Dass es den alten Eltern gutgeht, ist eine Herzensangelegenheit vieler Söhne und Töchter. Besonders, wenn ein Elternteil dement geworden ist. Um eine gute physische, aber vor allem psychische Versorgung für die ältere Generation zu gewährleisten, gibt es eine neue Möglichkeit der Antoniter Siedlungsgesellschaft mbH (ASG): Die Unterbringung eines Elternteils in einer sogenannten „Demenz-WG“. Vor kurzem haben drei Bewohnerinnen und Bewohner ihr neues Domizil in Lindlar bezogen. Weitere können noch hinzukommen. Insgesamt sind acht Plätze in der Wohngemeinschaft vorhanden.
„Nicht allein und nicht im Heim“ lautet das Motto der ambulant betreuten Wohngemeinschaft. Die Bewohnerinnen und Bewohner leben als Mieter zusammen und wählen gemeinsam einen ambulanten Dienst, um eine Rund-um-die Uhr-Betreuung sicherzustellen. Das geht natürlich nur mit Hilfe der Angehörigen und Betreuer. Durch deren intensiven Einsatz – verbunden mit zahlreichen Absprachen – wird alles geregelt: die Summe des Geldes in der Haushaltskasse, die Inneneinrichtung und auch, wer später noch einziehen kann und wer nicht. Damit das funktioniert, gründen die Bewohnerinnen und Bewohner eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und schließen den gemeinsamen Mietvertrag.
Der Jurist (Rechtspfleger) Dieter Kahl hat zusammen mit seiner Mutter die Demenz-WG in Lindlar ausgesucht, in der sie seit kurzem lebt. In einem Interview erzählt er davon, wie es zu diesem Schritt gekommen ist.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, für Ihre Mutter eine Demenz-WG zu suchen?
Dieter Kahl: Den ersten Gedanken hatte ich im Mai 2011, als mein Vater starb, der sie bis dahin versorgt hatte. Meine Geschwister und ich, wir mussten von heute auf morgen eine Lösung finden. Kurzfristig war sie im AGO-Seniorenzentrum untergebracht, weil da noch freie Plätze waren. Da meine Mutter noch nicht hochgradig dement ist, kam sie dort auf ein normales Pflegezimmer. Sie wurde gut versorgft, keine Frage. Aber sie saß dort oft allein in ihrem Zimmer. Meine Schwester, die in Lindlar wohnt, erfuhr dann vom Bau der Demenz-WG. Das hörte sich alles ganz toll an. Wir haben uns für Lindlar entschieden, weil zwei meiner Geschwister dorot wohnen und uns dieses Konzept gut gefiel.
Welches Konzept meinen Sie?
Dieter Kahl: Das gemeinsame Wohnen mit einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Die Mitglieder der WG sitzen nicht allein in ihrem Zimmer, sondern sind mit den anderen Bewohnern zusammen. Sie werden rund um die Uhr betreut und bekommen viel mehr Ansprache als in einem Heim.
Welche Erwartungen haben Sie an die WG?
Dieter Kahl: Ich erwarte, dass sich meine Mutter dort wohlfühlt und glücklich wird. Dass sie in der WG alt werden kann und bis zu ihrem Tod dort bleiben kann. Ich habe nicht die Erwartung, ein Rundum-Sorglos-Paket zu buchen, und komme selbst sonntags nur mal zum Kaffe vorbei. Im Gegenteil, wir Angehörige wollen auch Einfluss nehmen. Das kann man in der Wohngemeinschaft.
Vorn im Bild: die Demenz-WG im Ensemble von Eigentumswohnungen und Kirche
Wie würden Sie gern Einfluss nehmen?
Dieter Kahl: Ich gebe zu, ich war am Anfang sehr skeptisch. Es besteht ja ein finanzielles Risiko, weil wir in einer GbR-Gesellschaft sind. Als GBR haftet der eine Gesellschafter für den anderen. Dies betrifft jedoch nur die Miete. Für die Forderungen der Betreuungs- und Pflegeleistung haftet jeder Einzelne. Die einzelnen Mitbewohner bzw. deren Angehörige bilden eine Gesellschaft, und die sind ja verantwortlich, auch für den Pflegedienst. Zum Glück erhalten wir Unterstützung durch Frau Schneider von der Agentur für Wohnkonzepte. Und die ASG hat versprochen, bis Mitte 2012 wir auf die Miete zu verzichten, von den Wohnungen, die noch nicht belegt sind. Die Demenz-WG ist ja ausgelegt für acht Leute.
Wie gehen Sie mit dem Risiko um?
Dieter Kahl: Ich wollte auf keinen Fall das Geld, das sich mein Vater mühsam erspart hat, auf den Kopf hauen. Durch Frau Schneider habe ich die Demenz-WG in Köln-Bayenthal kennengelernt. Dort sagte man mir: Das ist natürlich ein Risiko, aber sie können sich überlegen, ob Ihnen die gute und verbesserte Lebenssituation ihrer Mutter dieses Risiko wert ist. Da habe ich gedacht: Man geht so viele Risiken im Leben ein, bei einer Kreuzfahrt oder einem Autokauf zum Beispiel. Und das Konzept hat micht schließlich überzeugt. Jetzt fühlt sich meine Mutter wohl in der Demenz-WG. Sie geht nur noch zum Schlafen in ihr eignes Zimmer. Dieses Wohlfühlen muss einem das Risiko wert sein – als Angehöriger. Ich bin derjenige, der für sie sie Verantwortung hat. Ich muss mir Gedanken machen. Mit den anderen Angehörigen in der Familie muss man sich einig sein. Und die komplette Familie trägt das mit.
Foto(s): ASG