30. Januar 1933. Reichspräsident von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum Reichskanzler. Was bei den Nationalsozialisten einen „Jubelrausch“ auslöste, bedeutete faktische das Ende der Weimarer Republik. Ihre Macht verstanden die Nazis „mit atemberaubender Geschwindigkeit“ zu etablieren. In allen Lebensbereichen. Sie hoben die demokratischen Freiheiten auf, verboten oppositionelle Parteien und Verbände. Zehntausende politische Gegner und Andersdenkende wurden inhaftiert. Jüdische Bürgerinnen und Bürger diskriminiert und verfolgt. Binnen weniger Monate legten die neuen Machthaber mit ihrem Terrorsystem das Fundament für eine zwölfjährige Diktatur. Auch in Köln.
Mit der Veranstaltungsreihe „1933: Köln wird braun“ wird an die Anfänge der NS-Herrschaft erinnert. Das Projekt, das unter der Schirmherrschaft von Verleger Alfred Neven DuMont, WDR-Intendant Fritz Pleitgen und Oberbürgermeister Fritz Schramma steht, geht zurück auf eine Initiative von Heinz Humbach vom Verein EL-DE-Haus. Die Idee des 74-Jährigen, die Ereignisse von 1933 nach sieben Jahrzehnten ausführlich zu vergegenwärtigen, „bevor die Generation der Zeitzeugen ausgestorben ist“, wurde seitens des NS-Dokumentationszentrums bereitwillig aufgegriffen. Namentlich von Werner Jung (Foto), langjähriger stellvertretender Leiter und seit Dezember Direktor der städtischen Einrichtung im EL-DE-Haus am Appellhofplatz.
Insgesamt wird die Reihe von 17 lokalen Organisationen getragen. Von der AG Arsch huh, Zäng ussenander über den DGB Köln-Leverkusen-Erft, die Fachhochschule, Universität und Polizei, das Schauspiel, die Synagogengemeinde und Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ BdA bis hin zur Werkstatt für Ortsgeschichte Köln-Brück. „Es ist ein breites Bündnis entstanden, das in dieser Zusammensetzung gar nicht so selbstverständlich ist“, betont Jung. Innerhalb eines Arbeitskreises verständigte man sich darauf, statt einer Ausstellung verschiedenartige Veranstaltungen zu acht prägnanten Ereignissen zu organisieren.
Darunter selbstverständlich der Tag der nationalen Machübernahme, der 30. Januar, an dem in der Halle Kalk unter Leitung von Torsten Fischer die szenische Collage „Ein Volk im Freiheitsjubel“ mit Darstellerinnen des Schauspielhauses Köln stattfindet.
Darunter der Tag der Machtübernahme in Köln am 13. März. Darunter auch der Boykott-Tag gegen jüdische Geschäfte, Kanzleien und Ärzte, mit dem am 1. April reichsweit die Ausschreitungen gegen Juden ihren ersten „Höhepunkt“ erreichten.
Bis zum Abschluss der Reihe am 17. Mai, dem Tag der Bücherverbrennung vor der Alten Universität in der Südstadt, heute Fachhochschule, stehen zahlreiche Vorträge und Gedenkaktionen, Diskussionen und Lesungen, Theater- und Musikaufführungen auf dem Programm. „Wir wollen das Prozesshafte der Machtübernahme veranschaulichen“, erläutert Jung. „Zugleich die Dynamik der ersten Monate des Jahres 1933 verdeutlichen, den Umfang der Maßnahmen.“
Zum Auftakt trafen sich am 4. Januar zwei Dutzend Menschen zu einer Mahnwache vor dem Haus Stadtwaldgürtel 35. In der Villa des Kölner Bankiers Kurt Freiherr von Schröder, der zum wirtschaftlichen Beraterkreis der NSDAP gehörte und schnell Karriere im NS-Staat machen sollte, fand vor siebzig Jahren ein Geheimtreffen von Hitler und dem früheren Reichskanzler Franz von Papen statt. „Dabei wurde insbesondere erörtert, wie hinter den Kulissen die Widerstände bei Reichspräsident von Hindenburg gegen eine Kanzlerschaft Hitlers überwunden werden konnten“, fasst Jung zusammen.
Mitgetragen wird die Veranstaltungsreihe auch von der Melanchthon-Akademie. Brigitte Gensch, Pfarrerin z.A. an der Akademie, begrüßt die besondere, vielfältige, auch künstlerische Form des Erinnerns und Gedenkens. So ist die Bildungseinrichtung unter anderem Mitorganisatorin der ökumenischen Veranstaltung „Kirche im Nationalsozialismus“ am 28. März in St. Peter. Dabei soll vor allem die „offene Sympathie“ thematisiert werden, die viele Theologen und Amtsträger beider christlichen Kirchen nach der Machtübernahme für Hitler offenbarten. Neben der „Kundgebung der katholischen Bischöfe“ wird der Pastoralbrief des Generalsuperintendenten Stoltenhoff vom 1. Mai verlesen. In diesem internen Rundschreiben an seine rheinischen Brüder begrüßte Stoltenhoff laut Gensch die „Wiederherstellung der alten Ordnung und Werte“. Lieferte er „die theologische Abfederung“ und bezog eindeutig Stellung: „Wir haben viel Grund, zu dem nationalen Umbruch, in dem wir stehen, mit Dank gegen Gott ein freudiges Ja zu sagen.“
Das kostenfreie Programmheft zu „Köln wird braun“ liegt aus im NS-Dokumentationszentrum, Appellhofplatz 23-25. Weitere Informationen.
Foto(s): broich