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„Gott und die Kölner sprechen die gleiche Sprache“ – Karnevals-Gottesdienst im Dom

Wenn ein evangelischer Pfarrer in der Hohen Domkirche zu Köln für einen Gänsehautmoment sorgt und der Kardinal in seiner Predigt Witze reißt – dann wird am Tag darauf das Dreigestirn proklamiert. Und am Abend vorher feiern die kölschen Jecken traditionell einen ökumenischen Karnevals-Wortgottesdienst. Der Dom war rappelvoll. „Die ersten Leute im Kostüm kamen schon um halb drei“, erzählte ein Domschweizer. Der Gottesdienst begann um halb sieben. Wer pünktlich kam, hatte Pech. Da waren selbst alle Stehplätze besetzt, von denen man einen Blick auf den Altar werfen konnte.

Ganz vorne standen die Standartenträger mit den Plaggen der Karnevalsgesellschaften. Dahinter saßen hunderte Jecken in vollem Ornat. Weiter hinten individuell Kostümierte jeden Alters. Für die katholische Seite predigte Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Der Bedburger Pfarrer Gebhard Müller vertrat Stadtsuperintendent Rolf Domning, der wegen der Synode der rheinischen Landeskirche verhindert war. Müller kennt sich im organisierten Frohsinn bestens aus. Er war schließlich 2016 Jungfrau im Bedburger Dreigestirn. Und anders als der Kardinal spricht er ein astreines Kölsch.

Und das wiederum harmonierte vorzüglich mit dem Motto der Session: „Uns Sproch es Heimat“. Dieses Motto war denn auch der rote Faden des Gottesdienstes. Müller warf in seiner kurzen Ansprache einen Blick auf seine eigene Familiengeschichte. „Meine Mutter war ein evangelisches Mädchen aus der Pfalz. Mein Vater war ein Katholik aus Köln-Poll. Die haben in den 50er Jahren konfessionsverbindend gelebt, was damals nicht einfach war. Aber sie haben es geschafft. Und jetzt stehe ich hier als Blaukopp im Dom und feiere einen Gottesdienst.“ Müller appellierte an die Jecken, mehr auf die leisen Töne zu setzen. „Es ist sehr laut geworden in unserer Zeit.“

Auf den Straßen würden üble Parolen skandiert, das Internet sei randvoll mit teilweise bösartigen Attacken. Zuhören sei eine Kunst, die immer weniger Menschen beherrschten. Müller erinnerte an die Emmaus-Geschichte aus dem Lukas-Evangelium: „Durch Zuhören haben sie ihn erkannt.“ Gott fordere von den Menschen Frieden und Toleranz. „Jeder Jeck es anders. Wir müssen die Menschen so nehmen, wie sie sind.“ Und als der Pfarrer dann mikrofonverstärkt das Stammbaumlied der Bläck Fööss anstimmte und die Gemeinde gleich einfiel, war Gänsehaut garantiert: „Ich wor ne stolze Römer, kom met Caesar‘s Legion, un ich ben ne Franzus, ich kom mem Napoleon. Ich ben Buur, Schreiner, Fescher, Bettler un Edelmann,Sänger un Gaukler, su fing alles aan…“.

Die Geschenke der Karnevalisten bekam allerdings der Kardinal.  Beispielsweise eine Sessionskerze vom Kölner Kinderdreigestirn. Die symbolisiert die 180 Sprachen, die in Köln gesprochen werden, und wird bis Aschermittwoch am Dreikönigsschrein brennen. Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval überreichte Woelki eine Stola. Eine Seite ist mit dem „Vater unser“ bestickt, die andere Seite sei dem kölschen Lappenclown nachempfunden, wie Kuckelkorn augenzwinkernd anmerkte. Das Dreigestirn wird in den nächsten Tagen auf Initiative des Kardinals eine Generalaudienz mit Papst Franziskus in Rom besuchen. Ein Fässchen Kölsch nimmt Woelki auch in jedem Jahr in Empfang. Allerdings: „Ich habe noch in keinem Jahr auch nur einen Tropfen von dem Kölsch gesehen. Das Fass wird wohl noch während des Gottesdienstes von den Küstern oder der Dombauhütte konfisziert.“

Den Korb mit Leckereien, in kölschen Fastelovend als „Fresskorb“ bekannt, hat der Kardinal im vergangenen Jahr vermisst. „Ich habe das auch angemerkt“, kommentierte er lachend die diesjährige Übergabe des Korbes. Er werde ihn noch am gleichen Abend in einer Obdachloseneinrichtung in der Nähe seiner Wohnung abgeben. In seiner Predigt ging Woelki auch auf die Pfingst-Geschichte aus dem Lukas-Evangelium ein. „Beim ersten Pfingstfest konnte plötzlich jeder jeden verstehen. Weil sie die Sprache gesprochen haben, die Gott ihnen gegeben hat. Die Sprache des Heiligen Geistes.“

Da aber auch der Karneval zu seinem Recht kommen sollte, konnte sich der Kardinal einen Witz nicht verkneifen. „Nachdem bei der Erschaffung der Welt am neunten Tag alle einen Dialekt bekommen hatten, die Hamburger, Berliner, Hessen und Bayern, stand nur noch der Kölner traurig in der Ecke. Er war leer ausgegangen. Da dachte Gott kurz nach und sagte: Hör op ze kühme. Dann sprichste halt einfach genau so wie ich.“ Gelächter im Dom: „Aber genau so ist es“, fuhr Woelki fort: „Gott und die Kölner sprechen die gleiche Sprache. Wir sind deshalb davon überzeugt, dass Gott gut mit uns kann.“ Und weiter: „Gottes Sprache ist die Sprache der Mitmenschlichkeit und der Solidarität. Es ist eine Sprache, die Unterschiede respektiert, aber keine Unterschiede macht. Es ist die Sprache, die Menschen Heimat gibt, ganz gleich, wo auf dieser Welt sie sich gerade befinden, wo sie stranden oder wo sie zurückgewiesen werden.“ Oder wie es im Stammbaum der Bläck Fööss heißt: „Ich ben Grieche, Türke, Jude, Moslem un Buddhist, mir all, mir sin nur Minsche, vür‘m Herjott simmer glich.“

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann