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„Bei Menschenrechten hört die wirtschaftliche Freiheit auf“: politisches Nachtgebet von amnesty international und der Aktion Christen für die Abschaffung der Folter beim DEKT

Wirtschaftliche Gewinne dürfen nicht um den Preis der Verletzung der Menschenrechte erzielt werden. Diese Forderung wurde schon 1948, bei der Verkündung der Menschenrechte, postuliert. Wie steht es aber im Zeitalter der Globalisierung mit dieser Forderung? Wie verhalten sich da Wirtschaftsmacht und Menschenrechte? Der Titel „Kamel und Nadelöhr“, mit dem amnesty international (ai) und die „Aktion Christen für die Abschaffung der Folter“ (ACAT) ihr politisches Nachtgebet beim 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag versahen, deutete schon an, dass dieses Verhältnis nicht gerade problemlos ist.

Wirtschaft hat eine dienende Funktion
Neben das Bild vom Kamel und dem Nadelöhr stellte der Kölner evangelische Pfarrer Dieter Endemann das Bild vom Kornbauern aus dem Lukasevangelium. Der habe seine Scheunen mit immer mehr Getreide gefüllt, um sorglos leben zu können. Im Angesicht des Todes aber wurde ihm die Nutzlosigkeit seines Handelns bewusst: Vor Gott wurde er durch das Anhäufen von Schätzen nicht reich. „Die Botschaft ist klar, aber die Konsequenzen sind schwierig“, griff Professor Heiner Bielefeldt, Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, dieses Bild auf. Wirtschaft habe für die Menschen in erster Linie eine dienende Funktion, „was aber zu brutalen Missverständnissen führen kann“. Die Menschenrechte, zu denen er die bürgerlichen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Rechte zählte, seien das Korrektiv, um einseitige Abhängigkeiten zu verhindern und ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Das Bewusstsein bei Unternehmen ist gestiegen
Allerdings zählt da nicht nur der gute Wille des Einzelnen. Es müssen Kontrollinstrumente geschaffen werden, um die Einhaltung von Menschenrechten auch zu überwachen. Die forderte auch Elisabeth Strohscheidt von „Misereor“ ein: „Das Bewusstsein bei Unternehmen ist zwar gestiegen, vieles ist aber nur Show. Es ist schwierig, die vollmundigen Ankündigungen zu überwachen.“ Die Rolle des Kontrolleurs wies Barbara Lochbihler, Präsidentin von ai-Deutschland, den nationalen Staaten zu. „Sie haben die Unternehmen daran zu erinnern, dass sie nicht außerhalb der Menschenrechte stehen.“

Sachzwänge contra gute Absichten
Natürlich schränkten Lochbihler und auch Strohscheidt ein, dass dies nur in Staaten mit funktionierenden gesellschaftlichen Systemen und demokratischen Strukturen funktionieren könne. Und auch dann seien Manager, so gut ihre Absichten auch sein mögen, Strukturen und Zwängen unterworfen. „Wo ist die Grenze dessen, was von uns erwartet wird?“, fragte denn auch Klaus M. Leisinger, Präsident der Novartis-Stiftung für nachhaltige Entwicklung. Unternehmen können nicht die Aufgabe des Staates übernehmen, wenn dieser selbst korrupt sei oder seine Strukturen nicht funktionieren. Novartis, das weltweit agierende Pharma-Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, ist jüngst in die Kritik geraten wegen eines Patentstreits mit Indien. Damit will das Unternehmen die billigen Kopien seiner Medikamente verhindern, die aber für die Ärmsten in der Dritten Welt, vor allem Krebs- und Aids-Patienten, oft die einzige Hoffnung sind. Der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und zu Medikamenten gehört aber unbestritten zu den Menschenrechten.

Musik von „Habakuk“
Eine Patentlösung, wie sich Wirtschaftsmacht und Menschenrechte annähern könnten, hatten auch die Diskussionsteilnehmer nicht parat. Die öffentliche Meinung sei aber ein wirksames Mittel, um Unternehmen an ihre Verantwortung zu erinnern. „So blöd sind die Leute auch nicht, dass sie nur aufs Quartalsergebnis achten, wenn sie ständig schlechte Schlagzeilen produzieren“, sagte Klaus Leisinger. Wie es sich für ein Nachtgebet gehört, wurde zum Schluss gemeinsam das Vater unser gebetet. Die musikalische Gestaltung dieser Veranstaltung übernahm die Gruppe „Habakuk“ aus Frankfurt.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer