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Zehn Jahre Pflegedienst „Diakonie gGmbH Köln und Region“

Die Gemeindschwester, die mit Haube auf dem Kopf auf ihrem Fahrrad durch das Dorf fährt, war der rote Faden, der sich durch die Jubiläumsfeier zum zehnten Geburtstag der Diakonie gGmbH Köln und Region zog: Stadtsuperintendent Rolf Domning erinnerte sich in seinem Grußwort an die Diakonieschwester seiner Kindheit und Helga Blümel nahm „Schwester Martha, die jeder kannte“ als bildreiches Beispiel für die Anfänge professioneller ambulanter Pflege. Beide sprachen auf der Jubiläumsfeier der Diakonie gGmbH. Die wurde vor zehn Jahren als ambulanter Pflegedienst gegründet, um die damaligen Diakoniestationen der evangelischen Kirchengemeinden zu bündeln und sie für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen. „Eigentlich ein Kindergeburtstag“, sagte Helga Blümel in ihrer Funktion als Aufsichtsratsvorsitzende der Diakonie gGmbH. Trotzdem sei dies auch schon ein Jubiläum, um zurückzublicken.


Im „Haifischbecken Pflege“ bestehen
Als in den 1990er Jahren das Pflegeversicherungsgesetz eingeführt wurde, erkannten einige Gemeinden, dass die Wege innerhalb der kirchlichen Strukturen zu langwierig waren, um im „Haifischbecken Pflege“ bestehen zu können. 1999 beschloss daher der damalige Vorstand des Evangelischen Stadtkirchenverbandes Köln die Gründung einer gGmbH für ambulante Pflege und legt diese in die Verantwortung des damaligen Amtes für Diakonie. 2001 wird die Diakonie gGmbH gegründet, Gesellschafter sind der Evangelische Kirchenverband Köln und Region und die Evangelische Kirchengemeinde Köln-Lindenthal mit eigener Sozialstation.

Pflegen, beraten, unterstützen
Heute zählt die Diakonie gGmbH etwa 150 Mitarbeitende, die rund 500 Kunden zu Hause pflegen und begleiten. In sechs angeschlossenen Seniorenberatungsstellen werden ältere Menschen und Angehörige zu Fragen rund ums Alter beraten – von finanziellen Ansprüchen bis hin zur Wahl der passenden Wohnform. Um Demenzkranke und ihre Angehörigen besser zu unterstützen, wurde 2002 „TANDEm“ ins Leben gerufen: Geschulte Helferinnen und Helfer kommen stundenweise zu Demenzkranken nach Hause, um den pflegenden Angehörige freie Zeit zu ermöglichen. 2003 kam das „Café Sonnenzeit“, ein betreutes Gruppenangebot für demenzkranke Menschen hinzu, 2006 eine Gesprächsgruppe für pflegende Angehörige. Ebenfalls vor fünf Jahren wurden drei ambulante Wohngemeinschaften gegründet, eine speziell für russischsprachige Pflegebedürftige. Hier übernimmt die Diakonie gGmbH die tägliche Pflege. Schon seit 1998 kümmert sich die Diakonie gGmbH um wohnungslose Patienten in der Krankenwohnung des Diakoniehauses Salierring.

Dienstleistung auf der „Schattenseite des Lebens“
Mehr Wertschätzung für die Pflegeberufe forderte Dr. Klaus Müller, von der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. In seinem Vortrag „Yes we care -und verdienen Wertschätzung dafür!“ stellte er die Ergebnisse einer Untersuchung vor. Demnach wird Pflege als „eine Dienstleistung wahrgenommen, die auf der Schattenseite des Lebens stattfindet. Im öffentlichen Bild von pflege müsse eine Veränderung stattfinden.
Mehr Wertschätzung und eine angemessen Vergütung für diese wertvolle Arbeit, wünschte sich auch Dr. Ursula Schmitz, seit 2009 Geschäftsführerin der Diakonie gGmbH. „Und wenn ich noch einen dritten Wunsch frei hätte, würde ich mir mehr Parkplätze in Köln wünschen“, sagte Schmitz zwar augenzwinkernd aber mit ernstem Hintergrund. Denn mit der täglichen Parkplatzsuche gehe viel Zeit verloren, die dann beim Patienten fehle. „Unsere Mitarbeiter haben immer die Uhr im Nacken“, so Schmitz. Bei Bedarf könnten sich die Pflegekräfte aber zusätzlich Zeit für einen Patienten nehmen, zum Beispiel für ein wichtiges Gespräch. „Diese Mehrleistung können wir mit Hilfe der Unterstützung der Kirchengemeinden finanzieren“, erläutert Ursula Schmitz die diakonische Zusatzleistung, di sich in der so genannten Propriumsdiskussion niederschlägt.

Ökonomisierung lässt keinen diakonischen Gestaltungsraum
„Proprium heißt das Eigentliche“, übersetzte Dr. Uwe Becker, Vorstandsmitglied der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe in seinem Vortrag „Ökonomie trifft Diakonie“. Die „Propriumsdiskussion“ bringe die Diakonie aber auch in eine gewisse Verlegenheit. „Was soll bei der Diakonie anders sein, wenn die Ökonomie ihre Sachzwänge gleichermaßen über alle legt? Sind es die christlich motivierten Mitarbeitenden, ist es die wöchentliche Andacht, ist es das Leitbild, das bewusst vom christlichen Menschenbild redet, ist es die Besuchsdienstgruppe der ortsansässigen Gemeinde im Altenheim?“ Und Becker kommt zu dem Schluss: „Nicht die Differenz gegenüber Dritten ist das diakonisch maßgebliche Kriterium, sondern die Möglichkeit zur Umsetzung und Organisation der Arbeit nach eigenen ethischen Kriterien.“ Vielleicht müssten die diakonisch-ethischen Ansprüche bezüglich würdevoller Dienstleitung wie auch würdevoller Arbeits- und Entgeltbedingungen zurückgeschraubt werden? Oder die Diakonie müsse sich von manchen Aufgabenfeldern verabschieden, in denen die Ökonomisierung keinen diakonischen Gestaltungsraum mehr lässt? Oder die Diakonie müsse sich organisatorisch teilen in einen „Sozialverband, der durch wertorientierte, sozialanwaltschaftliche Qualität gesteuert wird und in einen Unternehmensverband mit der zentralen Aufgabe, die Wettbewerbsfähigkeit der Mitglieder im neuen Sozialmarkt zu unterstützen.“ Um die Beantwortung dieser Fragen werde die Diakonie in den nächsten Jahren hart ringen müssen. Becker: „Das wird nicht leicht, eher mühsam, oft kleinteilig, differenziert, konfliktreich.“

Text: Martina Schönhals
Foto(s): Diakonie gGmbH