Mit Blick auf die wachsende Zahl älterer und hochaltriger Menschen in Köln hat die Liga der Wohlfahrtsverbände gemeinsam mit der Sozial-Betriebe-Köln GmbH (SBK) ein 60 Seiten starkes Workbook zur „Zukunft der Pflege“ entwickelt. Dieser „Instrumentenkoffer“ umfasst bereits bewährte Angebote der Seniorenarbeit, aber auch neue Modelle, die so bisher noch nicht in Köln umgesetzt werden. Die diversen Beispiele münden in die Empfehlung an die Stadt Köln, möglichst schnell mit allen Akteuren ein Maßnahmenkonzept zu entwickeln. Die Vorschläge mit Quartiersbezug entsprechen den heutigen sozialpolitischen Standards.
Mit dem Instrumentenkoffer wollen alle Beteiligten dazu beitragen, älteren Menschen möglichst lange ein Leben zu Hause zu ermöglichen und gleichzeitig eine ausreichende Zahl an Tages-, Kurzzeit- und stationären Pflegeplätzen vorzuhalten. Um die stark ansteigende Nachfrage befriedigen und den notwendigen Ausbau bewältigen zu können, werden verschiedene politische Handlungsoptionen für eine schnelle Umsetzung vorgeschlagen. Hierbei ist sowohl den Verbänden als auch der SBK an einem gemeinsamen und konstruktiven Prozess mit der Stadt Köln gelegen.
Niedrigschwellige und ambulante Unterstützungsstrukturen
„In Köln gibt es seit rund 20 Jahren eine stadtweite Versorgung mit leicht zugänglichen Angeboten für Senioren und Seniorinnen, die zu Hause wohnen. Die Angebote wie SeniorenNetzwerke, Seniorenberatung oder Präventive Hausbesuche haben sich bewährt, müssen aber hinsichtlich der wachsenden Nachfrage ausgebaut werden“, sagt Martina Schönhals, Mitglied der Geschäftsleitung Diakonisches Werk Köln und Region.
Das Workbook verweise außerdem auf Modellprojekte, die teils schon in Köln – das Bickendorfer Büdchen – oder in anderen Städten – das Bielefelder Modell – umgesetzt werden, aber auch auf Projekte für andere Zielgruppen wie ‚Die Kümmerei‘. „Wichtig ist bei allen Angeboten, dass sie gleichmäßig in jedem Stadtteil verfügbar sind, damit Senioren und Seniorinnen kurze Wege haben und möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung wohnen bleiben können.“
Teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen
Gabriele Patzke, Geschäftsführerin, SBK Sozial-Betriebe-Köln gemeinnützige GmbH, mahnt an: „Wenn wir keine Flächen finden und in Stadtentwicklungsmaßnahmen Pflege nicht mitdenken und -planen und nicht jetzt ganz konkret in die Realisierung neuer Einrichtungen gehen, werden viele pflegebedürftige Menschen in Köln zukünftig nicht mehr versorgt werden können. Der zweite kommunale Pflegebericht, der 2021 veröffentlicht wurde, bestätigt, was die Träger von Angeboten ambulanter, teilstationärer und stationärer Pflege schon lange wissen: Bei einer immer älter werdenden Bevölkerung fehlen bei vorsichtigen Berechnungen bis 2030 in Köln alleine ca. 1000 stationäre Pflegeplätze – umgerechnet also etwa zwölf neue Pflegeheime. Bis 2040 fehlen weitere 3.500 stationäre Plätze.“ Schon jetzt müssten die Anbieter stationärer Pflege Menschen abweisen, die dringend einen Pflegeplatz benötigen.
„Neue Pflegeheime müssen sogenannte ‚Quartiershäuser‘ werden – mit allen Angeboten von Beratung, niedrigschwelligen und ambulanten Angeboten über Tages- und Kurzzeitpflege bis zur stationären Pflege“, sagt Gabriele Patzke. „Wir erhoffen uns von unserem Workbook viele konkrete Maßnahmen und Entscheidungen in der Stadtspitze, jetzt und sofort zu handeln unter Beteiligung der Träger und Verbände, die die Pflegepraxis mit allen Problemen täglich erleben.“
Politik und Strategie
„Eine gelingende soziale Stadt- und Quartiersentwicklung, in der für alle Generationen gute Lebensbedingungen herrschen, ist in Köln möglich, wenn alle relevanten Akteure von der Oberbürgermeisterin, über Mitglieder des Stadtvorstands, der Wohnungswirtschaft, der Wissenschaft sowie der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und der SBK in einer Steuerungsrunde bewährte und neue Handlungsoptionen entwickeln und diese im Zusammenspiel mit der Politik konsequent umsetzen“, erläutert Ulli Volland-Dörmann, Geschäftsführerin, AWO Kreisverband Köln e.V. „Denn Sozialpolitik, die bisher überwiegend als defizitorientierte, extrem teure Reparaturwerkstatt für wirtschaftliche und soziale Notlagen einzelner Bürgerinnen und Bürger verstanden wird, verkennt die Potentiale, die durch eine partizipative, präventive, ressourcenschöpfende und kompetenzfördernde Politik im Gemeinwesen gehoben werden könnten. Deshalb freuen wir uns, dass die Oberbürgermeisterin unserer Einladung gefolgt ist, denn das lässt uns optimistisch in die Zukunft blicken.“
Die demografischen und fiskalischen Entwicklungen in Köln verlangten schnelles vorausschauendes Handeln für Jung und Alt, „deshalb müssen neue Konzepte her und insbesondere zügig realisiert werden. Dazu gibt’s im Workbook ‚Zukunft der Pflege‘ viele konkrete Beispiele, aber auch Hinweise zu Politik und Strategie, die ein funktionierendes und an den Menschen ausgerichtetes Gemeinwesen zum Ziel hat.“
Oberbürgermeisterin Henriette Reker dankte den Wohlfahrtsverbänden und der SBK dafür, „dass sie dieses wichtige Thema eigeninitiativ aufgegriffen haben. Die Herausforderungen in der Pflege können wir nur gemeinsam bewältigen. Im kommenden Jahr werden wir Akteure der Wohnungswirtschaft und Investoren einladen, damit der Bau von Pflegeheimen in Köln wieder stärker in den Blick rückt.“
Anstieg der Zahl älterer Menschen
Die Zahl älterer und hochaltriger Menschen steigt in Köln deutlich an. Der stärkste Anstieg wird in der Altersgruppe zwischen 70 und 79 Jahren erwartet: von aktuell rund 80.000 Personen auf 110.000 Personen im Jahr 2040. Auch für die Gruppe der Hochaltrigen ab 80 Jahren wird ein deutlicher Zuwachs erwartet: von aktuell rund 60.000 Personen auf voraussichtlich 75.000 Personen im Jahr 2040.
Die eigentlich erfreuliche Nachricht von einem längeren Leben stellt die Stadtgesellschaft zugleich vor enorme Herausforderungen. Der zweite Bericht zur Kommunalen Pflegeplanung der Stadt Köln, aus dem die Zahlen stammen, beschreibt eindringlich die Situation älterer und hochaltriger Menschen und bescheinigt einen enormen Handlungsdruck insbesondere in der Pflege. Alle dortigen Angebote werden der steigenden Nachfrage schon jetzt nicht mehr gerecht.
Das Workbook
Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege als maßgebliche Träger von Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegediensten und Tagespflegen sowie von niedrigschwelligen Unterstützungsangeboten für ältere und alte Menschen in Köln haben gemeinsam mit dem kommunalen Träger SBK den „Instrumentenkoffer“ entwickelt als einen Beitrag zur schnellen Umsetzung möglicher Lösungsansätze, um den drohenden Pflegenotstand in Köln zumindest abmildern zu können. Das 60 Seiten starke Workbook ist gegliedert in drei Kapitel:
- Niedrigschwellige und ambulante Unterstützungsstrukturen für Senioren und Seniorinnen in Stadtteilen
- Teilstationäre und stationäre Pflegeeinrichtungen
- Politik und Strategie
Foto(s): SBK/Großhans