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„Lebendige Steine“ statt strenger Rauten in Frechen

Kein wuchtiger Steinaltar mehr, sein Nachfolger ist leicht versetzbar und hat skulpturale Qualitäten, die Kirchenwand wird nicht mehr von einem riesigen Kreuz dominiert, sondern ist gestaltet mit reflektierenden Rechtecken, statt der geraden Stufe gibt es eine barock geschwungene: Mit sparsamen Elementen hat die Künstlerin Gabriele Wilpers dem Altarraum der evangelischen Kirche Frechen ein neues Gesicht gegeben.

Viele Generationen haben seit ihrer Errichtung im Jahr 1716 an Frechens evangelischer Kirche auf der Hauptstraße herumgebaut und sie verändert – welche Gründe gab es jetzt, den Altarraum noch einmal neu zu gestalten? Die Antwort liefert Pfarrer Sven Torjuul, indem er die Auswahl des Entwurfs von Gabriele Wilpers begründet: „Sie war die Einzige, die die Probleme wirklich gelöst hat“.
Die Probleme: Wer die Kirche betrat, fand zur rechten Seite sofort die drei Altarstufen. Diese wenig einladende Eingangssituation war auch dadurch entstanden, dass der ursprüngliche Haupteingang zur Hauptstraße verschlossen und durch eine seitliche Eingangshalle ersetzt worden war. Den Altarraum dominierten ein klassischer Steinaltar, der auf einem weiteren Podest stand, und ein großes Wandkreuz.

Aufwertung des Eingangsbereichs durch hellen Marmor
Durch Gabriele Wilpers Entwurf gelangen die Besucherinnen und Besucher beim Betreten der Kirche in einen großzügigen Raum, weil die Altarkante in einem eleganten elliptischen Schwung etwas zurückweicht. In Richtung Kanzel, die etwas näher an die Kirchenbänke und somit an die Gemeindeglieder heranrückt, schwingt die Altarkante aus. Das schwarz-weiße Rautenmuster, ursprünglich vom Gemeinderaum in den Altarraum fortgeführt, wurde dort durch hellen Marmor ersetzt. Der Altar ist aus marmoriertem Holz gestaltet, das Taufbecken ist vom Altarpodest an den Eingang herangerückt und befindet sich jetzt auf einer Ebene mit der Gemeinde. „Das Taufbecken wertet so den Eingang auf“, lobt Torjuul.

Der Altar nimmt einen Kontakt mit dem Raum auf
Das Taufbecken ist nicht das einzige Element, das Wilpers vom erhöhten Altarraum zur Gemeinde verlegte: Eine der Kostbarkeiten der Gemeinde, eine Bibel aus dem 18. Jahrhundert, liegt jetzt aufgeschlagen in einem Schaukasten, den Platz bietet eine Nische in der ehemaligen Außenwand. „Niemand ist zum Altar hochgegangen, um sie zu lesen“, so Wilpers.
Das Ellipsenmotiv nahm Wilpers wieder am Unterbau des Altars auf, der je nach Gottesdienstform, zum Beispiel für Familiengottesdienste, versetzt werden kann und aus jedem Blickwinkel eine ansprechende Komposition bietet. „Mein Ziel war es, den Altar einen Kontakt mit dem Raum aufnehmen zu lassen“, erläutert Wilpers, die bereits im Ruhrgebiet und in Süddeutschland Kirchenräume gestaltete.

Leichtes Holzkreuz statt einem großen Wandkreuz
Die augenfälligste Veränderung ist die Position und Gestaltung des Kreuzes: Statt des großen Wandkreuzes befinden sich schmale, rechteckige Glasplättchen an der Altarrückwand. Das Wandkreuz ist durch ein leichteres Hochkreuz aus Holz ersetzt, das sich am Schnittpunkt der unteren und oberen Ellipse befindet, auffällig sind Einkerbungen und Leerstellen an den Kreuzbalken. „Die Glaselemente können die Leerstellen am Kreuz füllen“, beschreibt Wilpers ihre Verbindung. In erster Linie reflektieren die mit Metallfolie hinterlegten Glaselemente jedoch das Licht der Kristallleuchter und der Wandbeleuchtung. „Alle anderen Entwürfe wollten die alten Kristallleuchter abschaffen, Frau Wilpers hat sie als einzige einbezogen“, lobt Torjuul auch diese Verbindung von Alt und Neu. Das Gestaltungselement findet sich außerhalb des Gottesdienstraums, im Vorraum der Kirche, wieder. Das Gemeindemotto „Lasset euch selbst als lebendige Steine in das Haus einfügen, das von Gott erbaut wird und von seinem Geist erfüllt ist“, (1. Petrus 2, 5) empfängt dort die Besuchenden in wechselnder Typographie, die reflektierenden Rechtecke sind in die Schriftzeichen eingearbeitet. Die Starre und Strenge der alten Raumaufteilung ist so einer organischeren Gestaltung gewichen, die den historischen Raum behutsam belebt und Barockelemente aufgreift.

Info: Die 1716 noch als Hauskirche errichtete Evangelische Kirche Frechen ist eine der ältesten protestantischen Kirchen im Kölner Umland. In ihrer wechselvollen Geschichte wurde sie mehrfach umgebaut, erweitert und neu ausgerichtet. 1913 wurde zum Beispiel der damalige Wohnteil abgerissen, dafür entstanden eine Eingangshalle und ein Turm. Zu den ältesten Ausstattungsstücken gehört eine Bibel aus der Entstehungszeit der Kirche.

Text: Annette von Czarnowski
Foto(s): Annette von Czarnowski