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Zehn Jahre „Runder Tisch für Integration“ in Köln

Friedliches Miteinander statt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, Dialog statt Ausgrenzung. Information und Aufklärung. Bürgerschaftliches Engagement für ein gelingendes Zusammenleben von Einheimischen, Zugewanderten, Migranten und Flüchtlingen in Köln – unabhängig von deren Herkunft, Nationalität und Religion. Dafür steht der „Kölner Runde Tisch für Integration“. Gemäß seinem Motto „Gemeinsam sind wir Köln“ setzt er sich ein für „Brückenschläge“. Er fordert auf zu Zivilcourage und Toleranz. Er befasst sich mit der sozialen und kulturellen Situation von Migranten. Zielt auf die verstärkte Sensibilisierung für das Thema und dessen entschlossene Behandlung in Politik und Verwaltung, wo letztlich über die erarbeiteten Lösungen für die entsprechenden Probleme entschieden wird.

Von „Ausländerfreundlichkeit“ zu „Integration“
Bei seiner Gründung im Dezember 1991 nannte er sich noch „Runder Tisch für Ausländerfreundlichkeit“. Damals hatten vielerorts engagierte Menschen auf Übergriffe gegen Asylbewerber, gegen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger mit der Bildung von „Runden Tischen“ reagiert. Auch in Köln kamen Menschen aus unterschiedlichen Einrichtungen und Lebensbereichen, Menschen mit und ohne deutschen Pass zusammen. Vertreten war dabei auch auch von Anfang an die evangelische Seite. So nahmen an der konstituierenden Sitzung der damalige Stadtsuperintendent Manfred Kock und der damalige Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte, Martin Hüneke, teil.

„Wichtige zivilgesellschaftliche Akteuren der Integrationspolitik unserer Stadt“
Zu den evangelischen Stimmen am „Runden Tisch“ zählt seit vielen Jahren unter anderem der Pfarrer i. R. Eckart Schubert. Der ehemalige Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte ist seit 2002 neben Hannelore Bartscherer, der Vorsitzenden des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, einer der beiden gewählten stellvertretenden Sprecher der Einrichtung. „Wir zählen zu den wichtigen zivilgesellschaftlichen Akteuren in der Integrationspolitik unserer Stadt“, so Schubert. Der Umgang mit dem zentralen Thema habe inzwischen eine Verschiebung erfahren. „Dominierte am ´Runden Tisch´ zunächst die Entrüstung über die Angriffe gegen ausländische Mitbürger unsere Arbeit, die Betonung unserer Ausländerfreundlichkeit, so steht seit fast einem Jahrzehnt die Bewältigung der Probleme und Herausforderungen der Integration im Vordergrund.“

Die evangelische ist „eine unter zahlreichen Stimmen“
Im Zuge einer konzeptionellen, organisatorischen Neuformierung sei im Oktober 2002 auch die Umbenennung erfolgt. Damals habe Dr. Hilmar Ankerstein, als Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., einer der maßgeblichen Initiatoren des „Runden Tischs“, sein Amt als Sprecher niedergelegt. Übernommen hat es Konrad Gilges. „Infolge der Neuorganisation lag es auch nahe, die Neutralität des ´Runden Tisches´ durch die Wahl von Kirchenleuten zu unterstreichen“, erklärt Schubert. Insgesamt sei die evangelische Kirche eine von vielen gesellschaftlichen Gruppen am „Runden Tisch“. „Wir stellen eine unter zahlreichen Stimmen dar“, betont Schubert. Er selbst sei „nicht ausdrücklich“ vom Kirchenverband delegiert. Vielmehr habe es sich so ergeben, dass der Kirchenkreis Köln-Mitte von Anfang an stärker am „Runden Tisch“ vertreten gewesen sei und seine Mitwirkung von ihm weiter getragen wurde. Aber auch ohne „offiziell benannte“ Vertretende unterstütze der Kirchenverband selbstverständlich das Anliegen der Einrichtung. Ihr gehören auch an Dorothee Schaper, Pfarrerin an der Melanchthon-Akademie, dort unter anderem zuständig für die Christlich-Muslimische Begegnung, an. Ebenso Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats, der 1984 im Haus der Evangelischen Kirche in Köln gegründet wurde und vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region mitgetragen wird.
Schubert verweist darauf, dass „die wir innerhalb der evangelischen Kirche in Köln und der Region unsere eigenen Projekte zum Thema gehabt und teilweise noch laufen haben“. In früheren Zeiten habe die evangelische Kirche in Köln und region sich in etlichen Projekten engagiert, sie mitfinanziert. Als Beispiel nennt Schubert „Asyl in der Kirche“. Ende der 90er Jahre sei diese Verfahrensweise eingestellt worden und eigene Fördervereine gegründet worden, so zum Beispipel der Verein Ökumenisches Netzwerk Asyl in NRW e.V.

Evangelische Beteiligung wurde über die Jahre zwar zahlenmäßig schwacher, dafür inhaltlich zielgerichteter
In der frühen Phase gehörten laut Schubert dem stimmberechtigten Plenum des „Runden Tisches“, das rund vier Mal jährlich zusammentritt, etliche kirchliche Organisationen und Vertretende an: Damals arbeiteten beispielsweise mehrere Pfarrerinnen und Pfarrer oder das Diakonische Werk mit. Wohl aufgrund der Wahrnehmung, dass das einst aktuelle Problem Ausländerhass zurückgegangen sei, falle die evangelische Beteiligung inzwischen zahlenmäßig schwächer aus. Ungeachtet dessen aber würde die Arbeit des „Runden Tischs“ mit seinen Themen immer wieder umfangreich und intensiv in Kirchengemeinden und auf Pfarrkonventen kommunziert. In Folge dessen engagierten sich Kirchengemeinden und einzelne kirchlich orientierte Menschen in diesem Bereich, nennt Schubert etwa die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Ehrenfeld als Beispiel. Sie habe sich mit dem Moscheebau vor Ort auseinander und für diesen eingesetzt.

Christinnen und Christen in der Rolle von „Schiedsrichtern“
Nicht selten äußere sich der kirchliche Einfluss am „Runden Tisch“, dessen Rechtsträger der Förderverein Kölner Runder Tisch für Integration e.V. ist, in einer vermittelnden Rolle, sagt Schubert. Beispielsweise beim „Fairness-Abkommen“, das auf Anregungen aus den Reihen der Mitglieder des „Runden Tischs“ zurückgeht. So wurden erstmals zur Bundestagswahl 1998 und bei allen folgenden kommunalen Wahlen die antretenden Parteien zu der Selbstverpflichtung eines fairen Wahlkampfs aufgefordert. „Wir wollen öffentliches Gewissen sein, nicht eine schweigende Mehrheit, sondern eine sprechende“, begründete der damalige Sprecher Ankerstein. „Unser Ziel war und ist es, dass die Parteien in Köln einen inhaltlich fairen Wahlkampf betreiben und nicht auf Kosten der hier lebenden Ausländer auf Stimmenfang gehen und Migranten nicht für Missstände in unserer Gesellschaft, etwa negative wirtschaftliche Situation oder Kriminalität, verantwortlich machen“, so Schubert. Er bekleidete als damaliger Superintendent als erster die Rolle des „Schiedsmanns“, der an der Spitze eines Gremiums über die Einhaltung der Vereinbarung zum fairen Wahlkampf wachte. Auch seine Nachfolger in dieser Position des „Runden Tischs“ sind christlich geprägt und parteiunabhängig: 2002 wurden Pfarrer Ernst Fey und Hannelore Bartscherer zu Schiedsleuten berufen. „Es hat keine Beschwerden über Verstöße in dieser Richtung gegeben“, fasst Schubert zusammen. „Wir mussten bisher nicht eingreifen“, sieht er durch das Abkommen das Bewusstsein für das Thema geschärft.

Vertagt: Das Kölner Integrationskonzept
Eine weitreichende Initiative startete der „Runde Tisch“ im Oktober 2006. Sie betrifft die „Entwicklung eines Kölner Integrationskonzepts, das alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche umfasst“. Bereits zwei Monate später beschloss der Stadtrat ein Gesamtkonzept für die Integration von Migrantinnen und Migranten. Mit der Erstellung des „Konzepts zur Stärkung der integrativen Stadtgesellschaft“ wurde das Interkulturelle Referat beauftragt. Unter dessen Leitung und Koordination skizzierten Vertretende „aller gesellschaftlich relevanten Gruppen“ in 23 Arbeitsgemeinschaften Voraussetzungen, Wünsche, Ziele und mögliche Verfahrensweisen. Schubert wirkt in der Gruppe „Religiöse Zusammenarbeit“ mit. Prölß und Schaper gehören weiteren Gruppen an. Obwohl die Ergebnisse längst zusammengefasst, die Handlungsempfehlungen in Ratsausschüssen beraten und dem Stadtrat zwecks Beschluss vorgelegt worden sind, kann noch kein Erfolg vermeldet werden. In der Dezember-Sitzung 2010 des Kölner Rats wurde die Verabschiedung des Konzepts vertagt. Die mehrheitlich beschlossene Verschiebung erfolgte auf Antrag der CDU, die weiteren Beratungsbedarf reklamiert. Man hätte selbstverständlich gern den Startschuss für die Umsetzung des Konzepts gehört, bedauert Schubert. Auch deshalb, weil es seiner Idee nach ohnehin einer laufenden Überarbeitung bedürfe. „Wir wissen, ein solches Konzept muss regelmäßig fortgeschrieben und aktualisiert werden.“ Nur solle man es endlich auf den Weg bringen. „Wir vom ´Runden Tisch´ meinen: Das Ganze muss eine zentrale Aufgabe der Stadt Köln sein, angesiedelt beim Oberbürgermeister.“ Um die Probleme anzugehen, müsse es gelingen, die unterschiedlichen Dezernate und städtischen Ebenen zur Mit- und Zusammenarbeit zu führen. Kritisch werde gesehen, dass offenbar auf Seiten der Stadt wichtige Leute noch nicht involviert seien.

Unverändert wichtige Anliegen
„Die Arbeit des ´Runden Tisches´ ist unverändert eine unheimlich wichtige Aufgabe“, fasst Schubert zusammen. Auch für die evangelische Kirche von Köln und Region stelle sie weiterhin ein nicht zu unterschätzendes Anliegen dar. Der entscheidende Punkt sei, so Schubert, dass der Kirchenverband bei den entscheidenden Themen und Punkten vertreten sein müsse. „Wir sollten den Kontakt nicht verlieren, sollten auch öffentlichkeitswirksam zeigen, dass wir diese Arbeit für wesentlich und belangreich halten.“ Um das zu unterstreichen, könne sich Schubert vorstellen, dass der Kirchenverband wichtige Vertreter formell dorthin delegiert.

Das Beratungsgremium des Vorstands des Evangelischen Kirchenverbands: der Arbeitskreis Migration
Dass die Thematik im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region stets aktuell war und ist, belegt unter anderem dessen „Arbeitskreis Migration“. Schubert gehört ihm in seiner Funktion als stellvertretender Sprecher und Mitglied des „Runden Tischs“ an. Ebenso wirken auch dort unter anderem Claus-Ulrich Prölß und Dorothee Schaper mit. Den Vorsitz hat Pfarrer Jost Mazuch, Synodalbeauftragter des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Mitte: „Der Arbeitskreis Migration ist ein Beratungsgremium des Vorstands des Evangelischen Kirchenverbands. Er beschäftigt sich mit allen relevanten migrations- und integrationspolitischen Fragen und Entwicklungen im Bereich des Verbands und der rheinischen Landeskirche.“ Angesiedelt sei der Arbeitskreis, der ehemals den Namen „Ausländer-Ausschuss“ trug, beim Verbandsvorstand. Der berufe auch die Mitglieder. Laut Mazuch, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg, gehören zu den Aufgaben des sechs Mal jährlich tagenden Arbeitskreises „die Sicherstellung des fachlichen Austauschs, Koordination der evangelischen Migrationsarbeit vor Ort, Zusammenarbeit mit der Evangelischen Landeskirche, Berichterstattung an den Verbandsvorstand und seine Gremien“. Selbstverständlich kooperiere man mit anderen Gruppen und Gremien in Stadt und Region. „In unserer Arbeit verzichten wir nicht auf fachliche Kompetenz von außen. Im Gegenteil. Wir nutzen sie, binden Hauptamtliche mit ein, holen uns auch anderswo Informationen“, so Mazuch.
Der Kreis schließt sich: Runder Tisch für Flüchtlingsfragen
Mazuch wiederum ist vom Evangelischen Kirchenverband an den „Runden Tisch für Flüchtlingsfragen“ in der Stadt Köln delegiert. Dort ist er einer von zwei Sprechern. Dieser „Runde Tisch“, an dem auch Prölß und Martina Domke für das Diakonische Werk und Region, besser gesagt: für dessen FACHdienst Migration mitwirken, ist auf Beschluss des Kölner Rates 2003 initiiert worden. Er setzt sich zusammen aus Vertretenden der Ratsfraktionen, der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, der Polizei, freier Träger und der Stadtverwaltung.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich