„Die meisten Leute kennen nur den politischen Günter Grass und haben das Literarische nicht so vor Augen“, sagt Dr. Anselm Weyer. Der Germanist ist Tagungsleiter und Organisator des „Grass-Kongresses“, der anlässlich des 85. Geburtstages des Künstlers in der Kölner Trinitatiskirche stattfindet.
Golgatha-Radierung zeigt gekreuzigte Ratte
Zum Programm unter dem Titel „,Von Katz und Maus und mea culpa‘ – Religiöse Motive bei Günter Grass“ gehören eine Tagung, ein Gottesdienst, Stadtführungen und eine Grass-Ausstellung vom 21. September bis zum 17. Oktober. Veranstalter ist der Evangelische Kirchenverband Köln und Region. Im Zentrum der Ausstellung steht die „apokalyptische Epoche“ in Grass‘ Schaffen. Die Exponate stammen aus den 80er- und frühen 90er-Jahren. Hierzu gehören zum Beispiel Lithographien aus dem Zyklus „Totes Holz“, in dem Grass das Waldsterben thematisiert hat. Die Golgatha-Radierung hingegen zeigt eine gekreuzigte Ratte und bezieht sich auf Grass‘ Roman „Die Rättin“.
Das Bild steht immer auch unabhängig vom Werk
Das Besondere am Schriftsteller und bildenden Künstlers Grass ist, dass „das bildkünstlerische Werk keine bloße Illustrierung des literarischen Werkes von Günter Grass ist, sondern dass das Bild auch immer für sich steht“, erläutert Weyer, der über den Künstler promoviert hat. Roman und Bild seien bei Grass „eigenständige Künste“, die sich jedoch wechselseitig inspirieren. So habe der Autor die ersten Seiten der „Rättin“ auf Tontafeln geschrieben und diesen bildkünstlerischen Impuls später wieder ins Bild zurückimportiert.
Man muss keinesfalls ein Grass-Kenner sein
Natürlich ist es in Weyers Augen wünschenswert, wenn man sich die Mühe macht, Grass‘ literarische Werke zu lesen, da man hier doch mehr erfahren könne als aus dem Fernsehen, das oftmals zu einer sehr polemischen Darstellung neige. Aufgrund der Selbstständigkeit der Bilder braucht der Ausstellungsbesucher jedoch keinesfalls ein Grass-Kenner zu sein, wenngleich die Ausstellung den Besucher sicherlich dazu verführen kann, sich mit dem Werk des Künstlers näher zu befassen. Weyer schätzt den Klassiker „Die Blechtrommel“ sehr, aber auch das autobiografische „Beim Häuten der Zwiebel“, in dem Grass seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS publik machte, und die weniger populären „Unkenrufe“.
Die Öffnungszeiten der Ausstellung
Die Grass-Ausstellung ist zu folgenden Zeiten geöffnet: mittwochs von 10 bis 12 Uhr, donnerstags von 16 bis18 Uhr, sonntags von 11 bis 13 Uhr, und während der Veranstaltungen sowie zusätzlich – am Geburtstag des Künstlers – Dienstag, 16. Oktober, von 16 bis19 Uhr. Die Ausstellung findet mit freundlicher Unterstützung durch die SK Stiftung Kultur, die Sparkasse KölnBonn und das Kunsthaus Lempertz statt.
Vielfältiges Programm mit Inspiration
Für alle, die etwas tiefer in die Materie einsteigen möchte, bieten die verschiedenen Veranstaltungen Information und Inspiration. Den Auftakt bilden Vernissage und Tagungseröffnung am ersten Ausstellungstag, Freitag, 21. September, ab 19 Uhr. Es sprechen Stadtsuperintendent Rolf Domning, Professor Dr. Norbert Honsza und Professor Dr. Volker Neuhaus. Honsza ist der wohl rennomierteste Germanist Polens und ein persönlicher Freund des Schriftstellers. Neuhaus gilt als DER Grass-Experte.
Renommierte Wissenschaftler auf der Tagung
Am Samstag, 22. September, findet die Tagung statt mit renommierten Wissenschaftlern wie zum Beispiel Professor Dr. Julian Preece (Swansea), Professor Dr. Dorothee Römhild (Osnabrück) und Professor Dr. Rudolf Drux (Köln). Dr. Dieter Stolz, Mitherausgeber der aktuellen Grass-Werkausgabe, sein aktueller Lektor und Rechercheur, wirft einen Blick hinter die Kulissen in seine Werkstatt. Preece, der die wohl beste englischsprachige Monografie zu Grass verfasst hat, wird über „Günter Grass und die Heilsgeschichte“ sprechen. Weitere Themen sind unter anderem, Politik und Religion, Beerdigung und Tod in den Werken des Künstlers, aber auch Nonnen oder die kynozentrische Poetologie in den „Hundejahren“.
Kulturgottesdienst mit Germanistikprofessor Neuhaus
Der Kulturgottesdienst am nächsten Tag, Sonntag, 23. September, 10 Uhr, mit Prädikant und Germanistikprofessor Dr. Volker Neuhaus wird mit Grass-Texten gestaltet. Ab 14 Uhr bietet Dr. Anselm Weyer eine Führung auf den „Spuren von Günter Grass in Köln“ und eine Woche später, am Sonntag, 30. September, 13 Uhr, eine Ausstellungsführung, die sich speziell den Parallelen zwischen dem bildkünstlerischen Werk und der Literatur des Nobelpreisträgers widmet.
Der Künstler und Köln – zahlreiche Bezugspunkte
Dass der Grass-Kongress ausgerechnet in Köln stattfindet, hat viele Gründe. „Lange Jahre war Köln der Günter-Grass-Forschungsmittelpunkt, da Volker Neuhaus hier gewirkt hat, der Herausgeber seiner Werke“, erklärt Anselm Weyer. Neuhaus, der unter anderem auch eine Grass-Biografie geschrieben hat, ist Kurator der Ausstellung. Auch die Grass-Lektorin Daniela Hermes war in der Rheinmetropole tätig. Und wenngleich die meisten Menschen aufgrund des dritten Buches der „Blechtrommel“ bei Grass erst einmal an Düsseldorf denken, gibt es in den Werken des Künstlers einige Anklänge an Köln. So spielen die „Hundejahre“ im letzten Drittel hauptsächlich hier. „Man kann mit einem Grass-Textbuch wunderbar durch Köln gehen und die Stadt neu entdecken“, sagt Weyer, der häufig Stadtführungen durch Köln zu literarischen Themen anbietet.
Der Tagungsband zum Nach- und Weiterlesen
Zusammen mit Professor Dr. Volker Neuhaus wird Dr. Anselm Weyer einen Tagungsband herausgeben. Dieser soll die Tagungsbeiträge und eventuell weitere Aufsätze enthalten und nächstes Jahr im Verlag Peter Lang erscheinen.
Weitere Informationen gibt es bei Dr. Anselm Weyer, Telefon 0221/271 73 21, E-Mail: anselmweyer@web.de
Foto(s): Copyright Günter Grass