch der Bap-Fan-Club, schließlich haben die Kölsch-Rocker dort bereits Platten aufgenommen.

Große Feier am 6. September
Aber auch die soziale Arbeit in der Offenen Tür (OT) oder in den beiden Kindertagsstätten – eine wird gerade umgebaut und Ende Juli eröffnet – soll in Zukunft weiter ein Schwerpunkt der Gemeindearbeit sein. Und Pfarrer Diederichs freut sich, dass die derzeit 1,5 Pfarrstellen aufgrund des Zuwachses demnächst aufgestockt werden. Jetzt laufen erst einmal die Vorbereitungen für den 6. September: Die Nippeser Protestanten arbeiten an einer neuen, experimentellen Form des Fests mit Musik und Texten in der Lutherkirche: „120 Füße und fünf Sinne“ lautet das Motto, in dem die Jubiläumszahl aufgegriffen wird. Der große achteckige Stern in der Kuppel der Kirche soll dabei im Mittelpunkt stehen: „Wir orientieren uns auch weiter nach oben“, verspricht Thomas Diederichs.

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans