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400 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Mülheim am Rhein: Unterhaltsam, informativ, kurzweilig – Gesprächskonzert zum Start in die Festwoche

Dass klassische Musik neben all ihrer Komplexität auch sehr vergnüglich sein kann, das zeigte das Gesprächskonzert, zu dem die Evangelische Kirchengemeinde Mülheim am Rhein in die katholische Liebfrauenkirche an der Adamsstraße geladen hatte. Dort stand die Kantate „Lobet Gott in seinen Reichen“ von Johann Sebastian Bach, besser bekannt als „Himmelfahrts-Oratorium“ auf dem Programm. In einem munteren ersten Teil stellte Kirchenmusikdirektor Christoph Spering das Werk, seine Entstehung und seine Besonderheiten vor, im zweiten Teil wurde dann das komplette Stück aufgeführt. Mit diesem Gesprächskonzert am Vorabend des Himmelfahrtstages eröffnete die Gemeinde auch ihre Festwoche anlässlich des 400-jährigen Bestehens.

Verwendung bestehender Vorlagen
Aufs Glatteis führte Spering die mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörer zunächst, denn die ersten Töne, die die Mülheimer Kantorei, begleitet vom „Neuen Orchester“, anstimmte, gehörten gar nicht zum „Himmelfahrts-Oratorium“. „Das war die weltliche Vorlage des Oratoriums“, klärte der Dirigent das Publikum auf, um die Anwesenden sodann in die Zeit Bachs und der damaligen kulturellen Gepflogenheiten zu entführen. „Bach war ein Vielschreiber. Er komponierte ein bis zwei Kantaten pro Woche, viele davon für Gottesdienste, also mit geistlichen Texten und Themen.“ Da er aber zu Lebzeiten bei vielen Zeitgenossen als „alter Zopf, als langweiliger Komponist“, so Spering, galt, hat er sich auch im weltlichen Bereich versucht. In Kaffeehäusern in Leipzig fanden regelmäßig weltliche Konzerte statt, bei denen dann auch Werke von Bach gespielt wurden. Und aus diesen Vorlagen hat der Komponist sich dann für das „Himmelfahrts-Oratorium“ bedient. Das Stück wurde am Himmelfahrtstag, dem 19. Mai 1735 uraufgeführt.

Durchdachte Komplexität
Es gibt aber noch mehr Verweise in dem Stück. Auch das nicht minder bekannte Bachsche „Weihnachts-Oratorium“ fand durch eine Reihe musikalischer Verweise Einzug in das „Himmelfahrts-Oratorium“. Alle diese Parallelen erläuterte Spering nicht nur, sondern dokumentierte sie auch durch kurze Musikbeispiele, bei denen Chor, Orchester und die Solisten Martina Lins-Reuber (Sopran), Susanne Kelling (Alt), Lothar Blum (Tenor) und Achim Hoffmann (Bass) präzise wie ein Computer die jeweiligen Passagen anspielten und -sangen. „Bach war so etwas wie ein Trienekens seiner Zeit, was die Verwertung betrifft“, scherzte Spering zusammenfassend und fügte keck hinzu: „Sie dürfen ruhig lachen, der Pastor hat es erlaubt.“ Doch nicht nur die Verwendung musikalischer Vorlagen war Thema der Einführung. Auch die Erläuterung besonderer Eigenarten und Techniken, um Gefühle zu beschreiben und eine bestimmte Emotionalität zu erzielen, gehörten zu dem Gesprächskonzert und wurden anhand von Hörbeispielen vorgestellt. „Da steckt einfach mehr drin als ,gefällt mir‘ oder ,gefällt mir nicht'“, betonte Spering die durchdachte Komplexität des „Himmelfahrts-Oratoriums“. „Je mehr man sich damit beschäftigt, desto mehr stellt man fest.“

Gute und enge ökumenische Kontakte
Von dieser durchdachten Komplexität konnten sich die Zuhörer dann im zweiten Teil des Konzerts überzeugen, als das „Himmelfahrts-Oratorium“ komplett durchgespielt wurde. Dabei machte sich dann auch die hervorragende Akustik in der Liebfrauenkirche bemerkbar. Die war aber nur ein Grund dafür, das Gesprächskonzert hier stattfinden zu lassen. Ein weiterer war die Betonung der guten, engen Kontakte zwischen evangelischer und katholischer Gemeinde, die auch in der Festwoche zum Jubiläum betont werden sollen. Einen Tag später, am Himmelfahrtstag selbst, wurde das Stück dann noch einmal beim Festgottesdienst in der evangelischen Friedenskirche aufgeführt. Dabei lag der Schwerpunkt weniger auf der Musik als auf der historischen Bedeutung des Tages: Am Himmelfahrtstag 1610, vor 400 Jahren also und 125 Jahre vor der Uraufführung des „Himmelfahrts-Oratoriums“, fand in Mülheim der erste öffentliche und freie protestantische Gottesdienst statt.

Ausblick: Krimi, Musik, Theater und ein Open-Air-Gottesdienst
Musikalisch geht es in der Festwoche weiter mit einem Barock-Konzert am Samstag, 15. Mai. Ab 17 Uhr spielt das Ensemble „Pasticcio“ unter dem Titel „Sans Souci“ Werke der Barockzeit im evangelischen Andreae-Haus, Graf-Adolf-Straße 22. Der große Jubiläumsgottesdienst findet am Sonntag, 16. Mai, ab 11 Uhr in der Friedenskirche statt. Die Predigt hält Pfarrerin Petra Bosse-Huber, Vize-Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Ebenfalls am 16. Mai bieten die AntoniterCityTours eine Stadtteilführung an. Treffpunkt ist um 14 Uhr die Friedenskirche, Wallstraße 70. Am Mittwoch, 19. Mai, ist das Kindertheater „Theaterta“ zu Gast und führt ab 16 Uhr das Stück „Der Stier Ferdinand“ auf. Krimi-Autorin Brigitte Glaser kommt am Donnerstag, 20. Mai, und stellt ab 20 Uhr ihren Roman „Mordstafel“ vor. Viel zu lachen gibt es dann am Freitag, 21. Mai. Das Kirchenkabarett „Klüngelbeutel“ tritt ab 19.30 Uhr auf. Alle drei Veranstaltungen finden in der Friedenskirche statt. Höhepunkt der Festwoche ist der große Open-Air-Gottesdienst am Samstag, 22. Mai, ab 18 Uhr auf dem Wiener Platz. Zuvor kommen die sechs Töchtergemeinden, die aus der Mülheimer Gemeinde hervorgegangen sind, in einem Sternmarsch bis zum Mülheimer Zentrum. Die Predigt hält Altpräses Manfred Kock. Zum Ausklang wird das Stück „Abendglühen“ von Markus Stockhausen aufgeführt. Den Schlusspunkt bildet ein ökumenischer Gottesdienst am Pfingstmontag, 24. Mai, ab 11 Uhr in der Friedenskirche.

Text: Jörg Fleischer
Foto(s): Fleischer