Thora. Bibel. Koran. – In einem einzigartigen Projekt sind eine Kölner Pfarrerin, ein Pfarrer, eine Imamin und eine Rabbinerin am vergangenen Mittwoch in der Melanchthon-Akademie zu einer Reise durch die drei großen Religionen und ihre heiligen Schriften gestartet. Die Studienreihe „SCHRIFT.GESPÜR“ soll Mut machen, Überzeugungen zu hinterfragen und Vorurteile abzulegen. Der erste Abend dazu, mit Fokus auf den überlieferten Schriften, war bereits nach kurzer Zeit ausgebucht. Ein Lernziel hat die Reihe nicht. Wichtige Erkenntnisse zeichnen sich jedoch schon nach dem ersten Abend ab: Interpretationen sind nicht in Stein gemeißelt, Gemeinsamkeiten schaffen Respekt für einander und der Geist der heiligen Schriften zeigt sich erst dann, wenn man sich ihm öffnet.
Einzigartiges Projekt
„Der Islam und das Judentum haben mehr gemeinsam als manchen Leuten lieb ist“, betonte Imamin Rabeya Müller von der Liberalen Muslimischen Gemeinde Rheinland in ihrem Teil des ersten Seminarabends. Sie lenkte damit den Blick der Teilnehmer gleich zu Beginn auf die wichtigste Eigenschaft von Gemeinsamkeiten: sie verbinden. Zusammen mit Rabbinerin Natalia Verzhbovska und den Pfarrern Dr. Martin Bock und Dorothee Schaper hatte die Imamin geeignete Textstellen aus „ihrer“ heiligen Schrift ausgewählt, um sie in Gruppenarbeit übersetzen bzw. interpretieren zu lassen. Das Konzept hinter der Studienreihe fasste Dr. Martin Bock so zusammen: „Wir lernen gemeinsam. Es gibt keine Referenten im eigentlichen Sinne. Was sich aus diesem und den noch folgenden Abenden ergibt, ist ein Prozess.“
„Wir sind auf dem Weg neuer Entdeckungen“
Die Vertreter der drei abrahamitischen Religionen maßen sich ausdrücklich nicht an, ihren Zuhörern im bis auf den letzten Stuhl gefüllten Seminarraum zu erklären, wie Verse und Geschichten aus Thora, Bibel und Koran zu verstehen sind. Rabeya Müller weist das sogar weit von sich: „Der Koran ist nicht allein zwischen zwei Buchdeckeln zu finden, sondern hat einen bestimmten Geist“, erklärte sie. „Zu behaupten, er sei nur in einer einzigen Weise zu verstehen, wäre ziemlich anmaßend.“ Rabbinerin Natalia Verzhbovska sieht dies im Hinblick auf die Thora genauso. Schließlich haben manche Begriffe im Hebräischen sogar mehrere, unterschiedliche Bedeutungen und sind ohne einen klaren Kontext nicht immer leicht zu erfassen. „Selbst Rabbinern stellen sich deshalb immer wieder grundsätzliche Übersetzungsfragen!“
Den gemeinsamen Weg zu mehr Verständnis und Respekt für einander gehen laut Dr. Martin Bock auch die Seminarleiter als Vertreter ihrer Religionen: „Die Idee zu dieser Reihe ist schon alt, ins kalte Wasser gesprungen sind wir mit ihrem Startschuss trotzdem. Jeder von uns bringt seine eigene Neugierde mit.“ Es geht um die Begegnung der Menschen untereinander – um das Schauen, Lesen, Hören und letztlich das sinnliche „Nähertreten“ an die anderen Religionen sowie an verborgene Geheimnisse der eigenen.
An den immer mittwochs von 18:30 bis 21.30 Uhr stattfinden Studienabenden bis zum Juni 2019 wird es an wechselnden Standorten die Möglichkeit geben, miteinander zu singen, Musik zu machen, zu kochen und in den heiligen Schriften zu lesen. Exkursionen sind ebenfalls geplant. Einzelheiten zu Ablauf und Inhalten der jeweiligen Abende werde hier auf www.kirche-koeln.de zu finden. Zwar ist die Seminarreihe bereits ausgebucht, es besteht aber die Möglichkeit, sich auf eine Warteliste einzutragen und damit für einen eventuellen zweiten Kurs im kommenden Jahr vormerken zu lassen.
Foto(s): Claudia Keller