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„Da waren selbst die Bayern schneller als wir hier im Rheinland“

Frauen auf der Kanzel – heutzutage ist das in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) ein gewohntes Bild. Das war nicht immer so. Erst vor 40 Jahren, im Januar 1975, beschloss die damalige Landessynode die volle rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern im Pfarrdienst. Bis dahin hatten Theologinnen gegen eine ganze Reihe von Widerständen und Vorurteilen in der Amtskirche und bei ihren männlichen Kollegen zu kämpfen. Und auch dann dauerte es noch lange, bis Pfarrerinnen Leitungsfunktionen übernahmen. Heute ist gut ein Drittel der 1.870 Pfarrstellen mit Frauen besetzt, mit steigender Tendenz: In Vikariat und Probedienst liegt der Frauenanteil inzwischen bei über 60 Prozent.

Ein Blick zurück: In den 1920er Jahren stieg mit den wachsenden Gemeinden in den Großstädten auch der Bedarf an Arbeitskräften, die das Pfarramt entlasten konnten. Das Kirchengesetz der Altpreußischen Union von 1927 beschränkte den Auftrag der Theologinnen auf die Zuarbeit und Entlastung des Pfarramts. Dies wurde auch in der Amtsbezeichnung deutlich: Frauen wurden nicht Pfarrerin, sondern Vikarin. Sie wurden eingesegnet, nicht aber ordiniert. Eingesetzt wurden sie nur „zur Wortverkündigung im Kindergottesdienst, ferner vor allem für Frauen und Mädchen in Bibelstunden, Bibelsprechstunden und Andachten; zur Lehrtätigkeit; zur Seelsorge insbesondere an der weiblichen Jugend, in Mädchenheimen und Frauenabteilungen“.

Wer heiratete, musste aus dem Amt ausscheiden
Die „pfarramtliche Tätigkeit im Gemeindegottesdienst“ und die Verwaltung der Sakramente (Taufe und Abendmahl) blieben ihnen verwehrt. Festgeschrieben wurde auch eine sogenannte Zölibatsklausel, die noch bis 1973 galt: Wenn eine Vikarin heiratete, musste sie aus dem Amt ausscheiden. Während des Zweiten Weltkrieges durften einige Theologinnen dann Lücken füllen, die entstanden, wenn Pfarrer zum Wehrdienst eingezogen wurden. Nach dem Krieg wurden sie jedoch aus den pfarramtlichen Aufgabenfeldern wieder hinausgedrängt und suchten sich Aufgaben im schulischen Bereich.

Die Ausstellung "Pionierinnen im Pfarramt" ist im November im Kirchenkreis Köln-Süd zu sehen.
Eingeschränkte Ordination in den 50er Jahren
Auch in den 1950er und -60er Jahren ging es nur langsam voran auf dem Weg zur Gleichstellung im Pfarramt. 1950 – ein Jahr, nachdem im Grundgesetz die Gleichberechtigung von Mann und Frau festgeschrieben wurde – verabschiedete die rheinische Synode das „Kirchengesetz betreffend Vorbildung und Anstellung der Vikarinnen“. Es erlaubte Theologinnen eine eingeschränkte Ordination, bestimmte aber weiter, dass mit der Heirat der Beruf zu ruhen hatte.

Familie trat aus Protest aus der Kirche aus
Als Hannelore Häusler 1976 in die Pfarrstelle der Kirchengemeinde Brüggen/Erft eingeführt wurde, trat eine ganze Familie aus der evangelischen Kirche aus und erklärte öffentlich, dass sie es falsch fände, wenn eine Frau den Pfarrdienst übernimmt. Häusler ließ sich von den damals noch weit verbreiteten Vorbehalten gegenüber Frauen auf der Kanzel aber nicht abschrecken. 1992 wurde die Theologin schließlich sogar als erste Frau Superintendentin im Kirchenkreis Köln-Süd, damit war sie auch gleichzeitig die erste Superintendentin in der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Paragraf 7 besagte, eine verheirate Pfarrerin muss ausscheiden
„Es war ein sehr langer Prozess in der rheinischen Kirche bis zur Änderung des Gesetzes, da waren selbst die Bayern eher fertig als wir hier im Rheinland“, erinnert sich Häusler an die Zeit vor 40 Jahren. „Die Kirchenordnung änderte sich ja erst 1975, und Paragraf 7 besagte, eine verheirate Pfarrerin muss ausscheiden – und ich war verheiratet“, bemerkt die Ruheständlerin in einem Interview anlässlich der Ausstellung „Pionierinnen im Pfarramt – 40 Jahre Gleichstellung von Frauen und Männern in der Evangelischen Kirche im Rheinland“, die im Januar auf der Landessynode zu sehen war und im November dieses Jahres in den Kirchenkreis Köln-Süd wandert.

„Ins Vikariat können Sie ja sowieso nicht gehen.“
Die Widerstände, denen Häusler als verheiratete Pfarrerin gegenüberstand, hatten sie umso mehr angespornt zu sagen: „Ich gebe nicht auf“. Bei der Aushändigung ihres Examenszeugnisses etwa, sagte man ihr: „Ins Vikariat können Sie ja sowieso nicht gehen.“ Gegen diese Benachteiligung wollte Häusler juristisch vorgehen. Wegen der kurzen Zeit später erfolgten Gesetzesänderung konnte sie darauf verzichten. Zudem habe sie große Unterstützung von ihrem damaligen Superintendent in Mülheim an der Ruhr erfahren.

Auf gar keinen Fall aufgeben!
Über eine Begebenheit während ihres Studiums hat sie sich sehr geärgert: Als sie eine Probepredigt halten sollte, habe ein Theologie-Professor zu ihr gesagt: „Denken Sie daran, dass Sie schwarze Strümpfe anziehen!“ Das habe sie als eine derartige Beleidigung empfunden, „das werde ich nie vergessen“, sagt die ehemalige Superintendentin, die im Jahr 2000 in den Ruhestand verabschiedet wurde. Trotz einiger Hürden hat Häusler ihre Arbeit immer als sehr bereichernd empfunden, so dass sie heute jungen Theologinnen den Rat gibt „Auf gar keinen Fall aufgeben, auch wenn es noch so aussichtslos erscheint. Es öffnen sich Türen, die man vorher gar nicht gesehen hat.“

Text: Knapic/EKiR
Foto(s): Angelika Knapic