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„Überraschungseffekt“ bei der Reformationsfeier 2006 im Altenberger Dom: Jugendliche haben im Theaterworkshop ein „Anspiel“ vorbereitet

Anlässlich der bereits im Vorjahr beendeten Renovierungsarbeiten am Altenberger Dom findet die zentrale Reformationsfeier des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region am Dienstag, 31. Oktober, ab 19 Uhr in der ehemaligen Abteikirche der Zisterzienser statt. Sie steht unter dem Wort „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2.Kor. 3,17). Predigen wird Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Die Liturgie halten Dompfarrerin Claudia Posche und der Ökumene-Pfarrer des Kirchenverbands Dr. Martin Bock. Mitwirken wird unter anderem das „Jugend-Theaterprojekt Reformationsfeier“. Neun Heranwachsende haben in den Herbstferien in einem Workshop unter Leitung der 36-jährigen Theaterpädagogin und Regisseurin Sabine Kaenders Beiträge über das Thema Reformation, die Person Martin Luther und dessen Beiträge zur „Freiheit eines Christenmenschen“ erarbeitet und sie in eine Performance umgesetzt, die „spielerisch Gedanken und Gefühle abbildet“. Sie wird als Anspiel zum Reformationsgottesdienst zu erleben sein.



Spannender Prozess
Der Altenberger Dom sei ein ganz besonderer Ort, verweist Bock auf dessen Status als Simultankirche. Seit 1857 finden in ihm neben katholischen ebenso evangelische Gottesdienste statt. Gerade auch diese gemeinsame Nutzung biete „Spielräume“ der Freiheit, so Bock. „Man lebt enger zusammen“, erklärt er diesen „spannenden Prozess“. Die Existenz von „Spielräumen“ habe auch zur Idee geführt, das Thema Reformation, Luthers Suche nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit in Kirche und Gesellschaft mit einer Generation zu erarbeiten, die sonst eher selten die Reformationsfeiern besucht. Mit einer solchen Art von Schauspiel, das als Beitrag von Jugendlichen präsentiert wird, habe es noch keine Reformationsfeier im Kirchenverband Köln und Region gegeben, meint Bock. Im Vorbereitungsgremium seien denn auch Bedenken laut geworden, ob das überhaupt gehe, oder dem Charakter des zentralen evangelischen Gottesdienstes widerspreche. „Wird das eine Art Jugendgottesdienst?“, lautete eine der skeptischen Fragen. „Das Anspiel der Jugendlichen ist ganz einfach ein Beitrag zur Feier, ein Beitrag zum Thema Luther und Reformation. Es geht in erster Linie um die Sache, nicht um einen Dialog der Generationen“, erläutert Bock.

Kontrast-Thema Freiheit
Die Workshop-Teilnehmenden kommen aus Köln, Pulheim und Odenthal. Viele von ihnen sind Mitglieder evangelischer Kirchengemeinden. Einige trainieren seit Jahren Schauspiel, andere betreten Neuland. „Trotz des auch altersbedingt unterschiedlich großen Erfahrungsschatzes ist die Gruppe ziemlich gut zusammen gewachsen“, schildert Kaenders. Zunächst beschäftigten sich die Jugendlichen verbal mit den Äußerungen Luthers zum Kontrast-Thema Freiheit: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Sie diskutierten über die Bedeutung des Glaubens, verfassten Texte, tauschten sich auch über das eigene Ringen um Wahrheit aus. Gibt es Schnittpunkte? Was berührt uns? Was hat Freiheit mit uns zu tun? „Ein wichtiger Arbeitsansatz war, dass wir nichts Vorgefertigtes einstudiert, sondern die Auseinandersetzung gesucht haben, mit Worten und körperlich“, spricht Kaenders von einem spielerisch sich entwickelnden Prozess. Einem Spiel mit Bewegung, Sprache und Raum.

„Wir haben alles selber erarbeitet aus Worten Luthers“
„Mich interessiert die Auseinandersetzung mit dem Thema“, begründet die 17-jährige Carina ihre Teilnahme. „Und dass wir es mit Bildern entwickeln und rüberbringen.“ Den ebenfalls Schauspiel-erfahrenen David (16) „reizt das Agieren in diesem riesigen Dom, dessen Atmosphäre“. Fabian (14) ist aus Spaß dabei, um mal was anderes zu erleben. „Auch, um zusammen mit Freunden etwas über Luther zu erfahren.“ Farina (14) findet das Projekt wichtig, weil es sich nicht nur auf Worte stützt, sondern auch die Sprache des Körpers berücksichtigt. „Wir haben alles selber erarbeitet aus Worten Luthers.“ Wie alle anderen zeigt sie sich begeistert von der Möglichkeit zu Improvisieren und mitgestalten zu können. Fünf Tage hat die Gruppe in Altenberg verbracht, „super versorgt“, wie Kaenders junge Assistentin Anja Kerrinnes ausdrücklich betont. Gearbeitet wurde von morgens bis spät abends. „Über mehrere Tage konnten wir uns intensiv gemeinsam konzentrieren“, so Kaenders.

Der Altenberger Dom als leerer Raum – und als Spielfeld
Geprobt wurde entweder in einem der kleineren Räume im Martin-Luther-Haus, dem Gemeindehaus des Pfarrbezirks, oder im nahen Dom. „Der Raum dieser Kirche ist ein ganz wesentliches Element“, erklärt Kaenders. „In ihm entfaltet sich das, was wir zuvor erarbeitet haben.“ Bei den Proben hätten sie festgestellt, dass der Dom zwar weit und hoch sei, letztlich aber ein einziger wunderbarer Raum. „In meiner Arbeit bin ich auf der Suche nach Inhalten, die außerhalb des rein Sichtbaren liegen. Dies bedeutet, Einlassen auf das, was da ist, was sich zeigen will und auf ein Sichtbarmachen wartet“, so Kaenders. Der Altenberger Dom habe der Gruppe als „leerer Raum“ und damit offenes Spielfeld gedient. Dabei seien Räume geöffnet, durch Sprache und Bewegung erlebbar gemacht worden.

Überraschungseffekt
„Man sollte als Mensch berührt werden, um selbst Menschen zu berühren“, so Kaenders, die gemeinsam mit den Jugendlichen darauf hofft, ihrerseits Räume „in den Köpfen, in den Herzen“ der Besuchenden zu öffnen. Altenbergs Pfarrerin Posche ist sehr gespannt auf die Darstellung. Sie nennt es einen „kleinen Überraschungseffekt“, dass die Reformationsfeier im alten, ehrwürdigen Dom ein modernes Konzept habe. „Das Jugendprojekt ist schon ein sehr Besonderes“, sagt sie, und meint damit auch dessen großzügige Unterstützung durch den Kirchenverband. „Diese Performance funktioniert nur in dieser Zusammenstellung, aus diesem Anlass, mit diesen Menschen, an diesem Ort“, hebt Kaenders die ausschließliche Bestimmung des Workshops hervor.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich