Unter der Überschrift „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ feierten Angehörige der Kirchen in Köln und der Region in der Basilika St. Aposteln einen gemeinsamen Gottesdienst zum Reformationsgedenken. „Wir wollen Impulse aus der Vielfalt der Konfessionen geben, und die umfasst nicht nur Katholiken und Lutheraner“, so Pfarrer Dr. Martin Bock. Gemeinsam verlasen die Vertreter der ACK Köln (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen) die fünf Imperative ihrer Ökumenischen Selbstverpflichtung zum Beginn des Reformationsjubiläums 2017. Darin heißt es: „Wir Christen Kölns wollen stets von der Perspektive der Einheit statt der Unterschiedenheit ausgehen, um das zu stärken, was sie gemeinsam haben – selbst, wenn es oftmals leichter fällt, die Unterschiede zu sehen und zu erfahren.“
Unter dem neuen Kölner Ökumene- und Versöhnungskreuz mit seiner regenbogenbunten, runden Glasscheibe versammelten sich Geistliche der verschiedenen Konfessionen und zeigten in ihren Amtsgewändern die Vielfalt christlichen Glaubens in der Stadt. „Eine Buntheit, wie sie auch damals unter den 12 Aposteln vorzufinden war“, bemerkte Stadtdechant Monsignore Robert Kleine. Das alte Ökumenekreuz stand unterdessen in der Wittenberger Stadtkirche, wo am selben Abend der Zentralgottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2017 stattfand. Sie steht in diesem Jahr unter einem ähnlichen Motto wie der Gottesdienst der ACK Köln: „Versöhnung – die Liebe Christi drängt uns“.
Von Lund in die Zukunft
Der Gottesdienst brachte neben dem Dank für alle guten Veränderungen durch die Reformation auch die gemeinsame Schuld der Christen zur Sprache: Leid und Elend, die durch Auseinandersetzungen im Namen der Religion und durch die Instrumentalisierung des Glaubens verursacht wurden, aber auch geistige, geistliche, physische und politische Mauern, die bis heute aufrechterhalten werden. Im Zentrum des Abends, dessen liturgischer Rahmen vom Gottesdienst mit Papst Franziskus in Lund am Reformationstag 2016 inspiriert war, stand jedoch der Blick in die gemeinsame Zukunft, in der die Kölner Kirchen gemeinsam die Kraft des Evangeliums entdecken und weiter zusammenwachsen wollen – bestärkt durch die gemeinsame Erklärung von Lund „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“, aus der vorgelesen wurde: „Der ökumenische Weg ermöglicht es Lutheranern und Katholiken, gemeinsam Martin Luthers Einsicht und seine geistliche Erfahrung des Evangeliums von der Gerechtigkeit Gottes, die zugleich die Gnade Gottes ist, zu verstehen und zu würdigen.“
Evangelisch-katholische Dialogpredigt
Die Predigt wurde als evangelisch-katholischer Dialog von Professor Dr. Theodor Dieter (Institut für ökumenische Forschung des Lutherischen Weltbundes, Straßburg) und Joachim Frank (Chefkorrespondent der DuMont Mediengruppe) gehalten. Ihr zugrunde lag ein Text aus Johannes 15: „[…] Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ Die Verbindung zu Christus als Voraussetzung für fruchtbares Tun lässt sich hier deutlich herauslesen. „Ergänzung findet dieser Vers im Bild der Vernetzung“, fügte Joachim Frank hinzu: „Nicht nur mit Gott sind wir verbunden, sondern dadurch auch untereinander.“ Professor Theodor Dieter konstatierte: „Die Liebe Jesu hat uns nicht erreicht, wenn wir andere nicht lieben.“ Dies sei zwar keine Bedingung, um geliebt zu werden, aber die Folge, wenn uns Gottes Liebe ergriffen habe.
Kontroversen und Missverständnisse überwinden
Dass aber das Bleiben in Christus und seiner Liebe nicht als „stehenbleiben“ fehlverstanden werden dürfe, unterstrich Joachim Frank und rief dazu auf, im Reformationsjahr Kontroversen und Missverständnisse zu überwinden. Die päpstliche Enzyklika „Ut unum sint“ aus dem Jahr 1995 sei immer noch ein uneingeholter Auftrag. Aus katholischer Sicht heiße es „dankbar anzuerkennen, dass die Reformation auch eine Erneuerung der eigenen Kirche erreicht hat“, fuhr Joachim Frank fort. Auch der Papst habe diese Einschätzung bereits klar zum Ausdruck gebracht, sie sei aber noch nicht überall angekommen. Der Theologe stellte eine provokante Frage in den Raum: „Ist das nicht Verrat am Evangelium?“
Wunsch, das Abendmahl gemeinsam zu feiern
Die Folgen der ökumenischen Gemeinschaftlichkeit führte Professor Theodor Dieter aus: „Evangelische und Katholische müssen sich voneinander verändern lassen. Der ökumenische Friede darf nicht zu einer gegenseitigen Gleichgültigkeit führen – aus einer wirklichen Begegnung kommt man nicht unverändert heraus.“ Daher forderte er, nicht nachzulassen im Wunsch, das Abendmahl gemeinsam zu feiern, sowie in der Kreativität bei der Suche nach neuen Formen der Gemeinschaft. „Yes, we can! Mit Jesus können wir sogar über Kirchenmauern springen!“, schloss Dieter enthusiastisch.
Annäherung der Kirchen wunderbar illustriert
Auch die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes lag in gemeinschaftlicher Verantwortung: Der ökumenische Musikkreis „Musica Vita“ aus Pulheim – gut 20 Sängerinnen und Instrumentalistinnen – trug vor allem neuere geistliche Lieder und Gesänge aus Taizé vor, die zum Mitsingen einluden. Orgelmusik steuerte Peter Albrecht, Kantor an St. Pius und Zum Heiligen Geist in Köln-Zollstock, bei: auch zum festlichen Ein- und Auszug aller Kirchenvertreter unter dem Ökumene- und Versöhnungskreuz, der die Annäherung der Kirchen wunderbar illustrierte.
Ökumene wird umgesetzt
Beim anschließenden Neujahsrempfang bot sich allen Gästen unmittelbar die Gelegenheit zur interkonfessionellen Begegnung und zum regen Austausch. In einer spontanen Ansprache lud Monsignore Rainer Fischer alle Interessierten herzlich zum ökumenischen Brückenweg am Pfingstmontag sowie zur Veranstaltungsreihe „Erinnerung und Erneuerung – 500 Jahre Reformation und die Ökumene“ ein, die AntoniterCityKirche, Domforum, Katholisches Bildungswerk Köln und Melanchthon-Akademie in diesem Jahr durchführen.
Foto(s): Martin Bock