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Zum Beispiel: lernbehindert. Diakonie Michaelshoven informiert

„Ich bin lernbehindert. Aber ich schäme mich nicht dafür“, so stellt sich der 21-jährige Ismail Atasoy vor, der seit fast einem Jahr in einem von der Diakonie Michaelshoven betreuten Wohnprojekt für Menschen mit und ohne Behinderung in Köln-Mülheim lebt. Insgesamt 28 Nutzer mit unterschiedlichem Betreuungsbedarf bekommen dort zum Teil erstmalig die Chance, ein unabhängiges und selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung zu führen.

Vom Kinderheim in die Selbstständigkeit
Ismail Atasoy ist in seinem Leben schon häufig umgezogen. „Meine Eltern haben sich nicht verstanden und trennten sich, als ich neun Jahre alt war“, sagt er. seine Mutter war mit der neuen Lebenssituation und der Erziehung der vier Kinder überfordert. Mit neuneinhalb Jahren kam er deshalb in ein Kinderheim nach Düren, in dem er sieben Jahre lang lebte. Anschließend wechselte er in ein Kinderheim nach Köln-Sülz und lebte dort bis Februar 2009. „Ich hatte meiner Mutter damals versprochen, dass ich wieder zu ihr ziehe, wenn ich 18 Jahre alt bin“, erzählt er. Doch eigentlich reifte in ihm immer mehr der Wunsch, selbstständig zu leben, eine eigene Wohnung zu haben und eigenes Geld zu verdienen. Deshalb nahm der gebürtige Kölner 2009 an dem Projekt „Betreutes Wohnen auf Probe“ in Michaelshoven teil. hier lernte er gemeinsam mit weiteren Teilnehmern unter realen Bedingungen, einen eigenen Haushalt zu führen und Tagesstrukturen aufzubauen, die das selbstständige Leben erleichtern sollen.

Sich mit den verschiedensten Alltagssituationen auseinandersetzen
Ganz alleine musste sich Ismail Atasoy allerdings nicht dieser Herausforderung stellen. Vor allem sein Bezugsbetreuer Manuel von Gilsa stand ihm dabei zur Seite. Anfangs betrug die Betreuungszeit noch zehn Stunden in der Woche. Der Betreuer kam dabei regelmäßig vorbei, um seinem Klienten Hilfestellungen bei der Bewältigung des Alltags zu geben. „Einkaufen, Kochen, Haushaltsplan, Geldeinteilung – wir haben uns gemeinsam mit den verschiedensten Alltagssituationen auseinandergesetzt“, erinnert sich sein Bezugsbetreuer an die Anfänge. Außerdem wurde geklärt, wo und wie der 21-Jährige künftig leben wollte. „Es war bereits in den ersten Wochen klar, dass er in einer eigenen Wohnung und nicht in einer Wohngemeinschaft leben wird“, sagt Manuel von Gilsa.
2010 ging Ismails Wunsch in Erfüllung. Er zog in seine erste eigene Wohnung in dem neu gebauten Wohnprojekt in Köln- Mülheim. Die Wohnung hat 50 Quadratmeter, zwei Zimmer, eine Küche, Diele, Bad und auch einen gemütlichen Balkon. „Meine Wohnung mache ich zweimal die Woche sauber. Alles alleine, ohne Hilfe. Von mir können sich andere eine Scheibe abschneiden“, sagt Atasoy stolz. Das sei eine Besonderheit, fügt Manuel hinzu, denn nicht bei jedem klappe es so schnell. Hier kämen Ismail seine Erfahrungen aus den Kinderheimen zugute, wo er gelernt habe, bestimmte Gemeinschaftsaufgaben zu übernehmen. „Und er ist sehr motiviert“, fügt Manuel von Gilsa hinzu.

Behördengängen und Geldangelegenheiten….
Zurzeit besucht der Betreuer seinen Klienten noch sechs Stunden in der Woche, diese Zeit könnte demnächst reduziert werden, denn der 21-Jährige wird mittlerweile immer selbstständiger und sicherer. Ismail Atasoy lebt zurzeit von der Grundsicherung und dem Lohn für seine Arbeit in einer Betriebsstätte für Menschen mit geistiger Behinderung. Anfangs fiel es ihm schwer, mit dem Geld auszukommen, häufig gab er es zu schnell aus. „Aber in letzter Zeit klappt es ganz gut“, meint Ismail Atasoy. Mithilfe des Betreuers hat er gelernt, sich das Geld besser einzuteilen. so führten sie anfänglich ein Haushaltsbuch, sammelten die Kassenbelege, erstellten Einkaufslisten und durchforsteten aktuelle Angebote der Supermärkte. Darüber hinaus begleitete Manuel Ismail bei Behördengängen und unterstützte ihn in allen Geldangelegenheiten. „Das sind meine beiden Schwachstellen“, sagt Ismail. Heute bleibt dem 21-Jährigen noch genug Geld für seine Freizeit und fürs shoppen. er spart außerdem für die Erfüllung eines weiteren Wunsches. „Ich will Urlaub in der Türkei machen“, erzählt er. Das letzte Mal war er als Kind dort. Gemeinsam mit seinem besten Freund und dessen Familie soll es dann dieses Jahr wieder klappen. „Wenn ich in der Türkei bin, werde ich als erstes lecker essen, dann shoppen und zum Abschluss die Nacht zum Tag machen“, grinst er. Die Hälfte des Geldes für den Urlaub hat er schon zusammen.
Atasoy lebt gerne in seiner Wohnung, hält sie ordentlich und versucht, sie gemütlich einzurichten, wie zum Beispiel demnächst mit der Anschaffung neuer Lampen. „Meine Mutter und meine Geschwister kommen mich hier regelmäßig besuchen und übernachten dann auch hier“, sagt der familiäre Ismail . Und die Mutter ist stolz auf ihn, dass er seinen Weg in die Selbstständigkeit so gut meistert. „Nur das mit dem Kochen ist noch eine Baustelle“, gibt er zu. Das liegt vielleicht auch daran, dass er ungern alleine isst. „Alleine habe ich zwar meine Ruhe, aber ich bin dann auch mal traurig und fühle mich einsam“, gibt der 21-Jährige zu. Deshalb fragt er auch öfter mal seine Nachbarn, ob sie gemeinsam essen wollen.

Ziele setzen – und erreichen
Bevor er nach Köln-Mülheim gezogen ist, hatte er viele Ziele, von denen er bereits einige erreicht hat. er hat nun seine eigene Wohnung und eine Arbeit. „Ich wünsche mir aber noch eine nette Freundin und möchte dann irgendwann eine eigene Familie gründen“, sagt er mit fester Stimme. Und er möchte noch mehr erreichen. Deswegen beginnt er demnächst ein vierwöchiges Praktikum mit Aussicht auf eine Festanstellung. Ismail Atasoy versteht sich zwar sehr gut mit den Kollegen in der Werkstatt, aber er fühlt sich dort unterfordert und möchte in Zukunft mehr Geld verdienen. Manuel von Gilsa wird ihn bei der Verwirklichung dieses Wunsches begleiten und unterstützen. Damit sich Ismails Atasoys Träume auch weiterhin erfüllen

Text: Mit herzlichem Dank dem Magazin der Diakonie Michaelshoven entnommen
Foto(s): Diakonie Michaelshoven