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„Wir sind nicht Sprachrohr der Bundeswehr“

In Köln ist der gebürtige Hamburger aufgewachsen. Und in Köln, in relativer Nähe zu seinem einstigen Studienort Bonn, setzt Claus-Jörg Richter seine Tätigkeit als evangelischer Militärseelsorger fort. Nachdem der Theologe drei Jahre am rheinland-pfälzischen Bundeswehrstandort Diez eingesetzt war, leitet er nun das Evangelische Militärpfarramt Köln I. Damit fungiert er als Ansprechpartner für die Soldatinnen und Soldaten in der Konrad-Adenauer-, Lüttich- und Mudrakaserne in Köln sowie im Bundessprachenamt in Hürth. Mitte Februar wurde der Familienvater vom Leitenden Militärdekan des Dekanates West, Klaus Grunwald, in der Garnisonkirche in Köln-Marienburg in sein Amt eingeführt.

Über 14 Jahre Pfarrer in Hennef
Sein Vikariat leistete Richter in den USA (Lancaster, Pennsylvania). In einer weiteren Gemeinde in Pennsylvania bekleidete er 2003/2004 auch eine Pfarrstelle. Davor und danach wirkte er insgesamt über 14 Jahre in der Evangelischen Kirchengemeinde Hennef. Zunächst als Pfarrer zur Anstellung, seit 1996 als Pfarrer. Durch den Kontakt zu Hennefer Soldatenfamilien sei er auf das Berufsfeld Militärseelsorge aufmerksam geworden, so Richter.

Da sein für Soldaten und ihre Familien
„Wir sind nicht Sprachrohr der Bundeswehr“, betont er. „Militärseelsorgende begleiten Soldaten in kritischer Solidarität. Aber wir haben das Privileg, Dinge anders zu sehen und das auch zu sagen.“ Seine Aufgabe sei es, „für den Soldaten, die Soldatin und ihre Familien da zu sein“. Das drücke sich aus in vier verschiedenen Arbeitsbereichen.

Gottesdienst und Kirchencafé
Richter nennt zunächst das regelmäßige Angebot von Gottesdiensten in den drei Kasernen und zu besonderen Anlässen in der Garnisonkirche in Marienburg. „Sie sind einfach aufgebaut, haben einen Bezug zu soldatischem Leben und die Soldaten können sich einbringen.“ Das sei die Stärke der Standortgottesdienste, die innerhalb der Dienstzeit unter der Woche stattfänden. Vielleicht auch deshalb falle die Beteiligung an diesen Gottesdiensten prozentual höher aus als in Zivilgemeinden. Zudem wird durch regelmäßige, anschließende Kirchencafés die Kameradschaft und Gemeinschaft gefördert. „Das sind immer tolle Veranstaltungen, wo man sich auf dem ´kleinen´ Dienstweg informieren und austauschen kann."

Gemeinsam etwas unternehmen
Mit Rüstzeiten in evangelischen Tagungsstätten will man den Familien der Soldaten und Soldatinnen die Möglichkeit bieten, Gemeinschaft zu pflegen. „Es geht darum, gemeinsam Gottesdienst zu feiern, über ein bestimmtes Thema zu arbeiten und etwas zu unternehmen, gemeinsam Spaß zu haben, etwa beim Spieleabend oder Kegeln.“ Eine Kinderbetreuung entlastet die Eltern zusätzlich.

Auseinandersetzung mit relevanten Themen
Drittens nennt Richter den für alle Soldaten und Soldatinnen verpflichtenden Lebenskundlichen Unterricht (LKU). Militärseelsorgende und qualifizierte Lehrkräfte erteilten ihn im staatlichen Auftrag. „Der Unterricht dient der ethischen Orientierung, Reflexion und Persönlichkeitsentwicklung“, so der Theologe. Behandelt werden für Soldaten relevante Themen, wie Tod und Verwundung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Umgang mit persönlichen Krisen und Konflikten. „Im LKU widmen wir uns einem breit gefächerten Themen-Spektrum.“ Was tagespolitisch aktuell sei, was in der Gesellschaft diskutiert werde, beispielsweise Organtransplantation und Sterbehilfe, „das soll nicht an den Soldaten und Soldatinnen vorbei gehen“, so Richter.

Anstöße zur Selbsthilfe
Seelsorge ist selbstredend ein wesentliches Arbeitsfeld Richters. In den Beratungsgesprächen werden alle Themen und Sorgen behandelt. Insbesondere geht es um Familienberatung, Sinnfragen, persönliche Krisen. „Ich gebe Anstöße zur Selbsthilfe, und versuche, Menschen in die Lage zu versetzen, für sich selbst zu handeln und eine Problemlösung anzugehen.“ Es sei noch niemand trauriger aus diesen Gesprächen hinausgegangen, nimmt Richter für sich in Anspruch. „Dabei sind wir keine Therapeuten oder Psychologen, das ist nicht unsere Aufgabe.“ Vielmehr versteht er sich als Geburtshelfer und Förderer guter Ideen. Ein wichtiges Thema in der Seelsorge bildeten die vielfältigen Belastungen durch Auslandseinsätze, deren Vor- und Nachbereitung, betont Richter. Er selbst war von März bis Juli 2012 im afghanischen Mazar-e Sharif tätig. An wen wenden sich Seelsorger nach einem solchen Einsatz? „Auch für uns werden Nachbesprechungen, Seminare spiritueller Art und Supervisionen angeboten“, so der Theologe. Aber mit am besten sei man aufgehoben bei einem Freund, der Ähnliches erlebt habe und sich in die besondere Gefühlswelt hineinversetzen könne.

Spannender Mikrokosmos
In einer Bundeswehr-Gemeinde gehe es existenzieller zu, als in einer Zivilgemeinde, meint Richter: „Viel nachdenklicher, aber auch an vielen Stellen humorvoller.“ Erfahren habe er in diesem spannenden Mikrokosmos eine riesige Hilfsbereitschaft. Auffallend sei, dass viele Soldaten und Soldatinnen auch außerhalb ihres umfangreichen Dienstes sich stark sozial engagierten.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich