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Ausstellung des Historischen Archivs in Köln

"Jeder Jeck is anders" hört man in Köln an jeder Ecke. Das ist sozusagen Artikel 1 des kölschen Toleranzgefühls. Menschen aus 181 Ländern leben in Köln. Und trotz der auch religiösen Vielfalt wird die Stadt im Selbstverständnis vieler Bewohner als katholisch wahrgenommen. Das Historische Archiv hat das Refomrationsjubiläum zum Anlass genommen, eine Ausstellung mit dem Titel "Hilliges Köln 2.0 – Auf dem Weg zur religiösen Toleranz" im vorübergehenden Domizil in der Handwerkskammer, Heumarkt 12, zusammenzustellen.

Darin gehen die Organisatoren der Frage nach, auf welchen historischen Fakten die Toleranz beruht, die die Kölner als wichtigen Teil des kölschen Selbstverständnisses betrachten. Im Mittelpunkt stehen nicht die Historien einzelner Religionsgemeinschaften. Es geht in erster Linie um die Betrachtung von Einzelbeispielen vom Spätmittelalter bis zum heutigen Tag. Bereits an den Fassadenfenstern des Archivs findet man Zitate etwa von Immanuel Kant: "Die Toleranz muss gegenüber der Intoleranz intolerant sein."

In der Geschichte hat es so manches Mal mit der Toletenaz gehapert
Im Inneren erwarten die Besucher zahlreiche Schautafeln, auf denen mit der vermeintlichen Toleranz der Kölner mitunter hart ins Gericht gegangen wird. So erfährt man zum Beispiel, dass die Kölner Katholiken zu Beginn des 17. Jahrhunderts rüde mit den Protestanten umgingen, die aus dem wenig toleranten Köln nach Mülheim auf die andere Rheinseite geflüchtet waren. Dort herrschte Religionsfreiheit. Das bedeutete für Köln einen enormen wirtschaftlichen Verlust. Und als die Mülheimer auch noch anfingen, ihren Ort zu befestigen, schalteten die Kölner den Kaiser ein, der die Befestigung verbot und verfügte, dass in Mülheim 1615 alle neueren Gebäude zu zerstören seien. Das haben die Protestanten von der anderen Rheinseite den Kölschen ziemlich lange sehr übel genommen.

Das Hochwasser einte die Konfessionen
Das änderte sich vorübergehend bei dem großen Eisgang auf dem Rhein im Jahre 1784. Der Rhein hatte eine meterdicke Eisschicht. Tauwetter verursachte ein extremes Hochwasser, auf dem Fluss treibende Eisschollen richteten große Schäden an. Die Not ließ die Konfessionen kurze Zeit zusammenstehen. Protestantische Kaufleute und Gelder des Erzbistums wurden für Brotspenden eingesetzt, die an Evangelische und Katholische gleichermaßen verteilt wurden. Die Beschränkung des Bürgerrechts auf katholische Bürger wurde in der Franzosenzeit aufgehoben. Den ersten evangelischen Gottesdienst feierten die Kölner Protestanten 1802 auf kölschem Boden. Ihre erste Kirche war die Antoniterkirche, die ihnen von den Franzosen zugewiesen worden war.

Friedliches Zusammenleben aller Gläubigen
Die Aufhebung der Bürgerrechtsbeschränkungen sorgte für Veränderungen in der Kölner Bevölkerung. 1822 lebten 52.778 Menschen in der Stadt, davon waren 3372 evangelischen und 375 jüdischen Glauben. Die anderen waren katholisch. 1910 lebten in Köln 400.000 Katholiken, aber auch 96.000 Protestanten und 12.516 Juden. Das erste evangelische Begräbnis auf dem Melatenfriedhof fand 1829 statt. Heute diskutieren manche, ob es nicht auch einen muslimischen Friedhof auf dem Stadtgebiet geben sollte. Bisher gibt es auf den städtischen Friedhöfen einzelne Grabfelder für Muslime.
Es war ein weiter Weg bis zur Gleichberechtigung aller Konfessionen in der Stadt. Ihr Zeugnis ist die Kölner Friedensverpflichtung aus dem Jahre 2006, in dem sich Vertreter aller Religionen zu einem friedlichen Zusammenleben bekennen. Das ist in einer Zeit, in der viele Schutz in Köln vor Krieg und Verfolgung suchen, wichtig wie eh und je.

Nicht verpassen – weitere Termine zur Ausstellung
Die Ausstellung im Archiv in der Handwerkskammer ist noch bis zum 12. November zu sehen. Sie ist geöffnet dienstags bis sonntags von 10 Uhr bis 16.30 Uhr sowie mittwochs von 10 Uhr bis 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Programm begleitet. Einige Beispiele: Am Dienstag, 6. Juni, 18 Uhr, sprechen Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie, und Mitglieder des Evangelisch-Katholischen Arbeitskreises für Ökumene im Stadtbereich Köln über "Ökumene – ein Segen für Köln. Kölner Aufbrücke zwischen den christlichen Konfessionen und hin zu anderen Religionen." Dr. Markus Schwering aus der Feuilleton-Redaktion des Kölner Stadt-Anzeiger referiert am Dienstag, 27. Juni, 18 Uhr über "Die bedrängte Toleranz. Zur Philosophie eines umstrittenen Begriffs". "Judentum und Reform. Liberales deutsches Judentum" ist das Thema von Sonja Guentner von der Union Progressiver Juden in Deutschland am Dienstag, 11. Juli, 18 Uhr.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann