Unsere Archivalien des Monats

Archivale März: Wasser im Archiv – so verhalte ich mich im Notfall richtig

Wir alle kennen das: Jedes Jahr erhalten wir in unserem beruflichen Alltag eine Sicherheitsunterweisung und üben in regelmäßigen Abständen ein, wie wir uns beispielsweise bei einem Feueralarm verhalten sollen. Eigenschutz sowie der Schutz und die Rettung von Personen sind dabei ganz elementar. Diese Übungen sind sehr wichtig, da sie Hemmungen abbauen und eine gewisse Sicherheit und vielleicht sogar Ruhe in die Hektik bei einem Notfall bringen.

Ruhe bewahren, gilt es auch in Situationen, wie wir sie im Sommer 2021 erlebt haben. Der starke Regenfall ließ Flüsse über die Ufer treten und ganze Städte unbewohnbar zurück. Auch viele Archive waren betroffen. Das Eindringen von Wasser ist die größte Gefahr für Archive. Daher ist es wichtig zu wissen, wie man sich im Ernstfall verhalten sollte.

Beim E-Learning-Kurs gibt’s viele Tipps

Es haben sich verschiedene Notfallverbünde für Kultureinrichtungen gebildet, die für ihre Mitglieder regelmäßig Notfallübungen anbieten. Zusätzlich gibt es nun einen E-Learning-Kurs, der vom LVR und Partnern erarbeitet wurde und der die verschiedenen Schritte bei Eintritt eines Notfalls beschreibt, erläutert und durch anschauliche Beispiele visualisiert. Außerdem bietet er Tipps, wie beispielsweise einem Wassereinbruch vorgebeugt werden kann.

Der Kurs bietet außerdem die Möglichkeit, verschiedene Ablaufpläne zu downloaden und bei Bedarf an die eigenen Bedingungen anzupassen. Zugänglich ist der Kurs derzeit unter https://bestandserhaltung.eu/ und wird im Laufe des Frühjahrs auch auf der Seite der LVR-Archivberatungsstelle abrufbar sein.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Screenshot Internetseite

Archivale Februar: Das Haus der evangelischen Kirche

Mehr als 60 Jahre befindet sich das Haus der evangelischen Kirche nun in der Kartäusergasse. Zeit, einen Blick zurück zu werfen. Wie in der Archivale von Oktober 2021 berichtet (s.u.) unterlag dieses Gelände seit dem 18. Jahrhundert einer wechselvollen Benutzung. Ursprünglich diente das Gelände Kartäusermönchen als Lebensort. Unter Napoleon wurden die Klöster enteignet und anderen Bestimmungen zugeführt. So auch das Kartäuserkloster in der Südstadt. Es wurde für militärische Zwecke, zum Lazarett und Pferdestall, umgestaltet. Auch die preußische Regierung nutzte das Gelände weiterhin als militärische Einrichtung. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden Teile des Gebäudes vom städtischen Finanzamt genutzt.

Während des Zweiten Weltkriegs erlitt Köln mehrere schwere Luftangriffe, die die Stadt großteilig zerstörten. Auch das Kartäusergelände sowie der Verwaltungssitz des Gesamtverbandes der evangelischen Kirchengemeinden im Kirchenkreis Köln, Vorgängerinstitution des evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region, in der Antonsgasse 10 wurde zerstört. Es wurde daher dringend nach Ersatz gesucht.

Wiederaufbau der Gebäude

Nach mehrfachen Umzügen der Verbandsverwaltung und langjährigen Verhandlungen mit der Stadt konnte der Gesamtverband das Gelände erwerben und die Gebäude wiederaufbauen. 1960 hielt Hans Encke, Superintendent des Kirchenkreises Köln, einen feierlichen Gottesdienst zur Einweihung des Hauses der evangelischen Kirche in der Kartäuserkirche. Bis heute hat der evangelische Kirchenverband im Haus der evangelischen Kirche in der Kartäusergasse seinen Sitz. Sie finden hier nicht nur die Verwaltung, sondern auch verschiedene Ämter wie das Amt für Presse und Kommunikation, die Telefonseelsorge sowie das Schulreferat und das Pfarramt für Berufskollegs.

Bei Interesse an der Geschichte des Hauses, des Verbandes, seiner Ämter und Einrichtungen sowie wichtigen evangelischen Persönlichkeiten besuchen Sie gerne das Archiv des Verbandes, das sich auch im Haus der evangelischen Kirche befindet.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Quelle: Rheinische Bildstelle Nr. L1122/22, Aufnahme:1956

Archivale Januar: Studio ECK und das Landesrundfunkgesetz von 1986

Das Studio Eck kennen viele Kölnerinnen und Kölner aus dem Radio – es ist im vergangenen Jahr 30 Jahre alt geworden. Seine Ursprünge liegen Anfang der 1990er Jahre. Studio Eck gehört zum Bürgerfunk. Dieser entwickelte sich Ende der 1980er Jahre. In NRW können interessierte Bürgerinnen und Bürger Radiobeiträge zu selbstgewählten Themen produzieren, um sie im Lokalradio zu senden. Sie organisieren sich in Bürgerfunkgruppen oder Redaktionsteams, die sich zur Produktionshilfe an Radiowerkstätten wenden.

Möglich wurde diese Beteiligung der Bürgerinnern und Bürgern durch das Landesrundfunkgesetz aus dem Jahr 1986. Unter §4 wurden die Radiosender dazu verpflichtet 15 Prozent ihrer täglichen Sendezeit, mindestens 60 min, maximal zwei Stunden, für die Ausstrahlung von Beiträgen, die von radiointeressierten Gruppen produziert wurden, zu senden.

Mehr Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft

Auch in der rheinischen Landeskirche plante man Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre eine kirchliche Beteiligung im Radio. Zusammen mit dem Erzbistum Köln verhandelte man mit Radio NRW über die Ausstrahlung von Verkündigungssendungen. In Köln stieß diese Idee zwar auf Interesse, jedoch wollte man lieber eigene Beiträge produzieren. Dieser Bitte wurde durch die Landeskirche stattgegeben. Man wollte den evangelischen Gemeinden in Köln und Umgebung die Möglichkeit eröffnen, ihre Gemeinde, Jugendgruppen, verschiedene Projekte etc. vorzustellen und über das Medium Rundfunk mehr Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, die „durch den gemeinsamen Wohnsitz miteinander verbunden sind“, ermöglichen.

Kassettenrekorder und Mikrofon

Vorgesehen war, dass die Gemeinden und Kreise ihre Beiträge mit Kassettenrekordern und Mikrofonen aufnahmen. Diese Rohfassungen wurden im Anschluss im professionell ausgestatteten Studio im Haus der evangelischen Kirche zu sendefähigen Beiträgen bearbeitet. Um die evangelischen Kirchengemeinden professionell zu unterstützen, richtete der evangelische Stadtkirchenverband eine Referentenstelle für lokalen Rundfunk ein. Dieses Referat war dem Amt für Presse und Rundfunk (Vorgänger des Amtes für Presse und Kommunikation) angebunden.

Neben der Aufbereitung der Sendebeiträge bot das Referat verschiedene Fortbildungsveranstaltungen an, beteiligte sich an Gesprächen und Planungen im Lokalem Rundfunk mit den Mitgliedern in den Veranstaltergemeinschaften, den Vertretern der Verleger, der Lokalfunk-Fördervereine, der Volkshochschule, der Stadt Köln und des Adolf-Grimme-Instituts. Als erstes großes Projekt wurde „Geschichte und Gegenwart der Evangelischen Kirche in Köln“ durchgeführt. Zunächst wurden die Beiträge nur im Lokalradio Köln ausgestrahlt.

1992 gründete sich ein Förderverein Studio Eck e.V., der die Aufgaben des Referats übernahm. Heute hat das Studio Eck seinen Sitz im Kartäuserwall zusammen mit der Melanchton-Akademie und veröffentlicht seine Beiträge auch bei Radio Erft. Dem Verein gehören aktuell 25 evangelische Gemeinden an.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Archivale Dezember: „Es werde Licht“

Die Adventszeit ist eine schöne, helle und glanzvolle Zeit. In dieser Jahreszeit genießt man die schönen Lichter, die entweder in den Häusern, Wohnungen oder auf den Straßen zu sehen sind. Gerne ist man dabei gesellig. Besonders am Heiligabend verbringt man die Zeit gerne mit Freunden und der Familie.

Viele Menschen verschicken zu dieser Zeit auch gerne noch handgeschriebene Weihnachtskarten oder Briefe. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte das Briefeschreiben zum wichtigsten Kommunikationsmittel. Einen solchen Weihnachtsbrief haben wir in unserem Bestand 10 der evangelischen Bibliothek. Eine Dame aus Dillheim schreibt ihrer Mutter, die die Festtage bei Verwandten in Aken, Sachsen-Anhalt, verbringt. Sie schildert ausführlich, welche Geschenke sie und ihr Mann von der Verwandtschaft erhalten haben, darunter: neben zahlreichen Lebensmitteln und Süßigkeiten, Zigarren und Schnaps für den Mann, Briefpapier, Seife, Bücher und eine Glasbüchse böhmischer Arbeit.

Ferner berichtet sie von verschiedenen Ereignissen, wie der Verlobung eines Onkels, der Grippe eines Nachbarn und über eine durch Frost beschädigte Wasserleitung.

Ihrem Brief beigelegt ist ein weiterer Brief eines Verwandten an die Mutter. Dies ist für diese Zeit nicht verwunderlich, da auf diese Weise Geld gespart werden konnte. In dem Brief wird ein ganz besonderes Ereignis hervorgehoben, dass für die meisten Menschen heutzutage eine Selbstverständlichkeit ist: das Licht. Der Ausdruck steht für das elektrische Licht. Bis zum Beginn des 20. Jahrhundert wurden vorwiegend die von Thomas Edison entwickelten Lampen mit Glühfäden aus Bambuskohlefasern (1879), die eine deutlich längere Brenndauer aufwiesen als andere Lichtquellen, verwendet. Ferner schaffte Edison es ein komplettes System von Stromerzeugung, Verteilung, Schaltern und Sicherungen zu entwickeln, das sowohl für die Industrie als auch für Privathaushalte nutzbar war. In Deutschland dauerte es bis in die 1940er Jahre bis alle Städte und auch Dörfer an das neue Stromnetz angeschlossen waren. Dies hing wesentlich mit den zunächst hohen Anschlusskosten an das Stromnetz zusammen, so dass elektrisches Licht als Luxusgut betrachtet wurde. Ferner war das Gasglühlicht in den Städten sehr verbreitet. Erst der hohe Nutzen des elektrischen Lichts für die Industrie verhalf zum Durchbruch.

„Feenhafter Glanz in unserer Hütte“

Welche Wirkung der Einsatz des elektrischen Lichts auf die Menschen hatte, lässt sich in dem Brief deutlich herauslesen. So nennt der Schreiber es eine neue Kulturerrungenschaft, die sowohl Klein als auch Groß gleichermaßen fasziniert:

„Ich war gerade in Katzenfurt bei einer Weihnachtsfeier der Kinder dort und sagte ein Lied vor, da ging in der Mitte des Lieds das Licht an. Alle Andacht u. Aufmerksamkeit war bei Alt und Jung dahin, und ich mußte eine längere Pause eintreten lassen, bis all die Ah`s und Oh`s sich einigermaßen gelegt hatten.“

Auch im Pfarrhaus in Dillheim wurde zu Weihnachten 1921 das Licht angeschaltet, so dass ein „feenhafter Glanz in unserer Hütte“ vorhanden war. Die Schönheit des Lichts und Freude darüber lassen zu diesem Zeitpunkt noch über kleinere Ausfälle und Störungen hinwegsehen.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Archivale November: Abendmahl mit Einzel- oder Gemeinschaftskelch?

Hygienischer und sicherer – oder Störung des Gemeinschaftsgefühls? Die Frage, ob das Abendmahl mit Gemeinschaftskelch oder Einzelkelch durchzuführen sei, erhitzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Gemüter in vielen evangelischen Gemeinden im In- und Ausland. Ausgangspunkt der Diskussionen im Deutschen Reich bildete die Aussage von Prof. Dr. A. Moeller-Belzig, dass die Abendmahlsfeier in seiner derzeitigen Form (Gemeinschaftskelch) die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder Influenza mitfördere. Tuberkulose zählte im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den am häufigsten auftretenden Krankheiten oft mit Todesfolge bei der sozial schwächeren Bevölkerung.

Ferner wurde auch aus einigen Gemeinden berichtet, dass Gemeindemitglieder aus Sorge um ihre Gesundheit nicht an der Abendmahlsfeier teilnähmen oder nur mit einem unguten Gefühl. Zwei Lager bildeten sich aus. Die Gegner der Einführung eines Einzelkelchs beriefen sich zum einen darauf, dass es keinen medizinischen Beweis für die Behauptung der Infektionsausbreitung gäbe. „Die Gefahr am Altar kann selbst der Gefahr nicht gleichkommen, der wir täglich (im Alltag) ausgesetzt sind, wo wir alle möglichen und unmöglichen Bazillen verschlucken.“

„Gefahr der Gemeinde- und Familienspaltung“

Zum anderen sahen sie die „Gefahr der Gemeinde- und Familienspaltung“. Die Ungewissheit der praktischen Durchführbarkeit der Einführung des Einzelkelchs wurde dazu genutzt ein Bild zu skizzieren, in dem die Abendmahlsfeier zu einer „Wirtschaftsmanier“ herab degradiert werde. Jedes Gemeindemitglied, so die Vorstellung, würde seinen eigenen Kelch zur Abendmahlsfeier mitbringen. Das Herausholen und Präsentieren der eigenen Kelche würden den Sinn, die Feierlichkeit und die Gemeinschaft stören. Die Befürworter sahen hingegen neben dem Hygieneaspekt eher eine Verbesserung des Gemeinschaftsgefühls, da jedes Gemeindemitglied ohne Sorge am Abendmahl teilnehmen könne.

„Maßregel zum Schutz des Segens am Tische des Herrn“

Auch in der evangelischen Gemeinde Köln wurde sich im Jahr 1904 ausführlich mit diesen Diskussionen auseinandergesetzt. Als Anschauungsobjekt diente dem Presbyterium die evangelische Gemeinde in Bergisch Gladbach. Diese hatte bereits das Abendmahl mit Einzelkelch eingeführt und ließ dem Presbyterium der evangelischen Gemeinde Köln einen Bericht zu kommen. Darin heißt es „Der Einzelkelch beseitigt daher alle Gefühle des Unbehagens, Widerwillens und Ekels, die bei dem Gebrauch des gemeinsamen Kelches sehr leicht entstehen und allen Segen des Abendmahls hinwegnehmen können. Der Gebrauch von Einzelkelchen ist also auch eine Maßregel zum Schutz des Segens am Tische des Herrn.“

Die Bedeutung des Abendmahls als Gedächtnismahl an Jesus Christus werde durch die neue Praxis nicht geschmälert. Eine Entscheidung fällte das Presbyterium jedoch erst im Jahr 1910. Das Presbyterium und die größere Gemeindevertretung entschlossen die Einführung des Einzelkelchs unter Berücksichtigung folgender Punkte: 1. die Abendmahlsfeier mit Einzelkelch sollte zunächst nur in Nebengottesdiensten stattfinden. Bestimmt wurden dafür die Gottesdienste zum Totenfest (Totensonntag), am Mittwochabend in der Passionszeit, am Gründonnerstagabend und an einem Sonntagabend in der Mitte der festlosen Zeit des Kirchenjahres. 2. Privatkelche wurden nicht zugelassen und 3.

Die Teilnehmenden sollten sich an einen genauen Ablaufplan halten, der im Vorfeld festgelegt wurde. Der erste Abendmahlsgottesdienst mit Einzelkelch fand in der Christuskirche am 20.11.1910 statt. 110 Teilnehmenden wurden dabei gezählt.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Archivale Oktober: „Was du heute kannst besorgen…“

„Was du heute kannst besorgen, verschiebe lieber nicht auf morgen“: Diesen weisen Spruch kennen wir alle. Er erinnert uns an Aufgaben oder Besorgungen, die besser früher als später angegangen werden sollten.

So ist es auch beim Schutz von Kulturgut. Einrichtungen wie Archive haben die gesetzliche Aufgabe neben der Bewertung, Erschließung und Nutzbarmachung Archivgut im Original zu erhalten und dauerhaft aufzubewahren. Der fachliche Begriff dazu lautet Bestandserhaltung. Darunter fallen alle Maßnahmen und Bedingungen, die notwendig sind, um historische und rechtlich relevante Dokumente im Original zu erhalten. Wesentliche Faktoren sind das Magazin (Aufbewahrungsort für Archivgut) sowie das Klima (Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit).

Umverpackung in alterungsbeständige Mappen und Kartons

Auch das Archivgut selbst sollte aus seiner ursprünglichen meist säurehaltigen Verpackung – wie beispielsweise Leitz-Ordnern – entnommen werden und in alterungsbeständige Mappen und Kartons umverpackt werden. Diese Maßnahmen schützen das Archivgut vor diversen Schäden und reduzieren erhebliche finanzielle Aufwände für die Behebung von Schäden.

Worauf dabei im Einzelnen zu achten ist, zeigt ein E-Learning-Kurs der Archivberatungsstelle des LVR unter www.bestandserhaltung.eu/home. Die einführenden Texte und Videos bieten einen guten Einstieg in das Themenfeld der Bestandserhaltung. Sie sind gut und leicht verständlich. Eine Vertiefung einzelner Themen kann anhand der verlinkten Literatur selbstständig gemacht werden.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Bildschirmfoto von www.bestandserhaltung.eu/home

Archivale September: Die Diakonissen erforschen die Bedürfnisse der Armen und Kranken

Die Sorge um Arme und die Pflege der Kranken gehören seit jeher zum Christentum und Gemeindeleben dazu. Traditionell werden diese Aufgaben durch Diakone in den Gemeinden übernommen. Die zu bewältigenden Aufgaben sind äußert vielseitig und bedürfen eines gewissen Know-Hows.

Im 19. Jahrhundert, als die Gemeindegliederzahl stieg und auch die Anzahl der Bedürftigen, wurden den Diakonen der evangelischen Gemeinde Köln zunächst Gemeindehelfer und ab 1894 Diakonissen, die eine Ausbildung in einem diakonischen Mutterhaus wie der Diakonieanstalt Kaiserswerth absolviert hatten, zur Seite gestellt. Damit sich die Einsatzbereiche der Akteure in der Armenpflege nicht überschnitten, war es notwendig Reglungen aufzustellen.

Erforschung der Bedürfnisse der Armen und Kranken

Die evangelische Gemeinde Köln schloss daher einen zwölf Paragraphen umfassenden Vertrag mit dem Kaiserswerther Mutterhaus. Darin wurden Rechte und Pflichten beider Vertragspartner aufgeführt.

Das Aufgabenfeld der Schwestern wurde darin wie folgt beschrieben:

„Die Diakonissen suchen die Armen und armen Kranken der Gemeinde oder konfessionell gemischter Ehen in ihren Bezirken auf mit besonderer Berücksichtigung derjenigen Fälle, wo weibliche Hilfeleistungen notwendig sind, erforschen die Bedürfnisse der Armen und Kranken, geben den Angehörigen Anleitung zur Pflege, nehmen die Gesuche um Unterstützung an und sorgen nach Kräften für die Befriedigung der ermittelten Bedürfnisse durch eigene Bemühung, Fürsprache und Verwendung bei den Gliedern der Gemeinde und so weiter.“

Für diese Dienste verpflichtete sich die evangelische Gemeinde, im Gegenzug ein Stationsgeld an das Mutterhaus zu zahlen sowie für das Wohlergehen der Schwestern Sorge zu tragen. Dazu gehörte die Zurverfügungstellung einer Wohnung mit Mobiliar, Zahlung eines Gehalts sowie die Gewährung von Urlaub.

Dass die genannten Aufgabengebiete variieren konnten, macht der Einsatz von Schwestern nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich. In manchen Gemeinden beispielsweise in Brühl kümmerte sich die Gemeindeschwester zusätzlich um die Verteilung und Abrechnung der Spenden des Hilfswerks und trat auch für die evangelischen Belange in den kommunalen Hilfsausschüssen ein. Wiederum in anderen Gemeinden half sie bei der Abhaltung von Kindergottesdiensten. Teilweise erteilten Diakonissen auch Religionsunterricht.

Mit der Entwicklung vielfältiger sozial-diakonischer Angebote und Einrichtungen verschiedener Trägerschaften im Laufe der Zeit ging die Anzahl der diensttuenden Diakonissen in der evangelischen Gemeinde Köln immer stärker zurück.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Archivale August – Zweiter Weltkrieg: Ohne Straßenbahn kein Gottesdienst

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Köln mehrere hundert Male bombardiert. Die schwersten Angriffe erfolgten zwischen 1942 und 1945. Die Stadt glich einem Trümmerfeld: Mehr als 40 Prozent der Stadt und mehr als 90 Prozent der Gebäude in der Innenstadt waren zerstört. Die Versorgung der Bevölkerung mit Energie, Wasser und Verkehrsmitteln wurde mit jedem Angriff schwieriger. Auch in den evangelischen Gemeinden gestaltete sich die Situation sehr schwer:

Von 150 Kirchen waren 91 vollständig zerstört und 52 beschädigt. Viele Gemeindemitglieder waren teilweise aus Köln geflohen, im Krieg oder ums Leben gekommen. Pfarrer waren zum Kriegsdienst eingezogen worden oder auch geflohen, so dass eine seelsorgliche Unterversorgung eintrat. Die Folge, die verbliebenen Pfarrer teilten den Dienst in den Gemeinden unter sich auf. Auch die Gemeindemitglieder waren auf Grund der Zerstörung vieler Gotteshäuser dazu genötigt weitere Entfernungen zu überwinden, wenn sie an einem Gottesdienst teilnehmen wollten.

Verkehrsnetz schwer beschädigt

Verkehrsmittel wie Autos, Fahrräder oder Straßenbahnen standen durch die schweren Angriffe immer weniger zur Verfügung, so dass die Strecken zu Fuß zurückgelegt werden mussten. Ein schnelles Wiederaufleben des Straßenbahnverkehrs wurde durch die vielen Trümmer in den Straßen, auf den Schienen und das Fehlen der Fahrleitungen erheblich erschwert. Ferner waren auch die Rheinbrücken (Deutzer, Mülheimer und Hohenzollernbrücke) zerstört.

Diese schlechte Gesamtsituation führte dazu, dass teilweise Gottesdienste sonntags nicht stattfinden konnten, da die Pfarrer nicht rechtzeitig oder gar nicht kommen konnten. Die Einstellung des Straßenbahnverkehrs am Sonntagmorgen erschwerte die Situation noch zusätzlich.

Erst ab 1945 ging es langsam vorwärts. Sowohl links- als auch rechtsrheinisch wurde der Verkehr schrittweise wieder in Betrieb genommen, so dass 1947 wieder 75 Prozent des Vorkriegsnetzes befahrbar war. Mit dem Wiederaufbau der Brücken war dann auch wieder eine Verbindung zwischen den Gemeinden links- und rechtsrheinisch möglich.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann/Fotosammlung des Archivs der ev. Kirchengemeinde Köln

Archivale Juli: Ein unerwarteter Fund

Bei Aufräumarbeiten im Magazin stößt man manchmal auf Unerwartetes. So entdeckte Stefanie Sternemann einen kleinen schmalen, blaufarbigen Einband ohne Titel. Im Inneren befindet sich ein gefalteter Druck übertitelt mit „Abbildung des denkwürdigen Festaufzuges zu Leipzig am Gedächtnistag der Reformation den 31.October im Jahr 1830“. Es ist eine Miniaturdarstellung des Rollbildes vom Illustrator und Kupferstecher Christian Gottfried Heinrich Geißler (1770-1844), welches den Festzug darstellt, der in Erinnerung an das Augsburger Bekenntnis 1530, in Leipzig im Jahr 1830 unter reger Beteiligung des Militärs, der Geistlichkeit, der Handwerkszünfte und Vertretern der Universitäten und Schulen durchgeführt wurde.

1830 fand das 300. Jubiläum der confessio augustana statt, die Philipp Melanchton auf dem Reichstag zu Augsburg Kaiser Karl V. übergab. Die Schrift unterteilt sich in 28 Artikel, die sich im ersten Teil mit den Hauptartikeln des Glaubens und der Lehre und im zweiten Teil kritisch mit den Regelungen in der Kirche auseinandersetzen. Kaiser Karl V. ließ das Augsburger Bekenntnis durch Johannes Eck widerlegen und bestätigte das Wormser Edikt. Nichtsdestotrotz übernahmen verschiedene Fürsten die Schrift für sich und ihr Fürstentum und bildeten den Schmalkaldischen Bund unter der Führung von Hessen und Kursachsen.

Festzug zum 300. Jubiläum in 32 kolorierten Radierungen

Das Rollbild von Christian Geißler hält den Festzug zum 300. Jubiläum in 32 kolorierten Radierungen fest, die zusammen eine über 18 Meter lange Papierbahn ergeben. Die vorliegende Darstellung des Kupferstichs hingegen misst die Maße 50×39 cm. Unter den Bildern findet sich eine handschriftliche Erklärung zum dargestellten Zug. Sie beginnt oben links, wobei die Erläuterungen nicht auf jedes Bild eingehen. Die Reihenfolge der Mitglieder des Zuges lässt sich bei näherer Betrachtung auch durch die Blickrichtungen der dargestellten Personen und Fahnen erkennen. Die verschiedenen teilnehmenden Gruppen lassen sich anhand ihrer Kleidung und Fahnen identifizieren. Als Hilfestellung verfügt jedes Bild über eine im Original handschriftliche Benennung der gezeigten Gruppe als Beispiel die Gruppe der Zöglinge in langen blauen Mänteln und weißen Hosen sowie einer Kopfbedeckung.

Vermutlich erhielt die evangelische Gemeinde Köln dieses Werk als Geschenk und so gelangte er ins Archiv des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Hier wird der historische Altbestand der evangelischen Gemeinde Köln aufbewahrt.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Archivale Juni: Schulstart mit Hindernissen

Die Machtergreifung Adolf Hitlers und die Ausweitung nationalsozialistischer Ansichten im gesellschaftlichen Leben trafen auch die konfessionsgebundenen Schulen und kirchlichen Jugendverbände. Die nationalsozialistischen Machthaber wollten den Einfluss der Kirchen auf Kinder und Jugendliche auf diese Weise einschränken oder gänzlich unterbinden. 1938 wurden die Konfessionsschulen ersetzt durch Gemeinschaftsschulen ohne Religionsunterricht.

Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es wieder möglich, an die Einrichtung des Religionsunterrichtes in den regulären Lehrplan zu denken. Es wurden auch wieder Überlegungen angestellt, konfessionsgebundene Schulen zu eröffnen. Grundlage bildete die durch die britische Militärregierung erlassene Schulanweisung, die den Religionsunterricht wieder als reguläres Schulfach in den Lehrplan der Schulen aufnahm und er sollte auch nach Möglichkeit in der regulären Schulzeit im Schulgebäude stattfinden. Voraussetzung: Schüler und Schülerinnen durften nicht zur Teilnahme am Religionsunterricht oder am Schulgottesdienst gezwungen werden.

Die Militärregierung ließ die Schulform offen, so dass im Stadtgebiet Köln 1946 eine Befragung von Eltern bezüglich der Einführung einer evangelischen Bekenntnisschule durchgeführt wurde. Das Ergebnis zeigt die Archivale des Monats. Insgesamt wurden Eltern von 6444 Schülerinnen und Schülern von 46 Schulen befragt, wovon sich insgesamt 3651 für eine evangelische Bekenntnisschule wünschten. Die tabellarische Aufzählung zeigt jedoch auch deutlich, dass die Beteiligung sehr mäßig war. Dieses Ergebnis sollte gemäß Pfarrer von Staat, der im Amt für Schule und kirchliche Unterweisung des Gesamtverbandes evangelischer Kirchengemeinden im Kirchenkreis Köln mitarbeitete, einen Weckruf für die Verantwortlichen darstellen.

Mangel an Religionslehrenden

Laut seiner Ansicht fehle es in den evangelischen Kirchengemeinden an Engagement, so dass er eindringlich die Pfarrer dazu aufrief, an Ostern, die Eltern nochmals zu bitten ihre Kinder für eine evangelische Bekenntnisschule anzumelden und somit das Projekt nicht scheitern zu lassen. Doch es fehlte nicht nur an Anmeldungen, sondern auch an Lehrkräften. Auf beispielsweise 4254 Schülerinnen und Schüler kamen vor dem Krieg 42 Lehrkräfte. Nach Kriegsende waren es deutlich weniger.

In Fühlingen, Volkhoven, Merkenich, Niehl, Worringen und Tenhoven konnte auf Grund des Lehrermangels kein evangelischer Religionsunterricht erteilt werden. Um den Religionsunterricht an den Volks- sowie weiterführenden Schulen wie Berufsschulen zu stemmen, wurden neben Lehrern, auch Katecheten, Pfarrer und Studienräte eingesetzt. Diese mussten jedoch vorher durch die Landeskirche als Lehrpersonen anerkannt worden sein.

Kontinuierlich wurde an der Verbesserung der geschilderten Lage gearbeitet. Die Mitarbeitenden des Amts für Schule und kirchliche Unterweisung besuchten regelmäßig verschiedene Schulen, um mit den Lehrkräften vor Ort zu sprechen und gestalteten das Angebot des Amtes nach den Bedürfnissen. Es wurden neben dem Organisieren von Fachvorträgen, Gespräche mit staatlichen Behörden geführt, gemeinsame Freizeiten durchgeführt sowie Prüfungen von Junglehrern für das Lehrfach Religion abgehalten. Dies trug mit dazu bei, dass sich der Mangel an Religionslehrenden an den Schulen besserte und so konnte auch die Durchführung des Religionsunterrichts gewährleistet werden.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

„Intermusikale“: Jugend – Musik – Begegnung – Archivale des Monats Mai

Wer an laute Musik, Emotionen, Spaß, viel Tanz und Bewegung, Entspannung, Gespräche und Nähe denkt, weiß, worum es geht: Feste. Pandemie-bedingt waren sie nicht möglich. Menschen jeden Alters haben unter dieser Situation gelitten. Doch besonders Jugendliche und junge Menschen haben das unbekümmerte Zusammensein, das gemeinsame Spaßhaben, Musik hören und das Feiern mit Gleichaltrigen auf Partys oder Musikfestivals vermisst.

Die Archivale des Monats erinnert an ein Musik- und Begegnungsfest für Jugendliche im Alter von 14-26 Jahren, das in Köln 1999 stattgefunden hat. „Intermusikale“ war ein Festival, welches unter dem Motto stand: „Jugend-Musik-Begegnung“. Es wurde ausgerichtet durch das evangelische Jugendpfarramt des evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln in Zusammenarbeit mit den Jugendreferenten der vier Kölner Kirchenkreise.

Jugend-Musik-Gruppen aus der ganzen Welt

Junge Musikgruppen aus den evangelischen Gemeinden aus Köln und Umgebung konnten eine Woche lang vom 28.05. bis zum 06.06.1999 mit anderen Jugend-Musik-Gruppen aus der ganzen Welt zusammenkommen und gemeinsam das Festival gestalten und darüber hinaus vernetzt bleiben bzw. sich vernetzen und besser kennen lernen. Gelegenheiten zum Austausch wurden neben der Musik viele geboten wie beispielsweise gemeinsame Museumsbesuche, eine Bootsfahrt über den Rhein und etwas ganz Besonderes, ein Europafest auf dem Alter Markt.

Der Einladung folgten, wie die Programmübersicht zeigt, Musikgruppen aus Polen, Rumänien, Belgien, dem Kongo und den USA, so dass letztlich 13 Jugendbands und -chöre in Köln zusammenkamen. Unterstützt wurde das Projekt auch von der Stadt Köln und der berühmten Kölner A-Cappella Band Wise Guys, deren Auftritt den Abschluss des Festivals bildete.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Gemeindebrief: Eine bedeutende historische Quelle – Archivale des Monats April

„Osterglocken, Lerchenlieder, Engelsflügel auf und nieder.
Welch ein Heben, welch ein Schweben! Sei gegrüßt, erwachtes Leben!
Aus dem dunkeln Raupenkleide grüßt des Falters Lichtgeschmeide
Helle Frühlingswolken ziehen, und auf Grüsten Veilchen blühen,
Aus des Todes finstern Banden Christus siegreich ist erstanden!
Frühling ist`s auf weiter Erden, Ostern soll`s im Herzen werden!“

Kirchlicher Anzeiger der evangelischen Gemeinde zu Köln 1894

Dieses schöne hoffnungsvolle Gedicht stammt aus dem Kirchlichen Anzeiger der evangelischen Gemeinde zu Köln, erschienen am 25.03.1894. Über den Dichter ist nichts bekannt. Seit 1860 besaß die evangelische Gemeinde einen Gemeindebrief. Er erfreute sich großer Beliebtheit, denn erstmalig gab es ein gedrucktes Kommunikationsmedium von der und für die Gemeinde, das viele Informationen zum Gemeindeleben, zu Gottesdiensten, Amtshandlungen, aber auch Nachrichten aus der ganzen Welt enthielt.

Bereits 1861 wurden 2.600 Exemplare gedruckt. Erster Verleger war Pfarrer Hermann Christian Gerhard Edmund Wilhelm Heinrich Henrici (1832-1894) und ab 1865, nach dem Fortgang Henrici nach Bremen, übernahm Pfarrer Justus Heinrich Jakob Bartelheim (1817-1891) die Verantwortung. Ende der 1890er Jahre erschien der Gemeindebrief unter dem Namen „Evangelischer Gemeindebote aus Köln“.

Gemeindebriefe heute

Wie wir wissen, entwickelten sich im Laufe der Zeit immer mehr evangelische Gemeinden in Köln und Umgebung. Auch sie fingen an, eigene Gemeindebriefe herauszugeben. Sodass heute eine Vielzahl an Gemeindebriefen im Archiv überliefert sind, die Einblicke in das vergangene und gegenwärtige Gemeindeleben ermöglichen, Hinweise auf die Gemeindeentwicklung bzw. Veränderung sowie auf und Anhaltspunkte für die eigene Familiengeschichte geben und vieles mehr.

Kommen Sie gerne vorbei und begeben sich auf die Suche. Ergänzendes und weiterführendes Quellenmaterial finden Sie auch beim Archiv der Ev. Kirche im Rheinland.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

 

Archivale März: Arbeiten im Archiv

Modern statt verstaubt: Das Arbeiten im Archiv ist geprägt von Digitalisierung, Offenheit, Austausch und ständiger Weiterentwicklung. Liest man hingegen den Artikel von Anneliese Berkenkamp im „Der Weg“ über das Berufsbild „Archivar“ vom 19. Januar 1969, kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie schildert einen älteren untersetzten Mann, der mehr in der Vergangenheit und Tagträumen lebt als in der Gegenwart, so dass er sogar den Geburtstag seiner Frau vergisst. Er hält an Gewohnheiten fest und mag nur wenig Veränderungen. Ihm sind Kontakte zu anderen Menschen, besonders zu Frauen unangenehm. Wirklich verstanden fühlt er sich nur von den alten Akten und von anderen Archivaren:

„Die Gegenwart verblaßt, und die Zeiten gleiten über ihn hinweg: ja, hier ist er zu Hause, der Wanderer im Ablauf der Geschichte, der selbst nirgends verzeichnet sein wird, hier wächst seine Lust zwischen trockenen knappen Zahlen, hinter denen zusammengeballt breite Welten farbigen Lebens verborgen sind, hier waltet er über Reiche und Persönlichkeiten, ein Diener, des lieben Gottes, der darauf achtet, daß nichts Denkwürdiges verlorengehe.“

Längst wird dieser Beruf nicht mehr nur durch Männer ausgeübt. Männer und Frauen lassen sich zu Archivarinnen und Archivaren ausbilden. Ziel ihrer Bewertungs- und Erschließungsarbeiten von Archivgut ist es, dieses interessierten Bürgerinnen und Bürgern, Forscherinnen und Forschern etc. jeden Alters zugänglich zu machen. Gerne beraten und unterstützen Archivarinnen und Archivare sie bei der Beantwortung ihrer Fragen zur Familiengeschichte, zur Kirchengeschichte, zur Verwaltungsgeschichte – und viele mehr. Der Austausch mit Nutzerinnen und Nutzern sowohl aus der Verwaltung als auch von außerhalb ist sehr wichtig.

Interesse an Geschichte

Archivarinnen und Archivare müssen sich auch immer wieder neuen Herausforderungen stellen, besonders im Zuge der Digitalisierung der Verwaltungen und des alltäglichen Lebens. Neues Wissen über technische Verfahren und Möglichkeiten der Übernahme und dauerhaften Aufbewahrung im Archiv, um auch diese digital vorliegenden Objekte für künftige Generationen zugänglich zu machen, müssen überlegt, erprobt und umgesetzt werden. Folglich ist das Arbeiten in einem Archiv keine starre Angelegenheit, sondern geprägt durch kommunikativen Austausch, Offenheit und Weiterentwicklung. Ein gewisses Interesse an Geschichte gehört natürlich auch dazu.

Das Team des Archivs des Evangelischen Kirchenverbandes heißt Interessierte herzlich willkommen. Man kann pandemiebedingt derzeit nur nach vorheriger telefonischer Anmeldung und/oder E-Mail-Anmeldung vorbei kommen. Das Archiv berät und unterstützt bei wissenschaftlichen und privaten Fragestellungen.

www.koelnerarchive.de

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

 

Archivale Februar: Pfarrer Christian Gottlieb Bruch

Pfarrer Christian Gottlieb Bruch hatte einen besonderen Anteil an der Vereinigung der lutherischen und reformierten Gemeinden in Köln: Er wurde am 14.01.1771 in Pirmasens geboren. Sein Vater, Christian Ludwig Bruch, war Hof- und Feldapotheker. Bruch studierte in Marburg und Jena Theologie. Ordiniert wurde er am 16.08.1789 in Zweibrücken. Nach seiner Zeit als Feldprediger in Bergzabern (1789-1793), übernahm er verschiedene Pfarrstellen in Meisenheim, Trarbach und Veldenz.

Zum Zeitpunkt seines Amtsantrittes als Pfarrer der lutherischen Gemeinde in Köln, am 08.09.1803, fand er zwei evangelische Konfessionen vor, die Lutherische und die Reformierte. Seit 1802 durften protestantische Bürgerinnen und Bürger ihre Religion frei ausüben, doch fehlte es an genügend Platz, so dass sich beide Konfessionen die Antoniterkirche als Gottesdiensthaus und einen Friedhof teilten. Ferner gebrauchten sie ein Gesangbuch, einen Katechismus und auch finanzielle Einnahmen wurden paritätisch verteilt. Auch die Unterricht der Kinder fand in einem gemeinsamen Schulgebäude statt. Ein wesentlicher Unterschied bestand zwischen den beiden Gemeinden vor allem in der Zelebrierung des Abendmahls.

Du sollst sein, teure Gemeinde […] unter Ihm, dem Einen Hirten, Eine einzige Herde!“

Für Pfarrer Bruch war diese Situation nicht haltbar, so dass er sich für die Vereinigung beim Kirchenrat im Sinne der Kabinettsordre König Friedrich Wilhelms III. vom 27.09.1817 (Unionsaufruf), einsetzte. Er bezeichnete die Gemeinschaft der Protestanten als „eine Vereinigung der Liebe, nicht des Wortes und des Ausdrucks, sondern des Herzens, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes.“ Am 30.04.1826 konnte die Union der beiden Konfessionen feierlich begangen werden. Pfarrer Bruch übergab der unierten Gemeinde die Urkunde und hob in seiner Rede die endlich erreichte Vereinigung feierlich hervor.

1823 wurde Bruch in das Amt des Superintendenten des 1817 gegründeten Kirchenkreises Mülheim am Rhein gewählt. Er trat die Nachfolge von Pfarrer Heinrich Wilhelm Mühlinghaus an.

Für sein Engagement wurde Bruch der philosophische Doktorgrad der Marburger Universität und später die Ehrendoktorwürde der Bonner theologischen Fakultät zu teil. Bruch wirkte auch im Rat des Konsistoriums der Provinz Jülich-Cleve-Berg. Er war Schulinspektor und Präses des Kölner Lokalkonsistoriums. Bruch starb am 30. Mai 1836

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

 

Archivale Januar: Kalender, Kalender, Kalender …

„So wie ein Baum ist der Kalender Jahr für Jahr,

mit vielen Blättern dran, am ersten Januar.

Doch jeden Tag wird dann ein neues Blatt vom Wind der Zeit verweht,

bis im Dezember das Jahr zu Ende geht.“ (Kalenderlied von Peter Rubin)

Eine Form des Kalenders bilden die Volkskalender. Seit dem 15. Jahrhundert erschienen sie, zunächst als Einblattkalender und entwickelten sich zu gedruckten Büchern. Neben der Angabe der Monate und Tage eines Jahres, informierte der Kalender über wichtige Ereignisse wie Mond- und Sonnenfinsternisse, die im 15. Jahrhundert wichtig waren für die Terminierung medizinischer Untersuchungen wie dem Aderlass. Wichtige Hinweise wurden auch zu Aussaat- und Erntezeiten, zu Wetterereignissen, zu Maßen und Gewichten, zur Uhrzeit, zu stattfindenden Jahrmärkten und Messen im In- und Ausland sowie zu Umrechnungstabellen gegebenen. Es wurden auch politische Ereignisse des Jahres oder Vorjahres beschrieben. Kurzum der Kalender diente als Medien der Bevölkerung praktisches und politisches Wissen zu vermitteln.

Bei der Gestaltung der Kalender wurde darauf geachtet, nicht zu textlastig zu sein, sondern das geschriebene Wort durch bildliche Darstellungen zu verdeutlichen oder auch zu ersetzen, damit auch Menschen, die des Lesens und Schreibens nicht mächtig waren, anzusprechen und sie zum Kaufen zu bewegen. Die Kalender erschienen als Massenprodukte und waren nicht teuer, so dass jedermann es möglich war einen Kalender zu erwerben.

Die Kalendermacher hatten unterschiedliche Ausrichtungen. Bspw. waren die Kalender politisch geprägt oder auch kirchlich. Als Beispiel dient „Christlicher Volks-Kalender für die evangelischen Gemeinden Köln, Bayenthal, Deutz, Ehrenfeld, Lindenthal, Nippes, Kalk und Porz“, herausgegeben von der Diakonissenanstalt in Kaiserswerth. Auch dieser bietet wie oben beschrieben Informationen zu astrologischen Ereignissen, Märkten, zu Trächtigkeits- und Brutzeiten von Tieren etc. Doch neben diesen auf den Arbeitsalltag bezogenen Hinweisen gab es zu jedem Tag des Jahres eine Losung zur geistlichen und sittlichen Erziehung. Ferner wurden Hinweise zum richtigen Verhalten bei Taufen, Hochzeiten, Konfirmationen, Krankheiten und Sterbefällen gegeben. Außerdem lieferte der Kalender in Buchform notwendige Details zur Struktur und zum Gemeindeleben der evangelischen Gemeinden Köln, Bayenthal, Deutz, Ehrenfeld, Lindenthal, Nippes, Kalk und Porz.

Ferner wurde sich auch politischen und historischen Ereignissen bspw. Ereignisse in den Kolonien, Ausbruch und Verlauf des Ersten Weltkrieges zugewandt.

Die Kalender geben demnach ein Zeugnis historischer Wahrnehmung und Bildungsarbeit ab.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Archivale Dezember: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder“

Wir nähern uns mit großen Schritten Weihnachten. Es durchströmen wieder angenehme Gerüche nach frisch gebackenen Plätzchen, Glühwein und frischen Tannengrün die Häuser und Gassen der Stadt. Mit dem Einbrechen der Dunkelheit erstrahlen vielen Plätze und Häuser in einem Lichtermeer. Zu diesen sinnlichen Eindrücken und Vorboten der Weihnacht gehören auch musikalische Klänge. Diverse Orchester und Chöre lassen weihnachtliche Klänge erklingen. Doch nicht nur in der (vor)weihnachtlichen Zeit begleitet uns Musik. Der Gemeinde- und Chorgesang ist ein wichtiger Bestandteil der Gottesdienste. Leider mussten wir darauf Corona bedingt lange verzichten. Umso schöner ist es den Gemeinde- und Chorgesang in dieser besinnlichen Zeit wieder zu erleben.

Doch seit wann gibt es einen evangelischen Chor in Köln?

Nach dem Zusammenschluss der reformierten und lutherischen Gemeinden in Köln 1825 wurden Versuche unternommen ins Besondere den Gemeindegesang einheitlicher zu gestalten. Dazu wurde ein Gesang- und Choralbuch herausgegeben, welches 120 Melodien beinhaltete. Diese Melodien waren jedoch nicht jedem Gemeindemitglied bekannt, so dass der Gemeindegesang nicht den Erwartungen des Konsistorialrates, nach einem wohlklingenden und stimmigen Gesang, entsprach. Zur Verbesserung sollte zunächst der Organist der evangelischen Gemeinde besser instruiert werden, die Gemeinde durch sein Spiel anzuleiten. Unterstützend sollten zudem evangelische Schullehrer, die eine musikalische Ausbildung besaßen, bereits ihre Schülerinnen und Schüler in der richtigen Ausführung des Gesanges schulen. Die Jugendchöre sangen in Gottesdiensten zunächst die erste Strophe eines Liedes vor und die Gemeinde sollte mit einstimmen.

Im Zuge der Einweihung der Trinitatiskirche 1860 wurde erstmal der Versuch vom Komponisten Max Bruch, dem Enkel des lutherischen Pfarrers Christian Gottlieb Bruch, unternommen einen Kirchenchor zu gründen. Seine Einladung wurde gut angenommen. 1884 entstand der Verein „Evangelisch-kirchlicher Gesangsverein“. Der Verein bestand aus Männern und Frauen. Sie wählten einen Vorstand und erließen Statuten. §1 legt den Zweck des Vereins nieder: „Der „evangelisch-kirchliche Gesangverein“ hat den Zweck, das geistliche Lied zu pflegen, durch dasselbe im Kreise seiner Mitglieder, wie auch nach außen hin, christliches Leben zu wecken und zu fördern und deshalb sowohl beim kirchlichen Gottesdienste, als auch bei außerhalb der Kirche stattfindenden religiösen Festlichkeiten, Versammlungen etc., wenn dieselben auf kirchlichen Boden stehen, event. mitzuwirken.“ Damit war die Basis geschaffen, auch außerhalb des Gottesdienstes als Kirchenchor auftreten zu können.

Mittlerweile hat Köln eine Fülle von Kirchenchören, auf deren Darbietungen man sich nun zur Advents- und Weihnachtszeit besonders freuen kann.

Das Archiv des Evangelischen Verbandes Köln und Region wünscht Ihnen eine besinnliche Adventszeit und frohe Weihnachten.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Archivale des Monats: Geheimnisse eines Buches

Als Archivale des Monats stellen wir diesmal ein ganz besonderes Stück vor. Es handelt sich um einen Prachtband aus dem 19./20. Jahrhundert.

  • Einband

Der Einband besteht aus Leder. Auf der Vorder- und Rückseite befinden sich vier bzw. fünf Buckel aus Messing. Eine Ganzmetallschließe aus Messing hält das Buch zusammen. Auf der Vorderseite prangt mittig auf einem dunkel blauen Samtkissen in Kreuzform der preußische Adler. Auch er ist aus vergoldetem Messingblech gefertigt. Er trägt in seinen Klauen Zepter und Reichsapfel ebenfalls aus Messing. Auf seinem Haupt trägt er eine Krone. Auf der Brust des Adlers befinden sich die Initialen „FR“ Fredericus Rex.

Die schöne und ansprechende Gestaltung findet sich auch im Inneren wieder. Die ersten sechs Seiten widmen sich der Entstehungsgeschichte des Kartäuserklosters. Dabei treten die Satz- und Kapitelanfänge sowie alle Nomen durch eine farblich, kunstvolle Gestaltung hervor. Neue Abschnitte werden durch kunstvolle Linien deutlich gemacht. Angefertigt wurde dieser Teil 1917.

 

  • Fotografien

Im Anschluss finden sich 27 Fotografien, die den Zustand der Kartause als Lazarett dokumentieren.                                                                                                                                                                                            Zu sehen sind beispielsweise das Kapitelhaus als Pferdestall und Lagerraum. Auch diese Bilder stammen aus dem Jahr 1917.

 

 

 

  • Eintragungen

Im letzten Drittel des Buches findet sich noch ein ganz besonderer Schatz. Eintragungen aus dem Garnisonslazarett Köln aus den Jahren 1839-1916. Es handelt sich dabei sowohl um Prüfberichte als auch Eintragungen zu besonderen Ereignissen wie bspw. den Besuch der Kaiserin am 26.11.1872.

 

 

 

  • Kontrollen

Kontrollen des Lazaretts fanden wohl monatlich statt. Viele Vermerke machen deutlich, dass es oftmals an Sauberkeit, ausreichend Licht sowie Platz und frischer Luft in den „Krankenstuben“ mangelte. Aber nicht nur die Zimmer wurden überprüft, sondern auch das Verhalten des Pflegepersonals standen unter Beobachtung. Bspw. wurde am 24.03.1867 ein Unteroffizier der 7.Kompanie 65ten Regiments vom Revidierenden beim Rauchen in einer Krankenstube erwischt. Dieser leugnete die Tat und wurde daraufhin von der Kommandantur zu drei Tagen Mittelarrest verurteilt. Um was sich dabei handelt, ist unklar.

Wie die beiden Teile des Buches zusammengefunden haben, ist nicht überliefert. Beide Buchteile sind spannende Zeitzeugnisse und bieten unterschiedliche Aspekte sowie Einblicke in die bzw. auf die Geschichte der Kartause in Köln.

 

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann

Ein Kloster wird evangelisch – Die Kartäuserkirche ist Archivale des Monats

Die Kartäuserkirche in der Kartäusergasse in der Südstadt ist vielen Kölnerinnen und Kölnern bekannt. Sie ist ein evangelisches Gotteshaus. Doch das war nicht immer so. Ursprünglich war das Gebiet um die Kirche herum ein Kloster. Darin wohnten seit 1334 Kartäusermönche. Das Klostergelände erstreckte sich von der Kartäusergasse, dem Kartäuserwall und dem Kartäuserhof bis zur Ulrichpforte.

Kartäuserorden

Das Foto, das die Kartause als Stall zeigt, stammt aus dem Bestand der Gemeinde Köln 71-4/0
Das Foto, das die Kartause als Stall zeigt, stammt aus dem Bestand der Gemeinde Köln 71-4/0

Bis 1794 entwickelte sich, nach ersten Schwierigkeiten, diese mit 23 Brüdern zur größten Niederlassung des Kartäuserordens in Deutschland und besaß eine ansehnliche Bibliothek. Am 6. Oktober 1794 marschierten französische Truppen in Köln ein. Für die Kartäusermönche bedeutete dies den Abschied von ihrem Kloster. Am 23.10.1794 erhielt der damalige Prior Martin Firmenich (1783-1794) eine Nachricht, dass das Kloster zu verlassen sei, da dieses als Militärlazarett benötigt. Die Mönche versuchten viele Schätze mitzunehmen und so zu bewahren. Notverkäufe, Plünderungen und Zerstörungen haben die Klosterschätze verstreut. Die Mönche kamen bis zur Auflösung aller Klöster und Stifte 1802 in einer Notunterkunft in der Martinstraße unter und suchten sich von dort alternative Beschäftigungsfelder.

Lazarett

Die Benutzung als Lazarett rettete die Gebäude der ehemaligen Klosteranlage vor der Zerstörung. Nach dem Sieg gegen Napoleon und der Neuordnung auf dem Wiener Kongress wurde das Rheinland preußische Provinz. 1816 ging die Kartause in Besitz des preußischen Militärfiskus über. Während dieser Zeit erlebte das ehemalige Kloster viele Veränderungen. Während das Bruderhaus weiterhin als Lazarett benutzt wurde, fungierten Teile des Kreuzganges als Waschküche und Kirche sowie Kapitelhaus als Artilleriedepot, Pferdestall und Baracke. Altäre verschwanden und Kirchenfenster wurden nach Bedarf zugemauert und/oder neu ins Mauerwerk gebrochen.

Kartäuserkirche

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges änderte sich die Situation nicht. 1921 definiert einen Wendepunkt. Die katholische Kirche forderte nach dem Verschwinden der preußischen Garnisonen aus Köln, die Kirche St. Pantaleon, die seit 1818 Protestanten als Gotteshaus und als Garnisonskirche diente, vom Kriegsministerium zurück. Dieser Forderung wurde durch Erlass des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung (11.10.1921)

Ein Plan zeigt das alte Kartäusergelände

stattgegeben. Als Ausgleich sollte die evangelische Gemeinde zunächst einen hohen Geldbetrag erhalten. Dies wurde jedoch aufgrund der beginnenden Inflation abgelehnt. Stattdessen wurde der Gemeinde das ehemalige Kartäusergelände angeboten. Sieben Jahre dauerten die Umbauarbeiten und am 16.09.1927 konnte die wiederhergestellte Kartäuserkirche geweiht werden. In das ehemalige Bruderhaus zog das städtische Finanzamt ein.

Am 2. März 1945 wurden die Kirche, das Kapitelhaus, Kreuzgänge und Priorat durch Fliegerangriffe zerstört. Auch das Bruderhaus war stark beschädigt. Im August 1945 bis 1953 wurden Teile der alten Klostergebäude wiederaufgebaut.

Text: Stefanie Sternemann
Foto(s): Stefanie Sternemann (Bestand der Gemeinde Köln 71-4/0)

 

Pfarrer Georg Fritze: Leichtes Gepäck?

Pfarrer Georg Fritze hat in seinem Leben einige Male die Koffer gepackt. Er studierte 1892-1895 evangelische Theologie in Halle und Marburg. Nach seinem Militärdienst und seiner Ordination 1902 war Fritze Pfarrer in der Bergarbeiterstadt Charleroi. Darauf folgten Beschäftigungen in Magdeburg und Nordhausen. Ab 1914 ist er in Köln zunächst an der Trinitatiskirche und später an der Kartäuserkirche tätig.

Leicht war sein Gepäck in all der Zeit sicherlich nicht. Davon zeugen nicht nur der zerschlissene Koffer, sondern auch die sich darin befindenden Notiz- und Tagebücher. Sie bewahren u.a. bisher noch nicht erschlossene Eindrücke, Erlebnisse und Konflikte, die Georg Fritze zwischen 1916 und 1939 erlebte. Bereits zu Beginn seiner Tätigkeit in Köln war er konfrontiert mit den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges. Anders als manch anderer Amtskollege stimmte er nicht in die Kriegsparolen mit ein, sondern erklärte sich 1917 offen gegen den Krieg.

Beschimpfungen und Gegenerklärungen musste Fritze für seine Haltung hinnehmen. Nach dem Krieg trat Fritze für einen Aufbau der Kirche von unten ein. Er hegte offen Sympathien für die Sozialdemokratie und engagierte sich für eine Annäherung von Kirche und Arbeiterschaft.[1] Fritze initiierte in Köln den „Bund religiöser Sozialisten“, der sich 1921 dem in Berlin gegründeten „Bund religiöser Sozialisten Deutschlands“ anschloss. Beeinflusst wurde sein Handeln wohl durch das Wirken Christoph Blumhardts (1842-1919), eines evangelischen Geistlichen, der als erster Pfarrer 1899 in die SPD eintrat. Als Pfarrer durfte er daraufhin nicht mehr tätig sein. Dass sich Fritze mit Schriften Blumhardts auseinandersetzte, lässt der Titel eines Tagebuches schließen.

Auch den Nationalsozialisten gegenüber nahm Fritze eine ablehnende Haltung ein. Er warnte bereits Anfang der 1930er Jahre vor der NSDAP, doch ohne viel Gehör im Presbyterium zu finden. Ab 1933 stellte sich Fritze auf die Seite der Bekennenden Kirche und informierte zusammen u.a. mit Hans Encke über den Kirchenkampf. Er scheute nicht die Auseinandersetzung mit dem Presbyterium. Dieses nutzte 1938 die Gelegenheit den unliebsamen Pfarrer durch seine Verweigerung, den Eid auf Adolf Hitler zu schwören, Maßnahmen für seine Entlassung aus dem Amt zu betreiben. Man verweigerte ihm die Auszahlung des Gehaltes und forderte die Kirchenleitung auf, Fritze bis zu seiner Pensionierung in den Wartestand zu versetzen. So geschehen im Oktober 1938. Die vielen aufreibenden Auseinandersetzungen setzten der Gesundheit Fritzes stark zu. Am 03.01.1939 verstarb Georg Fritze an den Folgen eines Schlaganfalls in Köln. Er wurde auf dem Südfriedhof beigesetzt.

1980 kam es zu einer Rehabilitierung Georg Fritzes. Im Innenhof der Kartäuserkirche wurde 1982 eine Gedenktafel eingeweiht, die vom Kölner Künstler Rudolf Alfons Scholl gestaltet wurde. Zudem finden seit diesem Jahr alle zwei Jahre die Verleihung der Georg-Fritze-Gedächtnisgabe statt, die an Menschen verliehen wird, die sich besonders für Opfer von Diktaturen und Gewalt einsetzen.

[1] http://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/georg-fritze/DE-2086/lido/5e81ec12efca14.70378974

Eine Basilika zu Köln

Mitte des 19. Jahrhunderts war die evangelische Gemeinde in Köln deutlich angewachsen, so dass die Antoniterkirche nicht mehr alle Gläubigen fassen konnte. In einem Zeitzeugenbericht wird die Situation wie folgt geschildert: „der ganze Raum der jetzigen Kirche [Antoniterkirche], sowohl Sitz- als Stehplätze, kaum für diejenigen ausreichte, welche am heiligen Abendmahle Theil nehmen, und daß eine große Zahl derer, welche gekommen waren, um dem Gottesdienst beizuwohnen, gar nicht in die überfüllte Kirche gelangen konnten.“ Die räumliche Situation war demnach dringend veränderungsbedürftig. Viele Überlegungen und Planungen zur Erweiterung des Kirchenraums wurden angestellt, die jedoch nicht zur Ausführung kamen.

Unterstützer des Neubauprojekts war der preußische König Friedrich Wilhelm IV., der darin die Möglichkeit erblickte, eine repräsentative evangelische Kirche als Gegenstück zum Dom zu schaffen. Allerdings hatte der König andere Vorstellungen als die evangelische Gemeinde. Der König wollte einen Basilika ähnlichen Kirchbau errichten, der einzigartig in Köln sein sollte. Die Gemeinde hingegen favorisierte eine Kirche im gotischen Stil.

Dass der König von der Zurückweisung seines Plans durch das Presbyterium nicht begeistert war, lässt sich an Hand eines Berichts über eine Begegnung des Königs mit einem Gemeindemitglied erkennen.

„Also will die Gemeinde nicht nach dem von mir angegebenen Plane bauen! Nun möge sie sich dann selbst einen Plan machen; sie wird dann aber meinen Beitrag entbehren müssen. […] Ich habe es wiederholt ausgesprochen und begründet, daß und warum die Gemeinde den gothischen Baustyl nicht wählen dagl. denn einmal dasselbe in kleinern Dimensionen ausgeführt, [schafft] nicht den nöthigen Raum, eine solche Kirche ist zu eng, weil alles nach oben strebt, in großen Dimensionen aber würde, abgesehen davon, daß wir in Köln den gothischen Baustyl in seiner größten Vollendung und Größe besitzen und daß sich neben den Dom ein andere Kirche der Art nicht erbauen läßt, die evangelische Kirche zu groß und zu kostspielig werde.“

Schlussendlich setzte der König seine Pläne durch. Er beauftragte für den Neubau Friedrich August Stüler (1800-1865). Allerdings musste der Architekt des Königs 1852 seinen vorgelegten Entwurf den örtlichen Gegebenheiten anpassen. Wohlhabende Gemeindemitglieder hatten einen Bauplatz zwischen Filsengraben und Witschgasse erworben und damit die Ortsfrage zur Errichtung einer neuen evangelischen Kirche geklärt. Andere Bauplätze gab es zu diesem Zeitpunkt nicht.

Da es an dieser Stelle nicht möglich war, wie ursprünglich geplant, eine freistehende Basilika zu erbauen, musste die Gestaltung so angepasst werden, dass der Bau zwischen zwei Gebäuden hineinpasste. Mit der Durchführung wurde Baumeister Eduard Kramer beauftragt. Innerhalb von drei Jahren (1857-1860) entstand die neue evangelische Kirche. Am 03.06.1860, am Sonntag Trinitatis, wurde sie eingeweiht. Sie erhielt den Namen Trinitatis.

Im Juni 1943 wurde die Kirche gänzlich zerstört. Der Wiederaufbau wurde von Gemeindebaumeister Georg Eberlein geleitet, der seine Aufgabe 1960 an Fritz Renné weitergab. 1965 konnte die Trinitatiskirche wieder eingeweiht werden. Seit den 1990er Jahren dient sie als Veranstaltungsort für Gottesdienstes, Konzerte, Ausstellungen etc.

Nicht alle liebten ihn – Pfarrer Jatho und die evangelische Gemeinde Köln

Pfarrer Carl Wilhelm Jatho (1851-1913) zählt zu den weit über Köln hinaus bekanntesten Pfarrern der evangelischen Gemeinde Köln. Vor 170 Jahren wurde er in Kassel geboren. Nach Pfarrtätigkeiten in Bukarest (1876-1884) und Boppard (1884-1891) kam er 1891 nach Köln und übernahm den Pfarrbezirk der gerade fertig gestellten Christuskirche. Sein Wirken spaltete die evangelische Gemeinde, auch außerhalb Kölns. Als Konsequenz seins Tuns enthob ihn das Spruchkollegium am 24.06.1911 seines Amtes.

Doch wie kam es dazu?

Von Beginn seiner Tätigkeit in Köln begeisterte Jatho viele Menschen durch seine liberalen Predigten. Besonders auch jene, die bereits der evangelischen Kirche den Rücken gekehrt hatten. Für seine Verdienste wurde Jatho 1902 mit dem Goldenen Adlerorden ausgezeichnet. Doch seine liberal theologisch geprägten Ansichten wie die individuelle Entwicklung des religiösen Bewusstseins sowie das subjektive Empfinden losgelöst von kirchlichen Institutionen, kamen nicht bei jedem Gemeindemitglied und kirchlichen Würdenträger gut an. Beschwerden wurden innerhalb der evangelischen Gemeinde gegen ihn laut. Mehrere Male besuchte Generalsuperintendent Umbeck Jatho und mahnte ihn sich an die geltende Lehre zu halten. Jatho hielt jedoch an seinen Ansichten fest und tat diese auch bei verschiedenen Veranstaltungen kund. So auch 1910 bei der Osterfeier der Freunde der Freiheit in Barmen. Der Inhalt des Vortrags ließ den Oberkirchenrat endgültig am Glaubens- und Lehrstandpunkt Jathos zweifeln und es wurden 1911 offiziell Ermittlungen gegen ihn eingeleitet. Seine Popularität nahm hingegen nicht ab. Immer mehr Menschen besuchten seine Gottesdienste und Vorträge. Die Zahl der liberalen Mitglieder der evangelischen Gemeinde wuchs stetig und auch bei kirchlichen Wahlen wie der Repräsentantenwahlen 1907 und 1911 gewannen die Liberalen.

Währenddessen übergab der Oberkirchenrat dem Spruchkollegium den Fall Jatho im März 1911. Am 24.06.1911 fällte das Spruchkollegium sein Urteil, die Lehre Jathos sei nicht mit dem Bekenntnis der Kirche vereinbar und enthob ihn seines Amtes.

Trotz dieses Ergebnisses blieb Jatho in Köln und hielt weiterhin Gottesdienste, Bibelstunden und Vorträge an verschiedenen Orten.

Bis zu seinem Tod am 11.03.1913 blieb Jatho eine umstrittene Person in der evangelischen Kirche. An seinem Grab auf dem Melaten- Friedhof versammelten sich Gegner und Befürworter um diese hervorstechende Persönlichkeit die letzte Ehre zu erweisen.

Nach Jathos Tod und den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges verloren die liberalen Kräfte in Köln immer mehr an Bedeutung.

Schulbildung – Mädchensache

Eine Schulpflicht für Jungen und Mädchen, wie sie heute gesetzlich verpflichtend ist, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht vorgeschrieben. Ein Schulbesuch kostete Geld, das besonders Familien aus ärmeren Verhältnissen nicht bezahlen bzw. nicht für alle ihre Kinder aufbringen konnten. Aus diesem Grund erhielten meistens Jungen die Chance sich nach dem Besuch der Elementarschule noch weiterzubilden.

Zu einer gravierenden Veränderung in der Bildung von Mädchen kam es in Köln durch Konsistorial- und Schulrat Karl Friedrich August Grashof (1770-1841). Er erstellte ein Programm für verschiedene Schulformen, darunter auch eine höhere Mädchenschule. Zu einer Schulgründung durch die Stadt Köln kam es indes nicht. Die ev. Gemeinde Köln erklärte sich bereit, dass eine Mädchenschule in einem Gebäude auf dem Antoniterpfarrhof errichtet werden könnte. 1827 existierte somit erstmalig eine Schule für Mädchen. 12 Schülerinnen, die bereits eine gewisse vorschulische Bildung besaßen, besuchten ab August 1827 den Unterricht. Schulfächer waren Rechnen, Schreiben, Zeichnen, Französisch und Handarbeit. Ab 1831 war es auch Mädchen ohne vorherige schulische Bildung möglich den Unterricht zu besuchen. Erster Direktor dieser privaten Mädchenschule war Pfarrer Johann Gottlob Krafft (1789-1830). Er und seine Nachfolger strebten danach die Schule durch ihre Angliederung an die ev. Gemeinde zu sichern, das gelang jedoch erst 1898. Zunächst musste die Schule selbstständig wirtschaften. Das tat sie, in dem sie, wie auch an anderen Schulen, Schulgeld erhob. Dies bildete die Grundlage für die Bezahlung der Lehrkräfte und die Instandhaltung des Gebäudes. Durch ihr breitgefächertes Bildungsangebot und ab den 1880r Jahren der Einrichtung des Lehrerinnenseminars (Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen), wuchsen die Schülerinnenzahlen stetig an. 1923 wurden 580 Schülerinnen durch 8 akademische und 16 hauptamtliche Lehrerinnen unterrichtet. Das stetige Wachstum führte dazu, dass auf dem Marienplatz 2 ein neues Schulgebäude errichtet wurde.

Unter Schuldirektor Beck wurde die Schule zu einem 10 Klassensystem ausgebaut, unterschieden in einen Elementarbereich und einen Oberschulbereich (höhere Töchterschule). Eine Abschlussprüfung konnten die jungen Frauen jedoch erst 1910 in Köln ablegen. Vorher mussten sie nach Düsseldorf, Koblenz oder Münster fahren. Nach erfolgreichem Abschluss der höheren Töchterschule konnten sie den Beruf der Lehrerin ergreifen.

In den 1930er Jahren wurde die Schule verstaatlicht.

Die Jahresberichte stammen aus dem Bestand der ev. Gemeinde Köln Ja 1.

Laura Oelbermann – Ein Gruß zum 175. Geburtstag

Mit einem Videogruß gratulieren am 18. Mai 2021 verschiedene Frauen in Köln der Protestantin und Mäzenin Laura Oelbermann zum 175. Geburtstag. Laura Oelbermann wurde am 18. Mai 1846 als Tochter eines Bürstenwarenhändlers in der Domstadt geboren. Nach dem Besuch des Lyzeums der evangelischen Gemeinde an der Antoniterkirche in Köln heiratete sie 1868 den Textilkaufmann Emil Oelbermann. Er war Teilhaber der Seidenwarenfabrik Otto Andreae in Mülheim und den USA. Im Jahr 1878 kehrte die Familie nach einem längeren Aufenthalt in Amerika nach Köln zurück.

Nach dem Tod ihres Mannes und fünf Söhnen widmete sich Laura Oelbermann vielen karitativen Aufgaben und gründete Stiftungen. So spendete sie zum Beispiel 150.000 Mark für den 575.000 Mark teuren Bau des ersten evangelischen Krankenhauses in Köln-Weyertal. Außerdem organisierte sie unter anderem Armenspeisungen und Erholungsmöglichkeiten für Arme und Waisen. Alleinstehenden Frauen und Müttern half sie bei der Arbeitssuche, bei vielen Projekten packte sie auch selbst mit an. Als Anerkennung für ihr soziales Engagement wurde Laura Oelbermann am 15. August 1918 von Kaiser Wilhelm II. in den Adelsstand erhoben.

Bereits zu Lebzeiten verfügte sie testamentarisch, dass zum Beispiel das Inventar ihres Hauses am Hohenstaufenring nach ihrem Tode versteigert werden solle. Der Erlös kam ihren Stiftungen zugute. Das Haus selbst wurde in eine Pension für 60 Bewohnerinnen und in einen Veranstaltungsort umgebaut. Das Gebäude wurde bis Ende der 1970er Jahre als Berufstätigenheim der Oelbermann-Stiftung genutzt.

Ihre letzte Ruhestätte fand Laura von Oelbermann nach ihrem Tod am 3. Juni 1929 auf dem Melaten-Friedhof neben ihrem Mann. Die am 1. Januar 1930 eingetragene Emil- und Laura Oelberman-Stiftung und die Laura-von-Oelbermann-Stiftung bestehen noch heute und werden vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region (EKV) verwaltet. Die Unterstützung in den Bereichen Kinder-, Jugendhilfe und Waisen sind im Stiftungszweck festgeschrieben.

Ostern 1962 – ein Aufbruch in der Jugendarbeit

Zu Ostern 1962 erfährt die evangelische Jugendarbeit im Kirchenkreis Köln eine große Veränderung. Erstmalig wurde ein Evangelisches Schülerzentrum eröffnet. Die Initiation, Organisation und Durchführung unterlag Studienrätin Hempelmann, die für diesen Dienst die Unterstützung des Stadtsuperintendenten Hans Encke gewinnen konnte. Das Anliegen:

„Das Schülerzentrum möchte also vorwiegend den Jugendlichen dienen, die die „Institution Kirche“ nicht mehr erreicht, und möchte deshalb dem Religionslehrer alle erdenkliche Hilfe anbieten, so dass er als mündiges Glied der Kirche diese Aufgabe an seinen Schülern erfüllen kann.“ (Zitat Hempelmann)[1]

Der Anspruch war ein vielfältiges und ansprechendes Angebot (Freizeiten und Exkursionen) den Lehrkräften sowie den Schülerinnen und Schülern ab 14 Jahren zu bieten. Es sollte ein offenes und breites Bild der Möglichkeiten als Christ in der Welt zu wirken aufgezeigt werden. Dazu konnten die Teilnehmenden bspw. in diakonisch geprägten Berufsfeldern Einblicke erhalten sowie bei anderen Veranstaltungen mehr über die Aufgaben und Arbeitsgebiete der evangelischen Kirche erfahren. 1966 beispielweise organisierte Frau Hempelmann eine Freizeit, die einen Ausflug in die Rheinische Landesarbeitsanstalt Brauweiler, in eine städtische Sonderschule für spastisch gelähmte Kinder, in ein städtisches Kinderheim und nach Michaelshoven beinhaltete. Ferner erfuhren die Jugendlichen und Lehrkräfte durch einen Vortrag eines Referenten der Stadt Köln etwas über die sozialen Probleme einer Großstadt. Die Teilnehmenden sollten durch diese Vorgehensweise für gesellschaftlich und theologische Themen und Tätigkeitsgebiete sensibilisiert werden.

Die kontinuierlich hohen Anmeldezahlen bestätigten die Veranstalter in ihrer Vorgehensweise. 1962, Durchführung der ersten Freizeit, betrug die Anzahl der Partizipierenden bereits insgesamt 429. 1966 waren es 1094 Teilnehmende. Zu den mehrtägigen Freizeiten entwickelte sich auch ein themenreiches Tagungsprogramm, welches auch rege besucht wurde; 1979 waren es 27 Tagungen mit insgesamt 569 Zuhörern und 1982 22 Tagungen mit 547 Angemeldeten.

Ab 1971 wurde das Schülerzentrum dem Amt für Schule und Unterweisung des Stadtkirchenverbandes zu geordnet. In den 1990er Jahren ging das Schülerzentrum gänzlich im Schulreferat und Amt für Berufskollegs auf.

[1] Bestand 1, 608.

„Wo ist dein Bruder Abel?“

So titelte die zweite Evangelische Woche 1951 in Köln. Diese Evangelische Woche und auch die nachfolgende im Jahr 1952 (Christ in der Masse) standen unter den Eindrücken und Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges. Die Erfahrung von Tod, Leid, extremer Not, Nationalismus, Heimatlosigkeit, Vertriebensein und Arbeitslosigkeit führten zum Zerbrechen von Familien, zum Gefühl von Sinnlosigkeit und einem starken Sehnsuchtsgefühl nach Halt und Geborgenheit. Die Evangelische Woche, die in Köln ab 1950 im Zusammenhang mit den Reformationsfeierlichkeiten veranstaltet wurde, stand ganz unter dem Zeichen der Verantwortung füreinander, die Bedeutung des Einzelnen, der biblisch evangelischen Besinnung und der christlichen Opferbereitschaft. Sie sollte dazu dienen den evangelischen Kölnerinnen und Kölnern wieder eine Perspektive und Halt im Leben zu geben. Die behandelten thematischen Aspekte wie Ehe und Familien, Erziehung der Jugend, Politik, Gesellschaft, Medien und Presse wurden unter diesen Aspekten beleuchtet. Prominente Redner waren Präses Heinrich Held, Superintendent Funke aus Dahme-Mark, der Bundestagspräsident und Oberkirchenrat Dr. Ehlers, Präses der Synode der EKiD Dr. Dr. Heinemann sowie andere Größen aus Politik, Wissenschaft und Medien.

Auch auf den nachfolgenden Evangelischen Wochen wurden gegenwarts-aktuelle Themen diskutiert, die heute nicht weniger Brisanz haben bspw. „Wir sind Gottes Mitarbeiter“ (1960) oder „Was können wir morgen noch glauben?“ (1963) oder „Zukunft und Kirche“ (1968) oder „Christen für die Dritte Welt“ (1970), „Leben lohnt“ (1973) und „Mut zum Frieden“ (1986).

Jede Veranstaltung hatte das Ziel mit Menschen in Kontakt zu kommen, die sich von der Ev. Kirche entfernt hatten. Das offene Format sowie die künstlerisch aufwendige Gestaltung der Programmhefte sollten Menschen ansprechen und die Möglichkeit der offenen Diskussion an zentraler Stelle, den Kölner Messehallen, schaffen. Besonders im Fokus standen dabei ab den 1970er Jahren die Jugend, Frauen und Lehrer/innen. Es wurden diesen gesellschaftlichen Gruppen eigene Tage- Tag der Jugend, Tag der Frauen und Tag der Lehrer- gewidmet. Dort wurden neben dem gemeinsamen Programm wie Gottesdienste und Einführungsveranstaltungen, welches auch musikalisch begleitet wurde, Themen bearbeitet bzw. angeboten, die die Fragen und Probleme, sowie Sorgen und Nöte dieser Gruppen in den Blick nahmen und mögliche Lösungen aufzeigten.

Einen Einblick in den Aufbau der Ev. Woche bietet das Programmheft aus dem Jahr 1964 „Die Kirche zwischen gestern und morgen“. Die Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen wie bspw. die erste Mondlandung standen im Fokus.

Die Auftaktveranstaltung bildete ein Konzert und ein einführender Vortrag im Gürzenich. Darauf folgte die Auseinandersetzung mit dem thematischen Rahmenprogramm an unterschiedlichen Orten in den Kirchengemeinden. Den Abschluss bildeten die Reformationsfeierlichkeiten.

Das Jahr 1964 ist auch für die Geschichte des Kirchenkreises Kölns von historischer Bedeutung. Es entstanden die vier Kölner Kirchenkreise. Auch dieses Ereignis fand durch den Vortrag vom ersten Stadtsuperintendent Hans Encke „Unsere Evangelische Kirche in Köln nach der Neugliederung“ Eingang in die Evangelische Woche.

Ab den 1990er Jahren beschränkte man sich auf Grund der schwindenden Teilnehmerzahlen auf Veranstaltungen zum Reformationstag am 31.10.

Der Karneval und die ev. Gemeinden – nicht immer eine harmonische Beziehung

Der Karneval hat in Köln eine lange Tradition. Die närrische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen und Regelungen konnten selbst die strengen Preußen den Rheinländern nicht verbieten. Einschneidende geschichtliche Ereignisse wie die Weltkriege sowie die Weltwirtschaftskrise brachten das freie närrische Treiben zum Erliegen. Leider macht in diesem Jahr die Covid 19 Pandemie das Feiern des Karnevals unmöglich.

Dies trifft auch viele evangelische Karnevalisten. Doch war das Verhältnis zwischen Evangelischen und Karnevalisten schon immer ein gutes?

Die ev. Kirche verurteilte zunächst den Karneval als eine Zeit der Sünden und Unmoral. Sie rief Christinnen und Christen dazu auf nicht an diesem Treiben teilzunehmen. So auch 1954. Beispielsweise appellierte der Landeskirchenrat der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern an alle Landeskirchen und Gemeinden dem zügellosen, unsittlichen und verschwenderischen Treiben besonders in Zeiten der Not ein Ende zu bereiten. Hintergrund dieses Appells bildeten die Konsequenzen des Zweiten Weltkrieges. Viele Menschen waren noch immer heimatlos, bedroht von Hunger und Armut. Der Landeskirchenrat verurteilte scharf die Auswüchse der Zügellosigkeit und die hohen finanziellen Ausgaben für Konfetti und anderes Karnevalsmaterial, welches besser für die Notleidenden einzusetzen wäre. Auch in Köln war die Lage nicht anders. Die Stadt hatte durch die Kriegsereignisse stark gelitten und in den 1950er Jahren waren immer noch ca. 50 000 Menschen ohne Wohnung und viele lebten in Armut. So stellte sich auch der Kirchenkreis Köln die Frage, wie sollte man reagieren? In den 1920er Jahren hatte sich die Bevölkerung der Stadt in einer ähnlichen Situation befunden und damals sprach sich das Presbyterium der ev. Gemeinde Köln auch gegen das närrische Treiben aus. Ohne Erfolg. Die enge Verwurzelung des Karnevals in Köln breitete jeder Andeutung bzw. jedem Ausspruch des Verbots ein Ende. So ermahnte der Kirchenkreis Köln in den namenhaften Tageszeitungen 1954 die Christinnen und Christen unter dem Leitspruch „Auch im Karneval keine Unmoral“ zu einem gemäßigten Karnevalstreiben und der Rücksichtnahme auf christliche Werte.

(Bild jpg-P174 mit BU unter oder neben vorletzten Absatz) Erst in den 1980er Jahren beginnt eine mentale Öffnung der ev. Gemeinden gegenüber dem Karneval. Als Folge dieser Entwicklung kann sicherlich die Abhaltung von Gottesdiensten für Karnevalisten und der Empfang des Dreigestirns in kirchlichen Einrichtungen wie Ev. Kirchenverband Köln und Region angesehen werden. Eine andere ist die Entstehung eines kirchlichen Kabaretts, Küngelbeutel (1990-2020), und eine protestantische Karnevalssitzung, die PROT`s Sitzung (1997).

Auch wenn in diesem Jahr alles anders ist und die „Fünfte Jahreszeit“ nicht wie gewohnt stattfinden kann, wünschen wir Ihnen dennoch schöne närrische Tage.

125 Jahre Hans Encke

Hans Encke zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Kölner Geschichte, besonders der evangelischen Kirche in Köln. Sein Engagement für Bedürftige und Notleidende war enorm. Sein Einsatz für Juden und Judenchristen während des NS-Regimes ist unvergessen. Sein Mut, sein Organisations- und Führungstalent haben dazu beigetragen, dass das evangelische Leben in Köln nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut werden konnte.

Hans Encke wurde am 12.01.1896 in Potsdam als Sohn von Helene Josephine geborene Trip und Friedrich August Ernst Encke geboren. 1903 kam die Familie nach Köln. Hier arbeitete der Vater als Königlicher Gartenbaudirektor. Bis heute prägen seine angelegten Parkanlagen wie der Blücherpark das städtische Panorama. Doch zurück zum Sohn, Hans Encke. Hans Encke kämpfte im Ersten Weltkrieg und studierte als Kriegsversehrter 1917-1920 Theologie an verschiedenen Universitäten und schloss 1921 sein Lehrvikariat an der Antoniterkirche bei Pfarrer Ernst Nack ab. 1923 wurde er ordiniert und tat seinen Dienst zunächst als Krankenhausseelsorger und Religionslehrer. 1925 wurde er zum Pfarrer der ev. Kirchengemeinde Riehl gewählt und bekleidete dieses Amt bis 1966.

Schon früh, ab 1932, engagierte sich Encke im Kirchenpolitischen Arbeitskreis und später in der kirchlichen Arbeitsgemeinschaft gegen die Ausbreitung des Nationalsozialismus. Ein Beispiel dafür sind die preußischen Kirchenwahlen in Nippes im Jahr 1932/1933. Nach der Wahl stellten Anhänger der Deutschen Christen (DC) im Presbyterium die Mehrheit. Das Wahlergebnis war wesentlich durch vorherigen Wahlterror beeinflusst worden, so dass Encke Einspruch erhob. Dieser blieb jedoch ohne Erfolg. Das neue Presbyterium versuchte daraufhin erfolglos Encke sowie zwei weitere Pfarrer, die der Bekennenden Kirche (BK) nahestanden, aus ihrem Amt zu entfernen. Das Kräfteverhältnis verschob sich 1936 zu Gunsten der Mitglieder der Bekennenden Kirche, nach dem Ausscheiden von 6 DC-Anhängern, die gegen die Weiterbeschäftigung des aus dem Judentum stammenden Organisten Julio Goslar waren. Ab 1937 ordnete sich das Riehler Presbyterium offiziell der Bekennenden Kirche zu.

Doch Encke engagierte sich nicht nur in Riehl, sondern war Mitglied im Bruderrat, gehörte der freien Evangelischen Synode im Rheinland an, er war Schulungsleiter der Synode, wurde Mitglied der Bekenntnissynode der Altpreußischen Union und stellvertretendes Mitglied der Reichsbekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche. Er arbeitete in Köln eng mit Pfarrer Georg Fritze zusammen, der ebenfalls Mitglied der Bekennenden Kirche war. 1939 wurde Hans Encke zum Vertrauensmann des in Berlin von der Bekennenden Kirche eingerichteten Büro Grüber in Köln, welches sich für die zunehmend ausgegrenzten und verfolgten Juden und Christen jüdischer Herkunft einsetzte. Zeitlebens beschäftigt Encke die eigene Schuld und die der evangelischen Kirche, die er deutlich auf der Kirchenkreissynode 1946 in Anlehnung an das Stuttgarter Schuldbekenntnis (1945) durch mea culpa, mea maxima culpa zum Ausdruck brachte. Ein Versuch der Wiedergutmachung und Versöhnung ist die Gründung des Vereins zur christlich-jüdischen Zusammenarbeit im Jahr 1958, an der auch Encke beteiligt war.

Die zunehmenden Bombenangriffe auf Köln veranlassten Encke 1944 mit seiner Familie Köln zu verlassen und er kehrte erst auf Bestreben Pfarrer Friedrich Schellenburg 1945 nach Köln zurück. Am 26.01.1946 übernahm Encke offiziell das Amt des Superintendenten des Kirchenkreises Köln. Vor ihm lag eine Stadt in Schutt und Asche sowie eine weitverstreute Gemeinde. Superintendent Encke machte sich daran umfängliche Baumaßnahmen bspw. der Wiederaufbau von Kirchen und ein Wohnungsbauprogramm durch die neu gegründete Antoniter Siedlungsgesellschaft durchzuführen, sowie die Wahl neuer Presbyterien voranzutreiben. Sein Streben verfolgte das Ziel wieder eine Gemeinschaft herzustellen, die die Gräben zwischen ehemaligen Anhängern der DC und der BK überwinden sollte. Daher gestaltete sich wohl der Umgang mit Presbyteriumsmitgliedern, die den DC angehört hatten, gemäßigt.

In den 1960er Jahren gestaltete Encke die Teilung des Kirchenkreises Köln in die vier gegenwärtig existierenden Kirchenkreise mit. Zudem rief er den Stadtkirchenverband 1964 ins Leben, dessen erster Stadtsuperintendent er wurde. Auch hier gab es für ihn viel zu tun. Encke lag besonders die Bildung von Kindern sowie Erwachsenen am Herzen, so dass unter ihm viele Ämter und Einrichtungen wie die Melanchtonakademie, das Amt für Schule und Bildung (heute Schulreferat) ins Leben gerufen wurden. Trotz der zahlreichen Aufgaben als Stadtsuperintendent war es ihm ein wichtiges Bestreben auch immer als Seelsorger ansprechbar zu sein. Davon legen einige Aussagen Enckes in Protokollen der Kirchenkreissynode Köln und einige überlieferte Zuschriften von Gemeindemitgliedern Zeugnis ab.

Bis 1966 bekleidete Encke die Position des Stadtsuperintendenten. Doch blieb er noch nach seinem Ausscheiden für einige Zeit in Ausschüssen aktiv. Er blieb Mitglied im Ausschuss für die Bibliothek (kurzzeitig hatte er auch die Leitung derselben übernommen) und im Verein für jüdisch-christliche Zusammenarbeit. 1966 erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Am 02.08.1976 starb Hans Encke in Frechen.

Literatur:

Siegfried Hermle: Hans Encke, in: Thomas Martin Schneider, Joachim Conrad und Stefan Flesch (Hrsg.): Zwischen Bekenntnis und Ideologie. 100 Lebensbilder des rheinischen Protestantismus im 20. Jahrhundert, Leipzig 2018, S.168-171.

Günter Wollstein: Die evangelische Kirche Kölns um 1945, in: MEKGR 45./46. (1996/1997), S.485-510.

Christuskirche

Vor 126 Jahren, genau am 02.12.1894, wurde die Christuskirche eingeweiht. Damit besaß die ca. 30.000 Seelen umfassende Evangelische Gemeinde in Köln endlich eine dritte Kirche. Doch der Weg bis zur Einweihung war steinig.

Anfang der 1850er Jahre waren erste Planungen und Überlegungen zum Bau eines weiteren evangelischen Gotteshauses gemacht worden, um eine zukünftige Überlastung der bereits existieren Kirchen, Antoniter- und Trinitatiskirche, zu verhindern. Das Presbyterium entschied sich zunächst gegen einen Neubau. Im Jahr 1860 war die Trinitatiskirche erst eingeweiht worden, sodass zunächst kein erneuter Bedarf gesehen wurde.

Erst Anfang der 80er Jahre stieg das Interesse an einem weiteren Kirchbau wieder. Grund dafür waren Beschwerden über die zu vollen Gottesdienste. Einen ersten Schritt unternahmen die Gemeindevertretungen zum 400-jährigen Luther-Jubiläum (1883).

Die Gemeindemitglieder wurden zu Spenden zwecks eines neuen Kirchbaus als „bleibende Erinnerung an den 400-jährigen Gedenktag des großen Reformators“ aufgerufen. [1] Es wurden 61.000 Mark gesammelt. Diese Summe diente als Grundlage für den Erwerb eines passenden Grundstücks, was sich jedoch als äußerst langjährigen Prozess gestaltete. Der Bauplatz an der Gladbacherstr., der durch die Gemeinde ins Auge gefasst worden war, wurde von der Stadt nicht genehmigt. Stattdessen schlug die Stadt Köln das Grundstück an der Herwarthstr. vor. Dieses akzeptierte das Presbyterium. Der Entwurf des Kirchenbaus stammte von den Straßburger Dombaumeistern August Hartel und Skjöld Neckelmann. Die Ausführung 1891-1894 übernahm jedoch der Baumeister Heinrich Johann Wiethase, da die Ausführung des Entwurfs von Hartel und Neckelmann zu teuer geworden wäre. Nach dem Tod von Wiethase 1893, vollendete sein Schüler Arthur Eberhard die Kirche.

Am 02.12.1894 war es dann so weit, mit einem Festzug wurde die neue Christuskirche eingeweiht. Die beiden Archivalien zeigen das aufwendig gestaltete Cover des Festprogramms und zum anderen eine Vorlage der Einladungskarten. Zur Einweihung erschienen geistliche und weltliche Würdenträger wie der Präsident des evangelischen Obersten Kirchenrats Dr. Barkhausen, der Generalsuperintendent D. Baur, der Consistorialpräsident Grundschöttel, der Präses der Provinzialsynode Superintendent Umbeck, der Regierungspräsident von Richthofen, Eisenbahndirektionspräsident Offermann, Oberbürgermeister Becker und viele weitere.

Am 21.04.1944 zerstörte eine Luftmine sowie zwei Volltreffer die Kirche bis auf den Turm, die Orgelempore und das gewölbte, vierschiffige Souterrain. Unterhalb des nicht zerstörten Turmes wurde eine Notkirche eingerichtet, über die wir bereits im August berichteten. Auf den Fundamenten konnte nach den Entwürfen von den Architekten Eberlein, Dr. Schulze und Dr. Hesse der Neubau der Christuskirche gebaut werden.

Kirchturm, Orgelempore und Gewölbekeller wurden 1982 unter Denkmalschutz gestellt. Ihre heutige Gestalt erhielt die Christus Kirche von 2014-2016.

[1] Rebensburg: Festschrift zur Einweihung der Christuskirche, S.77.

 

Erinnerung an das Martha-Stift

Das Martha-Stift e.V. ist vielleicht manchen Kölnerinnen und Kölnern noch ein Begriff oder sogar in schwacher Erinnerung. Im Ferkulum 29 stand es. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude, sowie viele andere, durch Bombentreffer vollständig zerstört. Der Verein war nicht mehr in der Lage das Gebäude aufzubauen und der Vorstand beschloss daher das Grundstück an die katholische Kirchengemeinde St. Severin zu verkaufen. Vor dem Krieg diente es als Seniorenheim. Doch das war nicht sein
ursprünglicher Zweck.

Schutz vor mannigfaltigen Verführungen der Großstadt

Vor rund 130 Jahren erschien eine Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum des evangelischen Mägdehauses, Martha-Stift. Gegründet wurde es 1864. 1887 wurde ihr der Status einer juristischen Person verliehen. Der Satzung kann man entnehmen, dass es „stellensuchenden und dienstsuchenden Mägden“ einen zeitweiligen Aufenthalt gewährte sowie heranwachsende Mädchen nach zurückgelegter Schulzeit in den praktischen Arbeiten des häuslichen Lebens unterrichtete und damit die Mädchen und jungen Frauen zu einem „selbstständigen Broterwerb“ befähigte. Die Mädchen und jungen Frauen sollten vor den mannigfaltigen Verführungen der Großstadt noch einige Zeit geschützt werden bzw. angeleitet werden diesen zu widerstehen und somit vor „sittlichen Verderben“ bewahrt werden. Für die Betreuung und für den Unterricht waren die Kaiserswerther Diakonissen verantwortlich.

Aufnahmebedingungen

Wie durch die Satzung bereits deutlich gemacht, sprach das Stift zwei Gruppen an. Zum einen war es eine Mädchenbildungsanstalt zur Ausbildung von Dienstmädchen und zum anderen eine Herberge für bereits ausgebildete Dienstmädchen, die Unterstützung bei der Erlangung einer Dienststelle benötigten. Für beide Gruppen gab es unterschiedliche
Aufnahmebedingungen. Die Schülerinnen mussten neben der Einverständniserklärung ihres Erziehungsberechtigten, ein Schulgeld von 160 Mark bezahlen, eine vorgegebene Anzahl an Kleidungs- und Wäschestücken mitbringen sowie eine Konfirmationsbescheinigung vorweisen.

Die arbeitssuchenden Dienstmädchen mussten einen guten Ruf besitzen, das Dienstbuch musste tadellos sein. Sie verpflichteten sich Aufgaben im Stiftshaus wie kochen, bügeln und Wäsche waschen zu übernehmen. Von dieser Bereitschaft war auch die Höhe der Summe, welche sie für die Aufnahme zu entrichten hatten, abhängig. Bspw. sollten Frauen, die sich nicht an der Hausarbeit beteiligen wollten 80 Pfennig bezahlen. Frauen hingegen, die solche Aufgaben übernahmen, mussten nur 20 Pfennig
bezahlen. Allen Bewohnerinnen jedoch stand es offen sich der kostenfreien, beruflichen Vermittlungstätigkeiten der Kaiserswerther Diakonissen zu bedienen.

Das Ende des Vereins

Im Zuge der Industrialisierung und der damit eingehenden neuen Arbeitsmöglichkeiten für Frauen ließen sich immer weniger junge Mädchen zu Dienstmädchen ausbilden. Ein Motiv lag darin, dass junge Frauen nicht mehr „dienen“ wollten. Sie zogen eine Beschäftigung in der Fabrik vor. Im Laufe der Jahre fiel es dem Vorstand immer schwerer neue Sponsoren zu finden sowie auch neue Schülerinnen für sich zu gewinnen, sodass sich der Verein nun der Seniorenbetreuung annahm. Dieses Tätigkeitsfeld wurde bis zur Zerstörung des Hauses im Zweiten Weltkrieg und etwas darüber hinaus beibehalten. Am 18.05.1956 verkündete der Vorsitzende des verbliebenen Kuratoriums, Alfred Vorster, dass der Verein „Martha-Stift e.V.“ aufgelöst werde. Das Restvermögen werde der evangelischen Gemeinde Köln übertragen unter der Bedingung gemeinnützige Projekte damit zu
unterstützen. Dies tat die Gemeinde Köln auch, indem sie mit dem Geld den Wiederaufbau des Clara-Elisenstiftes, welches vorher am Rothgerberbach stand, an neuer Stelle, auf dem Kartäuserwall, finanzierte.

Luther Festspiel in Köln am Rhein

Am 31.10. ist es wieder soweit. Wir feiern den Reformationstag. Doch wie kam es überhaupt dazu?

1517 schlug Martin Luther 95 Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg. Dieses Jahr wird gemeinhin als Anfangspunkt der Reformation betrachtet. Jedoch ist das genaue Datum des Thesenanschlags ist nicht überliefert. Der 31.Oktober wurde erst 100 Jahre später als Gedenktag eingeführt.[1] Seitdem wurde der Reformationstag auf vielfältige Weise gefeiert.

Archivale des Monats

Eine Form des feierlichen Gedenkens zeigt die Archivale des Monats. Es handelt sich um ein Festspiel, welches in Köln 1889 als Gastspiel mit tatkräftiger Unterstützung von Kölner Bürgerinnen und Bürgern aufgeführt wurde. Autor dieses Festspiel war Hans Herrig (1845-1892), dessen Stücke sich durch starke Religiosität und Historizität auszeichneten.[2] Die Uraufführung fand zur 400-Jahr-Feier der Reformation in Worms statt. 1889 führte der aus Straßburg stammende Alexander Heßler, ein berühmter zeitgenössischer Opernsänger, Theaterschauspieler,- regisseur und -direktor das Festspiel in Köln auf. Das Programmheft zeigt auf der Titelseite eine Abbildung des Reformators als Gelehrten. Auf den nachfolgenden Seiten wurden die Texte der zehn Gesänge gedruckt, die unterteilt werden durch kleine Lutherrosen. Den Abschluss bildet die Darstellung einer kleinen Putte.

Erinnerungskultur: Reformation

Andere Formen des feierlichen Erinnerns stellen auch Lesungen und Gottesdienste dar. So zelebriert der Evangelische Kirchenverband alljährlich einen feierlichen Gottesdienst zur Reformation wie bspw. in diesem Jahr im Altenberger Dom. 2017, zum 500jährigen Lutherjubiläum, wurde erstmalig ein Luther-Musical aufgeführt, an dem viele Chöre aus der gesamten Bundesrepublik teilnahmen und welches in verschiedenen Regionen Deutschlands gastierte. Seit einiger Zeit werden sogar Computerspiele oder auch Apps angeboten. In diesen können Kinder und Jugendliche mit Martin Luther gemeinsam virtuelle Abenteuer erleben und erfahren so auf spielerische Art und Weise, wie es zur Reformation gekommen ist. An diesen Entwicklungen lässt sich sehen, dass Erinnerungskultur nie statisch ist, sondern ein sich weiter entwickelnder Prozess.

Das Archiv des Evangelischen Kirchenverbandes wünscht Ihnen schon jetzt einen schönen Reformationstag.

Luther-Festspiel

Quellen

[1] Dorothea Wendebourg: Im Anfang war das Reformationsjubiläum. Eine kurze Geschichte von Reformationsfeiern und Lutherbildern, online: https://www.kas.de/documents/252038/253252/7_dokument_dok_pdf_47026_1.pdf/96cd9b69-e44e-4fb2-91b9-0f01870faa0c [27.08.20].

[2] Vgl.: Ludwig Fränkel: „Herrig, Hans“, in : Allgemeine Deutsche Biographie (1905), online: http://www.deutsche-biographie.de/html [31.08.20].

Schulstart mit Hindernissen

Im letzten Monat sind die Schulferien in NRW zu Ende gegangen. Viel wurde darüber diskutiert, wie der Schulstart unter Corona-Bedingungen von Statten gehen soll, mit oder ohne Maske. Besonders bei so heißen Tagen wie wir sie im August erlebt haben, eine Qual für die Schüler/innen sowie für das Lehrpersonal. Glück gehabt, wenn Unterricht auch an der frischen Luft stattfinden kann, wie es für manche Unterrichtsstunden von Schülervertretungen vorgeschlagen wurde.

Was für Schüler/innen in der heutigen Zeit schon fast zum Alltag gehört, dass Unterricht auch im Freien stattfinden kann, war für Schüler/innen Anfang des 20. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit. Zum Diskussionsthema wurde diese Form des Unterrichts beim Neubau der evangelischen Elementarschule am Großen Griechenmarkt, vorheriger Standort in den Antoniterstr. 27/29. Der Neubau der Schule wurde notwendig, da die Stadt Köln einen Straßendurchbruch von West nach Ost, also Neumarkt-Cäcilienstr, Blindgasse-Hohestr. geplant hatte. Das alte Schulgebäude, errichtet 1871, sollte abgerissen werden.
Stadtplan von Köln ca.1928/29. In die rot markierte Fläche ist die neue Schule eingezeichnet. Von links nach rechts Fuhrpark, Schulneubau, Elektrizitätswerke, gestrichelte Fläche potentielle Erweiterungsfläche für die Schule. Die gelb markierte Fläche symbolisiert das alte Schulareal.

Stadtplan von Köln ca.1928/29. In die rot markierte Fläche ist die neue Schule eingezeichnet. Von links nach rechts Fuhrpark, Schulneubau, Elektrizitätswerke, gestrichelte Fläche potentielle Erweiterungsfläche für die Schule. Die gelb markierte Fläche symbolisiert das alte Schulareal.

Das städtische Vorgehen sorgte innerhalb der evangelischen Gemeinde und besonders bei der Elternschaft für Widerstand. Sie forderten einen Ersatzbau bzw. Neubau für das abzureißende Schulgebäude, welches sehr zentral lag und damit gut sowie schnell für Schüler/innen zu erreichen war. Dieser Ersatzbau sollte modernen Anforderungen genüge tun und vor allem viel Licht und genügend frische Luft während des Unterrichts ermöglichen. Besonders da der überwiegende Teil der Kinder aus armen Familien stammte, deren Wohnungen meist kein Fenster noch Tageslicht besaßen. Diese Forderungen sollten darüber hinwegsehen lassen, dass dieser Abriss die evangelische Schülerschaft gegenüber ihren katholischen Schülern benachteiligte. Es gab in Köln mehr katholische Schulen als evangelische Konfessionsschulen und damit auch mehr Möglichkeiten für Eltern ihre Kinder in eine für sie örtlich besser gelegene Schule zu schicken. Der weite Schulweg zum gr. Griechenmarkt barg auch die Sorge der evangelischen Gemeinde, dass viele Eltern ihre Kinder auf andere näher gelegene von der Konfession unabhängige Schulen schicken würden und somit ein Bestehen der evangelischen Konfessionsschule in Gefahr wäre. Diese Sorge basierte auch auf dem kurz zuvor stark diskutierten Reichsschulgesetz 1928, welches dem Gemeinschaftsschulwesen einen höheren Stellenwert beimaß als den Konfessionsschulen. Die Umsetzung des Gesetzes scheiterte. Nichtsdestotrotz sorgte sich die evangelische Elternschaft um das Fortbestehen dieser Schulform.

Es gelang letztlich eine Einigung zwischen der evangelischen Gemeinde, der Elternschaft sowie der Stadt Köln zu erzielen. Die Stadt plante ein neues Schulgebäude für 16 Klassen. Begonnen wurde mit dem Mädchentrakt, der sechs Klassenräume, einen Handarbeits- und einem Hauswirtschaftsraum sowie Frühstücksraum enthielt. Hinzu kamen noch ein Kinderhort, ein Arztzimmer sowie einige andere Nebenräume und die Rektorwohnung. Ein Trakt für die Unterrichtung der Jungen sollte auch folgen. Alle Räume besaßen eine große Fensterfront, die die Zufuhr von frischer Luft sowie Tageslicht garantierte.

Geplant war zudem eine Spielfläche für die Schulkinder auf dem Dach der Gebäude, da der innen liegende Schulhof zu wenig Platz für die Vielzahl der Schüler/innen bot. Heute kaum noch vorstellbar, ein Schulhof auf dem Dach des Schulgebäudes. Auf eben jenem Dach sollte auch die Möglichkeit geschaffen werden durch Abtrennung einer bestimmten Fläche Unterricht im Freien stattfinden zu lassen.

Nach einigen Verzögerungen konnte das neue Schulgebäude als Unterrichtsort ab Dezember 1930 benutzt werden.

Darstellungen stammen aus dem Bestand ev. Gemeinde Köln 34-4-1,5 bis,7

Notkirche

Postkarten stammen aus der Fotosammlung der Ev. Gemeinde Köln

In diesem Jahr erinnern wir uns an das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 75. Mal. Köln erlitt in den Jahren 1942 bis 1945 starke Zerstörungen durch Bombentreffer. Viele Kölnerinnen und Kölner verloren dabei ihr Leben oder wurden obdachlos. Besonders schwer traf es Köln bei Angriffen im Herbst 1944 und 1945. Die Stadt glich einer Trümmerlandschaft.

Die Auswirkungen des Krieges für die Zivilbevölkerungen waren verheerend. Angst vor weiteren Angriffen, die Sorge um Verwandte, der tägliche Kampf ums Überleben, bestimmten den Alltag der Kölnerinnen und Kölner.
Das Leid und die Not waren groß. Viele Kölnerinnen und Kölner, aber auch viele Flüchtlinge und Ausgebombte suchten nach Schutz, Halt und seelischem Beistand. Doch auch das evangelische Gemeindeleben war durch die schweren Kriegsfolgen durcheinandergeraten. Die Mitgliederanzahl war von 52.000 Mitgliedern auf 20.000 gesunken. Alle evangelischen Gotteshäuser in Köln- die Trinitatiskirche am Filsengraben, die Lutherkirche am Martin- Luther-Platz, die Kreuzkapelle in der Machabäerstraße, die Christuskirche in der Herwarthstraße sowie die Antoniterkirche in der Schildergasse und die Kartäuserkirche in der Kartäusergasse- lagen in Schutt und Asche. Das Zelebrieren von Gottesdiensten, Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen in den Kirchen war somit nicht möglich. Es fehlte auch an Geistlichen, die die verbliebenen und neu zugezogenen Gemeindemitglieder, seelsorgerisch betreuen konnten. Von den ehemals neun Pfarrstellen waren nach den Kriegshandlungen nur noch zwei besetzt. Der aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte Pfarrer Ulrich Bergfried schilderte die schlechte Lage wie folgt:
„Als ich im Juli 1945, aus der Gefangenschaft entlassen, wiederkam, traf ich von unserem vor dem Krieg neun Köpfe zählenden Kollegenkreis noch glücklich einen Ganzen an: den Pfarrer Rost. Die anderen waren buchstäblich verstreut in alle Winde, gefangen, krank, an einem anderen Ort verpflichtet usw.“

Pfarrer Bergfrieds Worte verdeutlichen wie schwierig die Erfüllung der Sehnsüchte der Gläubigen nach Trost und intensiver sowie angemessener seelsorgerlichen Betreuung war. Um den Halt- und Trostsuchenden jedoch einen Ort zu schaffen, an dem sie Gemeinschaft und einen gewissen Trost und auch Unterstützung erfahren konnten, wurden sogenannte Notkirchenräume eingerichtet. Bei diesen Räumlichkeiten konnte es sich um unversehrte Räume in bspw. Gemeindehäusern, in Schulen, in Wohnhäusern oder unversehrt gebliebenen Teilen des Kirchraumes handeln.
Die Archivale des Monats zeigt einen dieser Notkirchenräume in der Christuskirche (Format 10x15cm). In der Nacht vom 20. auf den 21.04.1944 wurde die Christuskirche durch eine Luftmine und zwei Volltreffer bis auf den Turm, die Orgelempore und das gewölbte vierschiffige Souterrain zerstört. Pfarrer Rost und Pfarrer Dr. Bergfried richteten diesen Ort mit Unterstützung des Küsters durch das Aufstellen von Bänken und Herrichtung eines Altars zu einem gottesdienstlichen Behelfsraum ein. Es war daher möglich unter dem Turm am 19.08.1945 einen der ersten evangelischen Gottesdienste nach dem Zweiten Weltkrieg in Köln abzuhalten.
Der Notkirchenraum bot ca. 60 Menschen Platz. Auf Grund des hohen und schnellen Zuwachses von Flüchtlingen und Ausgebombten stellte sich recht schnell heraus, dass der Platz nicht ausreichte. Pfarrer Wilhelm Rost trat daher 1949 für eine Erweiterung des Notkirchenraumes der Christuskirche vor dem Presbyterium der ev. Gemeinde Köln ein. Nach Absicherung der finanziellen Kosten und Abtransportes des Schuttes wurde eine Erweiterung vorgenommen, so dass ca. 240 Personen Platz fanden.
In seiner Sitzung vom 31.03.1950 beschloss das Presbyterium der evangelischen Gemeinde Köln den Wiederaufbau der Christuskirche und beauftragte das Architekturbüro Dr. Schulze und Dr. Hesse mit dem Bau, der 1951 feierlich eingeweiht wurde. Der Turm wurde dabei nicht abgerissen.
1982 wurde der Turm der Christuskirche unter Denkmalschutz gestellt. Er schließt sich heute an einen neuen Gebäudekomplex an, der sowohl das Kirchenschiff, die Gemeinderäume als auch Mietwohnungen, Büroflächen, eine Tiefgarage und einen Gemeindegarten enthält.

Totengräber des evangelischen Kirchhofes

Der Geusenfriedhof in Köln-Lindenthal nahe der Universität ist vielen Kölnerinnen und Kölnern bekannt. Er ist der älteste Friedhof für Protestanten im Rheinland. Die ältesten Gräber stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Viele Gräber tragen die Namen niederländischer Protestanten, die als Geusen bezeichnet wurden, daher auch der Name des Friedhofs. Im 16. Jahrhundert war es der protestantischen Bevölkerung verboten ihre Toten innerhalb der Stadtmauern zu begraben. 1576 erhielten sie am Weyertor durch eine Schenkung von Frau Ursula von Goer zu Kaldenbroek ein Grundstück, auf dem sie ihre Toten begraben konnten. Ratsbeschlüsse aus den Jahre 1583 sowie 1586 legten zudem fest, dass an Beerdigungen von Protestanten max. 6 Personen teilnehmen durften, um ein großes Aufsehen zu vermeiden.

Der Geusenfriedhof

Der Friedhof wurde bis 1829 als evangelische Ruhestätte genutzt. 1829 durften Protestanten zusammen mit katholischen Mitbürgern auf dem Zentralfriedhof Melaten innerhalb der Stadt beerdigt werden, so dass nur noch vereinzelt auf dem Geusenfriedhof bis 1875 Beerdigungen stattfanden. Es handelte sich dabei vorrangig um Personen, die ihre letzte Ruhestätte nahe ihren Verwandten haben wollten, die auf dem Geusenfriedhof bereits beerdigt waren. Von einigen dieser Personen sind Beschwerden bzgl. Verwüstungen und Zerstörungen der Gräber an den Kirchenrat der reformierten Gemeinde überliefert. Als Konsequenz entwickelte der Kirchenrat einen Plan zur Erhaltung und Verschönerung des evangelischen Kirchhofs. Darunter fiel auch die Einstellung einer Person, die sowohl für die Aufsicht über den Friedhof als auch für die Pflege der Gräber, Wege und Bäume zuständig sein sollte und das Anlegen eines Fonds zur Verschönerung des Friedhofs.

Der Totengräber

Die Archivale des Monats gibt in 22 Artikeln Aufschluss über die Person des Totengräbers, seine Aufgaben sowie über geltende Verhaltensregeln für ihn und auch für die Besucher des Friedhofs. Der Totengräber war sowohl für die Verwaltung (Nummerierung der Gräber sowie Register über Verstorbene mit Namen- und Standesangaben) als auch für die Pflege des Friedhofes verantwortlich. Er übte demnach die Funktion eines heutigen Friedhofamtes und eines Friedhofgärtners aus. Er lebte direkt neben dem Friedhof in einem Haus mit Garten und Kuhstall, welches die reformierte Gemeinde für dieses Amt errichtete.

Totengräber als Gärtner

Interessant an der Arbeitsbeschreibung ist die Erwähnung, dass „[…] der ganz Kirchhof als ein Garten zu betrachten ist, worin alles geordnet seyn muß […]“. Dazu gehören das Anlegen von Wegen, das Pflanzen von Hecken und Blumen sowie die Beschneidung und Säuberung derselben. Für die Gestaltung und Pflege der Gräber waren die Hinterbliebenen des Verstorbenen verantwortlich, genauso wie heute. Es gab jedoch Regeln, was gepflanzt werden durfte. Neben Blumen durften auch Obstbäume gepflanzt werden, die jedoch nicht tief wurzeln durften. Der alte Friedhof sollte demnach eher einer Parkanlage gleichen. Dementsprechend war es notwendig, dass der Totengräber eine Ausbildung als Gärtner absolviert hatte. Sein Arbeitswerkzeug wurde ihm teilweise durch die reformierte Gemeinde gestellt, zum Teil musste er sich selbst darum kümmern. Des Weiteren war es seine Pflicht auf das Aussehen der Gräber zu achten. War ein Grabstein beschädigt, lag es in seiner Verantwortung die Hinterbliebenen ausfindig zu machen und dazu zu veranlassen den Schaden zu beheben. Waren Hinterbliebene nicht mehr zu finden beziehungsweise nicht in der Lage oder gewillt den Grabstein zu reparieren, musste der Totengräber dies dem Kirchenrat melden. Dieser entschied dann über das weitere Vorgehen.

Wächteraufgaben

Zu seinen Aufgaben als Wächter gehörte zudem, darauf zu achten, dass keine Kaffeekränzchen noch Spiele auf dem Friedhofsgelände abgehalten wurden, um die stille Andacht und das stille Gedenken nicht zu stören. Ihm war es auch untersagt solche Unternehmungen durch den Ausschank von Bier, Wein oder Brandtwein zu unterstützen. Trotz der Einstellung eines Totengräbers ist es immer wieder im Laufe der Jahre zu Verwüstungen und Zerstörungen gekommen. Auch die Pflege der Gräber geriet immer mehr in den Hintergrund, so dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Grabdenkmäler mit Unkraut überwuchert oder gänzlich durch Witterungen zerstört waren. Im Zuge des Baus des Krankenhauses Weyertal sind erste Instandsetzungsarbeiten an Gräbern vollzogen worden, da der alte Friedhof als Parkanlage zum Erholen für die Patienten genutzt wurde.

Der Friedhof Heute

In den 30er Jahren wurde der alte evangelische Friedhof durch den Stadtkonservator Hans Vogts wiederentdeckt. Er beklagte den schlechten Zustand des Friedhofs und hielt alle noch vorhandenen Gräber mit Inschriften in einem Register fest. Durch den Krieg und seine Folgen kam der Friedhof und seine Bedeutung für die Geschichte der Protestanten in Köln erst wieder in den 1980er Jahren in den Blick. Die evangelische Gemeinde Köln und das Land NRW engagierten sich gemeinsam für die Instandsetzung des Friedhofs, der nun zu Kölns bekanntesten Denkmälern zählt.

Diese Archivale stammt aus dem Bestand der ev. Gemeinde Köln 66,1,1.

 

Kirchenpass

Wenn man das Wort liest, fragt man sich was soll das bedeuten? Ist ein Ausweisdokument gemeint oder ein Reiseführer über Kirchen oder gar eine Art Eintrittskarte ähnlich einem Museumspass? All diese Assoziationen treten dem Forschenden entgegen, wenn er nach dem Begriff googelt.

In diesem Fall handelt es sich um ein Dokument, das wahrscheinlich aus dem Jahr 1908 stammt. Es sollte jedem Gemeindemitglied nach der Konfirmation ausgestellt werden, so die Idee. Darin enthalten kurze Texte zur Taufe, Konfirmation und zum Abendmahl sowie ein Konfirmationszeugnis. Zudem bestand die Möglichkeit weitere pfarramtliche Bescheinigungen eintragen zu lassen.

Dieser kleine handliche Pass sollte als Ersatz für die illustrierte Konfirmationsbescheinigung, die oftmals im Haus als Erinnerungsstück aufgehängt wurde, dienen. Sie war auf Grund ihres Formats (DIN A4) zur Mitnahme auf bspw. Reisen ungeeignet war. Diese Bescheinigung war (und ist es heute noch) besonders wichtig bei Zuzug oder Aufenthalt in einer anderen Gemeinde, um dort am Abendmahl teilnehmen, sich kirchlich trauen lassen oder auch eine Patenschaft übernehmen zu können.

Neben dieser Funktion sollte dieses Dokument auch eine Art Hilfestellung für eine christliche Lebensführung sein. Es enthielt eine „kurze Anweisung zum christlichen Wandel“. Dazu gehörte das tägliche Gebet, das Lesen und Hören des Wortes Gottes sowie die Teilnahme am Gottesdienst und am gemeinschaftlichen Abendmahl. Des Weiteren sollte der Gläubige auf eine kirchliche Trauung und ein christliches Begräbnis Wert legen.

Der Kirchenpass kam in Köln nie zur Ausführung. Das Presbyterium der evangelischen Gemeinde sah keinen Mehrwert für die bis dato übliche Ausstellung und Handhabung der Konfirmationsbescheinigung und entschied sich somit gegen die Einführung.

Diese Archivale stammt aus dem Bestand der ev. Gemeinde Köln 04-0,2.

 

Zur Erinnerung an die Konfirmation

Dieses Jahr ist alles anders. Besonders für die Konfirmanden und ihre Familien, die auf das familiäre Großereignis bereits hin gefiebert haben und nun die Planungen zunächst etwas auf Grund des Virus zurückstellen müssen.

Zeit also etwas in die Vergangenheit zu blicken und zu sehen, wie die Konfirmation in der Gemeinde Köln früher gefeiert wurde. Die Konfirmation als Bestätigung des Sakraments der Taufe, wurde 1539 in Hessen eingeführt. Sie war ein Kompromiss im Streit um die Säuglingstaufe. Nach Auffassung der Täuferbewegung sollte ein Mensch nur getauft werden, wenn er auch vorher seinen Glauben bekundete. Dies war bei der Kind- bzw. Säuglingstaufe nicht möglich. Martin Bucer, ein bekannter elsässischer Reformator, vermittelte in dieser Streitsache. Die Säuglingstaufen wurden fortgeführt und zudem nahmen die Heranwachsenden am Katechismusunterricht teil, an dessen Ende die Ablegung einer Prüfung vor der versammelten Gemeinde stattfand. Mit der Konfirmation trat man als religionsmündiges Mitglied in die Gemeinde der Gläubigen ein.

Diese Praxis verbreitete sich Ende des 17./ Anfang des 18. Jahrhunderts in ganz Deutschland. Auch die Jugendlichen der Gemeinde Köln mussten bevor sie zur Konfirmation gehen konnten eine Prüfung ablegen. Während der Konfirmationsfeier wurden die Konfirmanden gefragt, ob sie den Bund der Taufe mit Gott bestätigen wollen, der Glaube an das Wort Gottes und an Jesus Christus und zur Verpflichtung eines guten christlichen Lebens bereit seien.

Besondere Jahre für die Abhaltung des Konfirmationsunterrichts stellten die Kriegsjahre 1914-1918 dar. Im Kriegsjahr 1917 konnte kein regulärer Konfirmandenunterricht stattfinden, so dass sich viele Eltern an ihre Gemeinden wandten mit der Bitte, ihre Kinder, wenn sie das 14. Lebensjahr erreicht hatten und ins Berufsleben eintraten, an den stattfindenden Konfirmationen teilnehmen zu lassen. Die Jugendlichen wurden daraufhin geprüft und einige bestanden nicht, so dass ihre Teilnahme zunächst abgewiesen wurde. Ihre Konfirmation wurde daher verschoben.

Zur Erinnerung an ihre Konfirmation erhielten die Konfirmanden eine Urkunde, auf der der Konfirmationsspruch, das Tauf-sowie das Konfirmationsdatum vermerkt wurden. Das Bildmotiv „Ritter, Tod und Teufel“ von Albrecht Dürer (1513) griff in diesem Fall die Grausamkeit des Krieges und die Sterblichkeit und Vergänglichkeit alles Lebenden sowie Ruhm und Ehre auf.

 

 

Tonkrug vom Kirchentag 2007 in Köln

Der 31. Evangelische Kirchentag mit der Losung „lebendig und kräftig und schärfer (Hebräer 4,12)“ mit 103.726 Teilnehmern in Köln im Jahr 2007, stand unter den Eindrücken der Zusammenkunft der G8-Staaten im Ostseebad Heiligendamm. Zentrale Themen waren Globalisierung, Ökumene und Spiritualität.

Neben den bekannten orange farbenen Schals, dem Erkennungszeichen der Teilnehmer, legen auch andere Erinnerungsstücke Zeugnis vom 31. Evangelischen Kirchentag ab. Ein Beispiel ist dieser Tonkrug. Schön zu erkennen, sind die Jerusalemkreuze, die als Symbol für den evangelischen Kirchentag stehen. Die vier kleinen Kreuze verdeutlichen die vier Himmelrichtungen. Sie sollen die Verbundenheit und gelebte Ökumene verdeutlichen.

 

 

 

Auch der Evangelische Kirchenverband engagierte sich. Auf dem Gelände der Kartause fanden sich immer wieder Menschen ein, denen ein vielfältiges Programm geboten wurde. Unter anderem wurde die Blaukopp-Ausstellung -200 Jahre Protestanten in Köln- den Besuchern gezeigt.

 

 

 

 

 

Kirchstuhlordnung 1805

Die Ausübung des evangelischen Glaubens konnte in Köln bis ins 19. Jahrhundert hinein nur im Geheimen stattfinden. Eine Änderung brachten erst die 1802 formulierten Organischen Artikel. Durch dieses Gesetz wurde die öffentliche Religionsausübung für Protestanten erlaubt sowie eine rechtliche Gleichstellung der christlichen Konfessionen (katholisch, lutherisch, reformiert) festgeschrieben. In Folge dessen erhielten 1802 die lutherische und die reformierte Gemeinde die Antoniterkirche auf der Schildergasse als Gottesdiensthaus. Der erste Gottesdienst fand dort jedoch erst am 19.Mai 1805 statt.

Die Kirchstuhlordnung vermittelt einen Eindruck von der inneren Ordnung der evangelischen Gemeinde. Es wird darin die Vergabe der Sitzplätze geregelt. Jedem Gemeindemitglied war es möglich, sich einen Kirchstuhl durch ein Kirchgeld zu mieten. Das Gemeindemitglied erwarb sich dadurch befristete Nutzungsrechte. Die Kirche blieb Eigentümerin. Durch diese Regelung sollte vermieden werden, dass erworbene Kirchstühle verschenkt oder weiterverkauft wurden. Außerdem durfte ein Stuhl ohne die Erlaubnis des Kirchenvorstehers weder verliehen noch getauscht werden. Eine Vererbung innerhalb der Familie war möglich, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Väter durften nur an männliche Nachkommen ihren Sitzplatz vererben und Frauen nur an weibliche Verwandte.

Die Mieteinnahmen wurden durch einen Kirchendiener schriftlich festgehalten. Das Geld diente dem Zweck, Bedürfnisse der Gemeinde in der Seelsorge oder auch in der Verwaltung zu befriedigen.

Gemäß den gesellschaftlichen Konventionen saßen Männer und Frauen getrennt voneinander. Männer saßen im Mittelschiff rechts der Kanzel, rechts neben der Orgel und auf den Galerien. Frauen hingegen hatten ihre Plätze links neben der Kanzel und an den beiden Seitenwänden unter den Galerien. Gesellschaftlich höher gestellte Personen besaßen einen separaten, abgeschlossenen Bereich unterhalb der Orgel. Von dort hatten sie einen ungestörten Blick auf Altar und Kanzel. Auch der Kirchenvorstand nahm an einem gesonderten Bereich auf dem Chor Platz.

Diese Archivale stammt aus dem Archiv der evangelischen Gemeinde Köln 71/0-3-4