Zum dritten Mal wurde das große Kunst- und Kulturfest „Birlikte“ gefeiert. Nachdem es 2014 unter dem Motto „Zusammenstehen“ stand und im Jahr darauf das „Zusammenleben“ gefördert werden sollte, hatte das Veranstalterbündnis dieses Mal das „Zusammenreden“ in den Mittelpunkt gestellt.
Die Initiatoren wollten damit „den ständigen Dialog aller, die in der Stadtgesellschaft leben“ anstoßen. Doch dann stürmten Demonstranten auf die Bühne des Depots 1 im Carlswerk und verhinderten die Diskussion zwischen der Integrationsforscherin Naika Foroutan und dem AfD-Mitbegründer Konrad Adam. „Rassisten keine Bühne bieten“ stand etwa auf den Bannern, ganz so, als seien Rechtspopulisten, AfD-Politiker – und ihre Wähler – nicht Teil der Bürgergesellschaft, als könne man sie nicht mit Argumenten stellen.
Demonstranten stürmen Diskussion mit AfD-Mitbegründer
Sogar Meral Sahin von der IG Keupstraße, die zu den Veranstalterinnen gehörte und immerhin die Opfer des Nagelbomben-Attentats im Jahre 2004 vertritt, musste sich von den Demonstranten ausbuhen lassen, als sie im Tumult zur Besonnenheit riet und die Fortsetzung der Veranstaltung forderte. So blieb dem Schauspiel-Intendanten Stefan Bachmann, Hausherr im Depot 1, nichts anderes übrig, als die Diskussion aus Sicherheitsgründen abzubrechen. Ein Vorgang, über den sicher noch zu reden sein wird. Meral Sahin jedenfalls war geschockt, zeigte sich aber tapfer und möchte nach dem Grundsatz „Jetzt erst recht“ auch im kommenden Jahr wieder ein „Birlikte“-Fest feiern.
Gewitter beenden das Fest vorzeitig
Ein zweites Desaster bahnte sich mit den nahenden Gewitterwolken an: Um 19 Uhr mussten alle weiteren Programmpunkte abgesagt werden, nachdem den ganzen Tag über wieder viele Mensch auf dem Außengelände des Carlswerks, in der Schanzenstraße und der Keupstraße gut gelaunt zu Klängen von Folklore- bis Rockmusik unterwegs waren und an zahlreichen Imbiss-Ständen versorgt wurden. Das große Unwetter blieb dann allerdings aus, doch das Fest war vorbei.
Dialog-Marathon auf dem Carlswerk-Gelände
Vorher hatten sich die Besucherinnen und Besucher immerhin auf dem großen „Dialog-Marathon“ in den vom Schauspiel Köln angemieteten Sälen auf dem Carlswerk-Gelände über den Stand der Diskussion informieren und auch selbst in die Gespräche eingreifen können. Oberbürgermeisterin Henriette Reker etwa sprach mit dem Politikwissenschaftler Claus Leggewie über das Thema „Wem gehört die Stadt – Wer gestaltet die Stadt?“ und appellierte, bestehende Unsicherheiten durch gegenseitiges Kennenlernen zu überwinden. Während Leggewie mahnte, konkrete Prozesse in Gang zu setzen, um allen Gruppen eine angemessene Beteiligung am Leben der Stadt zu ermöglichen.
„Stadt hat zu wenig günstigen Wohnraum“
Auch FC-Präsident Werner Spinner zeigte sich in einem Gespräch, das unter der Überschrift stand „Wie gehen wir miteinander um?“, besorgt darüber, dass bestimmte Gruppen an den Rand gedrängt werden. Da wünsche er sich eindeutigere Signale von den Spitzen der Politik und der Verwaltung. Es sei doch zum Beispiel unverständlich, dass es nicht gelinge, eine menschenwürdige Unterbringung für alle Flüchtlinge zu organisieren.
Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat, den der Evangelische Kirchenverband Köln und Region mit seiner aktuellen Diakoniespende unterstützt, stimmte ihm zu: Die Pflicht zur Aufnahme der Flüchtlinge habe nicht zuletzt gezeigt, dass die Stadt viel zu wenig Wohnraum für Menschen bereit halte, die mit geringen finanziellen Mitteln zurechtkommen müssen. Hinsichtlich der Gruppe der Flüchtlinge sei zu befürchten, dass die Verschärfungen im Integrationsgesetz, aber auch der „Deal“ mit der Türkei das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Asyl aushöhlten.
Falsches Signal: „Verdachtsunabhängige Kontrollen“
Doch auch auf kommunaler Ebene zeigten sich bereits ungute Tendenzen: So könnten Kölner Polizisten mittlerweile „verdachtsunabhängige Kontrollen“ durchführen, die meist Menschen mit Migrationshintergrund und überdurchschnittlich häufig Flüchtlinge beträfen. In manchen Gaststätten am Rudolfplatz werde Menschen, die „arabisch“ aussehen, der Zutritt verwehrt, hieß es.
Flüchtlinge fordern schnelle Integration in den Arbeitsmarkt
Ein aus Nigeria stammender Künstler forderte im Verlauf der Diskussion, den Flüchtlingen solle ermöglicht werden, so rasch wie möglich eine Arbeit aufzunehmen. Er selbst hatte am Chlodwigplatz seine Kunst präsentiert, war mit Leuten in Kontakt gekommen, hatte sein Deutsch verbessert. Bis das Ordnungsamt vorbeikam und feststellte, dass er keine offizielle Erlaubnis hatte – 400 Euro Strafe, die muss er nun von seinem Taschengeld abstottern.
Foto(s): Hans-Willi Hermans