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50 Jahre Polizeiseelsorge in Nordrhein-Westfalen

„Ein schöner Tag ward uns beschert, wie es nicht viele gibt, von reiner Freude ausgefüllt, von Sorgen ungetrübt.“ So lautet die erste von fünf Strophen eines Volksliedes, das zur Melodie des traditionellen Kirchenliedes „Amazing Grace“ gesungen wird.

Chor gehört zur „Charme-Offensive“
„Ein schöner Tag…“ erklang nun zum Abschluss eines Benefizkonzertes in der romanischen Kirche St. Maria im Kapitol in Köln. Die Aufführung zu Gunsten der „Stiftung Polizeiseelsorge“ der Evangelischen Kirche im Rheinland wurde mit gestaltet vom Harmonie-Ensemble des Landespolizeiorchesters (LPO) Nordhein-Westfalen unter Leitung von Scott Lawton. Das aus Berufsmusikern gebildete LPO gehört zur „Charme-Offensive“ der Polizei. Den vokalen Part übernahmen der von Jan Ludwig geleitete, 70 Mitglieder zählende Polizeichor Köln mit kirchlichen Musikstücken sowie der 60-köpfige PolizeiFrauenchor Köln. Unter dem Dirigat von Mariano Galussio interpretierten die Damen auch moderne internationale weltliche Lieder.

Besonders beeindruckender Schlussteil
Die qualitätvollen Vorträge vermochten die Zuhörenden zu begeistern. Sie spendeten bereits nach dem Auftakt, zu dem das Harmonie-Ensemble eine Instrumentalversion von „In trutina“ aus „Carmina Burana“ spielte, einen ersten kräftigen Applaus. Nicht geringer fiel dieser nach Beiträgen wie „Ave maris stella“, „You’ve got a friend“, „The Rose“ oder „Deep River“ aus. Besonders beeindruckte der Schlussteil, in dem sich die Stimmen der Choristen und Besuchenden im Lied vom „schönen Tag“ vereinigten.

Kirchen entscheiden über Auftritt der Polizeiseelsorge
Das Benefizkonzert gehört zum Kranz der Veranstaltungen, der anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Polizeiseelsorge in Nordrhein-Westfalen (NRW) gebunden wurde. 1962 trafen das Land NRW und die beiden großen Kirchen eine „Vereinbarung über die Wahrnehmung der katholischen beziehungsweise evangelischen Polizeiseelsorge in NRW“. Erstmals in der Bundesrepublik Deutschland wurde so geregelt, wie Polizeiseelsorge auftreten darf und soll, erinnert Dietrich Bredt-Dehnen an die Anfänge.

Festakt fand in Düsseldorf statt
Bredt-Dehnen ist der Leitende Landespfarrer für Polizeiseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Das Gesamtprogramm zur Feier des „runden Geburtstages“, das vom Landespfarramt für Polizeiseelsorge der EKiR, vom Landespfarramt für den Kirchlichen Dienst in der Polizei der Evangelischen Kirche von Westfalen sowie dem Landespolizeidekanat der katholischen (Erz-)Bistümer in NRW verantwortet wird, enthält wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen. Am 2. Juli fand in Düsseldorf der Festakt statt. In einem ökumenischen Gottesdienst in der katholischen St. Maximilian-Kirche hielt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Dr. h. c. Nikolaus Schneider, die Predigt.

Chöre, Orchester und drei Grußworte
Als Sitz der größten Polizeibehörde in NRW wurde Köln im Veranstaltungsreigen mit einem großen Konzert bedacht. Mit dessen Vorbereitung und Durchführung war maßgeblich Volker Scherzberg befasst. Der Polizeihauptkommissar arbeitet im Leitungsstab Öffentlichkeitsarbeit beim Polizeipräsidium Köln. Zudem sitzt er im Kuratorium der Stiftung Polizeiseelsorge. „In dieser Funktion wurde ich gebeten, das Konzert für Köln zu organisieren.“ Nicht über 90 Minuten, habe die Maßgabe gelautet. „Mehr als die beiden Chöre und das Orchester hätten also nicht gepasst“, begründet Scherzberg die Zusammenstellung. Zumal in die musikalische Folge drei Grußworte eingebettet wurden. Es sprachen Rainer Dürscheid, katholischer Seelsorger für die Polizei Köln, der Staatssekretär a. D. Wolfgang Riotte, Vorsitzender des Kuratoriums Stiftung Polizeiseelsorge, sowie der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers.

„Da sein, wenn man sie braucht.“
„Seelsorge, Berufsethik, Spiritualität, Frieden stiften – das sind die Felder, die sich die Polizeiseelsorge zur Aufgabe gesetzt hat“, fasste Albers zusammen. Er sagte Dank für 50 Jahre Polizeiseelsorge in NRW, die er wie folgt versteht: „Da sein, wenn man sie braucht.“ Dies bedeute Seelsorge für Polizistinnen und Polizisten nicht nur nach Einsätzen, sondern im Rahmen der täglichen Routine, des täglichen Stresses. Daraus folge, dass Anwärter über das Fachliche hinaus mit Berufsethik fit gemacht werden müssten für ihren anspruchsvollen Beruf. In der Polizeiseelsorge fänden sich Ansprechpartner auch in spirituellen Fragen und Anliegen. Schließlich stifte sie in Konfliktlagen Frieden, könne sie vermitteln und erläutern.

Pfarrer i.R. Botterbusch ist ansprechbar
Den Infostand am Konzertabend betreute Friedrich-Wilhelm Botterbusch. Ende 2000 trat der damalige Pfarrer an der Friedenskirche in Pulheim-Sinnersdorf in den Ruhestand. Damit endete auch seine langjährige Tätigkeit in der Feuerwehr- und Notfallseelsorge. Zwei Jahre später bat man ihn, seine Erfahrungen in die Polizeiseelsorge einzubringen. Seitdem nimmt Botterbusch ehrenamtlich Aufgaben in der Seelsorge der Polizei im Rhein-Erft-Kreis sowie der Wasserschutzpolizei Köln wahr. Er ist neben den sieben Landespfarrer/innen einer der drei Beauftragten, die im Gebiet der rheinischen Landeskirche in der Polizeiseelsorge tätig sind. „Ich unterstütze diese Arbeit, wenn ich angefordert werde“, erklärt Botterbusch, dessen Beauftragung bis 2015 läuft. Polizeibeamtinnen und -beamte können ihn telefonisch oder per E-Mail kontaktieren. Ebenso direkt ansprechen. Etwa bei oder nach größeren Einsätzen und Streifengängen, die hin und wieder von Botterbusch begleitet werden. „Dabei ergeben sich nähere Kontakte und interessante Gespräche.“ Zudem besucht er alle zwei Monate die Wachen in den Städten Brühl, Frechen, Lechenich, Wesseling und Pulheim. „Meine Arbeit beinhaltet ein Reagieren auf Anfragen, andererseits gehe ich direkt auf die Beamtinnen und Beamten zu.“

Ethikunterricht in der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung
Als hauptamtliche Polizeiseelsorgerin in der Kreispolizeibehörde Köln ist seit 2003 Landespfarrerin Regina Kulpe von Eckardstein zuständig. 2009 übernahm sie auch noch die Seelsorge für Polizeibeamtinnen und -beamte der Landräte des Rhein-Erft-Kreises, des Rheinisch-Bergischen Kreises, des Oberbergischen Kreises und des Rhein-Sieg-Kreises. Neben „Einsatzbegleitung, Krisenintervention nach belastenden Einsätzen, Seelsorge und Beratung bei beruflichen, privaten und persönlichen Problem- und Fragestellungen von Vorgesetzten, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie deren Angehörigen“ gehören ebenso „Seminar- und Fortbildungsangebote, Studien- und Begegnungsveranstaltungen, spirituelle Angebote im ‚Raum der Stille‘ im Polizeipräsidium Köln und Ethikunterricht in der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung“ zu ihren Aufgaben.

„Wir bieten Gespräch, Beratung und Seelsorge“
„Überregional präsent, lokal handeln“, bezeichnet Bredt-Dehnen das Prinzip der Polizeiseelsorge. Er leitet das Team der evangelischen Polizeiseelsorge im Rheinland, ist zuständig für die Gesamtarbeit und die Verbindung nach außen, zum Innenministerium, zur Polizeiführung und zu den Landesoberbehörden. „Wenn Polizeibeamtinnen und -beamte in Fragen des Berufsalltags, des persönlichen Lebens oder des Glaubens Gespräch und Klärung suchen, können sie sich an uns wenden. Wir bieten Gespräch, Beratung und Seelsorge“, so Bredt-Dehnen. Seit 2009 sei die Polizeiseelsorge als landeskirchliche Aufgabe gestaltet. Die Gespräche zwischen Seelsorgenden und Polizistinnen oder Polizisten böten einen „besonderen Schutzraum“. „Denn für uns gelten etwa die seelsorgerische Schweigepflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht.“ Es sei ein Zeichen der guten ökumenischen Zusammenarbeit, dass der kirchliche Dienst in der Arbeitswelt der Polizei in jeder Behörde von evangelischen und katholischen Seelsorgenden geleistet werde, so Bredt-Dehnen. Und zwar „eigenständig und unabhängig von der innerbehördlichen Struktur“. Er spricht von einer steigenden Tendenz bei der Inanspruchnahme von Angeboten der Polizeiseelsorge in NRW. Das gelte beispielsweise auch für Seminare, die spirituellen Charakter haben, Besinnungs-Seminare und Gesprächsangebote.

Einnahmen gehen an Polizisten in Notsituation
Die Einnahmen des Benefizkonzerts fließen der 2004 errichteten Stiftung Polizeiseelsorge zu. „Sie hat das Ziel, durch materielle und ideelle Unterstützung die Arbeit der Polizeiseelsorge langfristig abzusichern. Die Unterstützung von Polizistinnen und Polizisten zu gewährleisten, die in besondere Notsituationen kommen“, erklärt Bredt-Dehnen. „Wir versuchen, keine Polizistin und keinen Polizisten alleine lassen zu müssen.“ Der Stiftungszweck solle insbesondere verwirklicht werden unter anderem durch die Unterstützung der berufsethischen Fort- und Weiterbildung sowie bei der Anschaffung von Ausrüstungs- und Einsatzmitteln. So engagiert sich die Stiftung bei der Einrichtung von „Räumen der Stille“ in verschiedenen Polizeipräsidien, darunter in Köln. „Gerade im harten Polizeiberuf braucht es Rückzugsräume, Momente des Innehaltens und der Besinnung“, sagt Bredt-Dehnen.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich