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Stadt Köln fördert Beratung von Menschen „ohne Papiere“

Für sie sind keine sozialen Netze geknüpft. Angst heißt ihr ständiger Begleiter. Angst davor, entdeckt, inhaftiert und abgeschoben zu werden. Angst vor Erkrankung, denn die Möglichkeiten (ohne entsprechende Versicherung) medizinische Versorgung anonym und kostengünstig in Anspruch nehmen zu können, sind rar. Die Rede ist von Menschen ohne Aufenthaltsstatus oder -titel. Ihre genaue Zahl ist unbestimmt. Im Großraum Köln sollen 10.000 bis 15.000 Menschen „ohne Papiere“ leben. Darunter befinden sich nicht nur abgelehnte Asylsuchende oder Menschen, die eingereist sind, ohne je einen Aufenthaltsantrag gestellt zu haben. Ebenso sind es in Deutschland geborene Kinder von Menschen „ohne Papiere“, Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Auch zunächst legal eingereiste Studierende, Au-Pairs und andere, deren Visum beziehungsweise genehmigter Aufenthaltszweck abgelaufen ist.

Empfehlungen vom „Runden Tisch“
Seit September 2011 steht diesen Menschen in Köln eine städtisch unterstützte Beratungsmöglichkeit offen. Zuvor schon haben entsprechende Einrichtungen irreguläre Migranten beraten. Dies aber größtenteils „ehrenamtlich“ und „nebenbei“, ohne öffentliche Zuwendungen und damit ohne jegliche Finanzierungsgrundlage. Das hat sich geändert. Im Juni letzten Jahres beschloss der Finanz- und Sozialausschuss des Stadtrates, 60.000 Euro aus Mitteln der Kulturförderabgabe („Bettensteuer“) bereit zu stellen. Der Beschluss basiert auf Handlungsempfehlungen des (vom Stadtrat eingerichteten) „Runden Tisches für Flüchtlingsfragen“. Erarbeitet wurden sie auf Grundlage der 2007 vorgelegten Studie „Menschen ohne Papiere in Köln“. Mit der wissenschaftlichen Untersuchung der lokalen „Lebenssituation irregulärer Migranten“ hatte auf Vorschlag des „Runden Tisches“ der Stadtrat 2006 das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück beauftragt. Auf dem Hintergrund der Ergebnisse legten die Autoren Michael Bommes und Maren Wilmes unter anderem nahe, einen institutionellen kommunalen Rahmen insbesondere für ein Beratungsangebot für Menschen ohne Papiere zu schaffen und das bestehende Angebot ihrer medizinischen Versorgung „infrastrukturell auszuweiten“.

Gelder für Flüchtlingsrat und Diakonie
Dem ist der Rat nun endlich gefolgt. Die Sicherstellung der Beratung von „Papierlosen“ obliegt dem neu gebildeten „Netzwerk Menschen ohne Papiere“. Ihm gehören fünf Träger an: agisra e.V. (Informations- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen, Caritasverband für die Stadt Köln e.V. (Therapiezentrum für Folteropfer/Flüchtlingsberatung), Rom e.V., Diakonisches Werk Köln und Region (Fachdienst Migration) sowie der Förderverein Kölner Flüchtlingsrat e.V. Diesen fünf Trägern stehen bis 31. August 2012 zweckgebunden jeweils 8.000 Euro zur Verfügung. Neben diesen insgesamt 40.000 Euro steuert die Stadt weitere 20.000 Euro dem Fonds „Armenbett“ bei. Dieser wird vom Fachdienst Migration des Diakonischen Werkes Köln und Region verwaltet und dient seit längerem der Übernahme/Erstattung von Kosten, die bei einer medizinischen Behandlung, bei einem stationären Krankenhausaufenthalt von Menschen ohne Aufenthaltsstatus anfallen.

Vertrauliche und kostenlose Beratung
„Köln ist Vorreiter, das Kölner Beispiel ist in dieser Form bundesweit einzigartig“, betont Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Fördervereins Kölner Flüchtlingsrat e.V., dessen Geschäftsstelle sich im Haus der Evangelischen Kirche befindet. Die Unterstützung dieser Beratungsarbeit habe durch die Entscheidung der Politik eine Struktur erhalten, so Prölß. Ein Flyer macht deutlich, wer die Netzwerkpartner sind und wohin Betroffene sich wenden können. Die vertrauliche und kostenlose Beratung erfolge zu familiären und persönlichen Krisen, zu Krankheit und Schwangerschaft, zum Kita- und Schulbesuch der Kinder. Schwerpunkte bildeten die Fragestellungen in Zusammenhang mit Möglichkeiten einer Legalisierung des Aufenthaltes oder einer Rückkehr in das Herkunftsland.

„Ohne Integration ist alles nichts“
Die fünf Träger des Netzwerkes tauschten sich regelmäßig aus, informiert Prölß. „Eine gemeinsame inhaltliche Arbeit drängt sich auf.“ Die Partner freuten sich, dass der Einstieg in eine städtische Förderung gelungen sei. „Wir hoffen, dass das keine einmalige Geschichte bleibt.“ Zumindest seien in den kommenden Haushalt diesbezüglich erneut 60.000 Euro eingestellt worden. Allerdings wurden ob der chronisch klammen Stadtkasse die Haushaltsberatungen und -beschlüsse verschoben. „Die Frage ist, ob auch diese freiwilligen Leistungen wie geplant beschlossen werden“, sorgt sich Prölß. Er fordert, die dauerhafte Finanzierung der Hilfen zu gewährleisten. „Aufgebaute Strukturen dürfen weder zerschlagen noch geschwächt werden. Das könnte dramatische Folgen haben. Wir hoffen, dass man das im Rat gut überlegt.“ Denn Integration sei ein Schlüsselaspekt auch in dieser Stadt. „Ohne Integration ist alles nichts“, spricht er das Thema sozialer Friede an. Menschen in humanitären Notlagen müssten Hilfsmöglichkeiten geboten werden. Die neue Struktur wirke in die Zivilgesellschaft hinein, die hoffentlich diesen Personenkreis weder ausgrenze, noch allein lasse.

Begehbare Wege in die Legalität
Seit Beginn der Förderung habe sich die Zahl der diesbezüglichen Anfragen in allen Netzwerk-Einrichtungen deutlich erhöht, stellt Prölß fest. Die Adressen seien zwar schon vorher bekannt gewesen, würden jetzt aber in eine breite Öffentlichkeit getragen. „Das ist schon eine neue Qualität“, so Prölß. „Die gestiegene Zahl belegt den bestehenden großen Bedarf.“ Prölß hofft, „dass der Bund und die Länder erkennen, dass die aus der Menschenwürde abgeleiteten Rechte auch für Illegalisierte gelten. Wir brauchen endlich ein Amnestiegesetz und für die Betroffenen begehbare Wege in die Legalität.“

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich