Pfarrerin Uta Walger und Pastor Torsten Sommerfeld von der Evangelischen Kirchengemeinde Bickendorf erinnerten sich gutgelaunt an die Zeit, als sie im Sonderdienst gemeinsam das ökumenische Begegnungscafé Bickolo geleitet hatten. An die Ferienspielaktionen, die bei den Pänz des Westends ausgesprochen beliebt sind, an die Abende, auf denen Anwohner ihre vielen unterschiedlichen Herkunftsländer – auch kulinarisch – vorstellen konnten, an Ausflüge und Freizeiten. Oder ganz einfach an die vielen Begegnungen mit Menschen, die für einen Kaffee in die Räume am Clemens-Hastrich-Platz gekommen waren.
Frage der Finanzierung ab 2015
Dennoch war die Stimmung insgesamt etwas getrübt, als im Café Bickolo kürzlich das 20-jährige Bestehen gefeiert wurde. Dass das Café mit seinen Angeboten zur Sozial-, Ernährungs- und Erziehungsberatung, mit Kindergruppen, Nachhilfe, Seniorenclub oder Kleiderkammer für das Westend mit seinen zahlreichen sozialen Problemen von großer Bedeutung ist, stand für alle Besucher außer Frage. Doch die Frage der Finanzierung wird spätestens im Frühjahr 2015 wieder akut werden, wenn ein Gesundheitsprojekt ausläuft, das zwei Jahre lang von der Caritas-Stiftung und dem Katholischen Ehe- und Familienfonds mit jeweils 7.500 Euro gefördert wurde.
„Es muss weitergehen, das Café ist wichtig für den Stadtteil.“
„Das können wir nicht auffangen, das ist illusorisch“, sagte Pfarrerin Walger. Derzeit unterstützen die Evangelische Kirchengemeinde Bickendorf und die Katholische Gemeinde zu den Heiligen Rochus, Dreikönigen und Bartholomäus das Café Bickolo mit jeweils 10.000 Euro jährlich. „Für den Betrieb brauchen wir aber mindestens das Doppelte“, so Walger. Sie konnte immerhin zusagen, dass die evangelische Gemeinde mittelfristig nicht plant, ihre Überweisungen einzustellen: „Aber was in zehn Jahres sein wird, kann ich natürlich nicht vorhersehen.“ Der katholische Pfarrer Klaus Kugler, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins Café Bickolo, gab sich kämpferisch: „Wir werden die Finanzierung hinkriegen, irgendwie, es muss weitergehen, das Café ist zu wichtig für den Stadtteil.“
Gründung eines Trägervereins
Im Jahre 1994 war das Café Bickolo als Initiative der Evangelischen Kirchengemeinde Bickendorf eröffnet worden, als bekannt wurde, dass die stadtnahe Wohnungsbaugesellschaft GAG vorhatte, im Westend 1.500 neue Wohnungen zu schaffen. Zu Anfang hatte Stephan Schmidtlein das Café als Pastor im Sonderdienst geleitet, nach seinem Ausscheiden übernahmen Walger und Sommerfeld diese Aufgabe und wurden später von Pastorin Reinhild Widdig abgelöst. 2005 erlaubte es die finanzielle Situation der Landeskirche jedoch nicht mehr, eine eigene Pfarrstelle für das Café bereit zu stellen. Ein Trägerverein wurde gegründet, der Spenden und Stiftungsgelder akquirieren sollte, und seit knapp sechs Jahren leitet nun Diplom-Soziologin Gudrun Alles das Café mit einer Halbtagsstelle.
Großes Engagement von Ehrenamtlichen
Die pastorale Begleitung erfolgt aber weiter aus dem benachbarten Stadtteil, und auch aus der Finanzierung konnten sich die Gemeinden bislang nicht komplett zurückziehen, wie zunächst geplant war. „Wir brauchen neben der evangelischen und der katholischen Gemeinde dringend ein drittes Bein für die Finanzierung", sagte Uta Walger. „Bisher hat man bei der Stadt zugesehen und sich wohl gedacht: Die schaffen das schon irgendwie. Aber von der Verwaltung würde ich mir Unterstützung wünschen." Ähnlich sieht das Gudrun Alles: „Wir sind eigentlich eine günstige Einrichtung, ohne die vielen Ehrenamtler aus dem Stadtteil, die sich hier engagieren, könnte das Bickolo nicht bestehen. Auf 15 bis 20 Leute kann ich immer zurückgreifen.“
Nur innovative Projekte werden gefördert
Mit dem Auslaufen der Finanzierung für das Gesundheitsprojekt gerieten sehr erfolgreiche Kurse und Angebote in Gefahr, so Alles. Der Kochkurs, die Mädchengruppe oder die individuelle Beratung zur gesunden Ernährung etwa, zehn bis 20 Anwohner seien dann immer im Café. „Grundsätzlich werden aber nur innovative Projekte gefördert, wir müssten also wieder etwas Neues machen, um an Mittel zu kommen", erklärt Alles das Dilemma. „Dabei laufen diese Angebote sehr gut, unser Problem ist, das Bestehende zu sichern.“ Zudem sei der Zeitaufwand für die Beantragung von Stiftungsgeldern sehr hoch – außer Gudrun Alles ist nur eine Putzkraft fest im Café Bicko angestellt, den Rest der Arbeit erledigen seit jeher Honorarkräfte, Ehrenamtliche oder Menschen, die hier ihre Sozialstunden ableisten.
Hoffnung auf Studenten im Stadtteil
Jörg Krautmacher, Vorstandsmitglied des Trägervereins, hofft, dass sich die GAG zu einem verstärkten Engagement bewegen lässt. „Sie stellen uns ja schon die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung", sagte er. Bernd Schäfernolte, ebenfalls Vorstandsmitglied, erinnerte an die Ergebnisse einer Podiumsdiskussion im Frühjahr: „Vielleicht könnte man für eine stärkere Durchmischung des Stadtteils sorgen und hier Studenten ansiedeln, die ihre Kenntnisse einbringen würden."
Begrenzte eigene Finanzmittel
Mit dem stellvertretenden Bezirksbürgermeister Ralf Klemm (Grüne) war auch ein Vertreter der Politik zu Gast. Die Ehrenfelder Bezirksvertretung (BV) allerdings, das stellte er klar, verfügt nur über begrenzte eigene Finanzmittel – die sogenannten bezirkseigenen Mittel – die noch dazu nicht zur Finanzierung des regulären Betriebs verwendet werden dürfen, sondern nur für einzelne Aktionen, wie etwa die Herrichtung der Hochbeete auf dem Clemens-Hastrich-Platz im Sommer, als die BV 2.800 Euro zuschoss. „Sie können aber sicher sein, dass wir wissen, wie wichtig diese Arbeit hier ist“, sage Klemm. „Das muss sich jetzt aber überall herumsprechen. Es wäre eine Schande, wenn es im Café Bickolo zu Abstrichen käme."
Foto(s): Hans-Will Hermans