Im Bereich der politischen Bildung hat Studienleiter Joachim Ziefle festgestellt, dass wirklich was dran ist am Stichwort der „Wahlmüdigkeit“. Und er setzte hinzu: „In der Politik ändert sich eben auch nur schwer etwas.“ Das könnte in evangelischen Gemeinden ganz anders sein. Die alle vier Jahre stattfindenden Presbyteriumswahlen sind nämlich wirklich „direkte Demokratie“: Jeder und jede, der/die 18 Jahre alt und konfirmiert ist, kann sich wählen lassen. Und natürlich wählen gehen – schon ab 16. Jahre. Was nach Möglichkeit auch wirklich alle Protestantinnen und Protestanten tun sollten!
Was ist eigentlich das Besondere an Presbyteriumswahlen?
Am 5. Februar 2012 wird in der gesamten Rheinischen Landeskirche wieder gewählt. Da ist einiges vorzubereiten, zu entschieden, zu bedenken: Wie kann die Gemeinde Kandidat/innen gewinnen? Wie können die sich am besten vorstellen? Lässt die Gemeinde Briefwahl zu oder nicht? Wie mache ich Werbung für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung? Wie könnte eine „Wahlparty“ aussehen? Und: Wie bringe ich dem Rest der Welt bei, was das Besondere an einer evangelischen Presbyteriumswahl ist? Um diese und andere Fragen ging es in der jüngsten Ideenwerkstatt für Öffentlichkeitsarbeit, ein Kooperationsangebot der Melanchthon-Akademie und des Amts für Presse und Kommunikation des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region. Reinhold Heinemann, Pfarrer im Ruhestand und GO-Berater, war der Referent. („GO“ steht für Gemeindeberatung und Organisationsentwicklung.) Er forderte die Teilnehmenden auf, deutliche Fragen zu formulieren. Und eine der ersten Fragen war da auch schon: „Was ist eigentlich das Besondere an Presbyteriumswahlen?“
So simpel die Frage vielleicht klingen mag, sie ist eine Schlüsselfrage. „Presbyteriumswahlen sind essentiell für unsere Kirche. Sie sind DAS Prinzip der presbyterial-synodalen Ordnung, nach der die Rheinische Landeskirche verfasst ist. Nicht umsonst ist in unserer Verfassung festgelegt, dass in jedem Gremium unserer Kirche die Laien in der Mehrzahl sein sollten“, sagte Heinemann. Und darum geht es: Presbyter sind zwar – wörtlich – die „Ältesten“ einer Gemeinde, was aber durchaus nicht wörtlich genommen werden sollte. Ganz im Gegenteil, er habe sich immer als „Diener seiner Gemeinde verstanden“, stellte ein Presbyter fest. Und – wie gesagt – man kann schon ab 18 Jahren gewählt werden.
Das Wichtigste ist, dass eine evangelische Gemeinde nicht allein von Theolog/innen geleitet werden darf. Dass der Sachverstand, die Leidenschaft, der Hilfs-Wille, die Lebens-Situation, der persönliche Gemeindebegriff und die Gestaltungs-Vorstellung von Gemeinde eines jeden Menschen der Gemeinde vertreten sein sollten, dass alle an der Gestaltung „ihrer“ Gemeinde teilhaben. Teilhaben können. Zum Beispiel, indem sie als Presbyter/in kandidieren. Heinemann spitzte das zu, indem er formulierte: „Wir machen unsere Kirche selbst!“ Und der Gestaltungsspielraum eines evangelischen Presbyters sei dabei sehr viel weiter als der eines Mitglieds im katholischen Pfarrgemeinderat: „Das wird oft fälschlicherweise für vergleichbar gehalten.“ Auch das ein Punkt, den es in die öffentliche Wahrnehmung zu tragen gilt!
Kandidatensuche hat auch etwas mit der Wechselwirkung von interner und externer Wahrnehmung zu tun
Die oben genannten, eher allgemeinen Gedanken werden in dem Moment wichtig, in dem man darüber nachzudenken beginnt, wie sich denn wohl am besten Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl im Februar gewinnen lassen. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass
- nur durch eine Wahl die Leitung einer Gemeinde öffentliche Legitimierung erfährt
- das Ansehen der Arbeit von Presbyterinnen und Presbytern um so größer (und selbstverständlicher) wird, je besser es gelingt, auch seiner nicht-evangelischen Umgebung klar zu machen, was ein evangelisches Presbyterium eigentlich ist und leistet. Damit steigt „automatisch“ auch das Ansehen eines Presbyters, einer Presbyterin – und damit ist hier nicht das „Kitzeln“ persönlicher Eitelkeiten gemeint, sondern das Selbstverständnis der Amtswürde und der Verantwortung in Gemeinde und in deren Repräsentation.
- jede Wahl in einem regional begrenzten Umfeld stattfindet – wo sich einerseits wunderbar schon existierende Kontakte – etwa in allen Gemeindegruppen, in Kitas oder im Posaunenchor, in der Seniorengruppe oder im Männerkochkurs – zur Kandidatensuche nutzen lassen. Es andererseits aber auch schön wäre, wenn etwa der Bäcker oder die Floristin auf irgendeine Weise zum Beispiel am Wahltag, zu einer Party oder einer Tombola beitragen könnten. Doch dazu müssen die wissen – gerade wenn sie NICHT evangelisch sind -, was es mit dieser Presbyteriumswahl eigentlich auf sich hat.
Wie komme ich an die (richtigen) Kandidat/innen?
Klar ist: Anfragen an mögliche Kandidat/innen dürfen nicht unkontrolliert vonstatten gehen, sonst sehen sich Kandidaten schnell von mehreren Seiten gleichzeitig bedrängt. Besser ist es, sich im „alten Presbyterium“ abzusprechen: Wer wendet sich an wen? Heinemann rät außerdem, sich eher auf bestehende Netzwerke zu verlassen, etwa unter den Kita-Eltern und in anderen Gemeindegruppen. Wenn der Impuls an vielleicht zwei, drei Stellen in eine solche Gruppe hinein getragen wird, kann er sich idealerweise mit der gruppeneigenen Dynamik „ausbreiten“. Mit anderen Worten: Es muss ganz und gar nicht immer der Pfarrer/die Pfarrerin sein, der oder die Kandidat/innen „anwirbt“.
Ein anderer Weg könnte der über einen Besuchsdienst sein, der sich ganz gezielt an Neuzugezogene wendet – denn die haben, nach den Erfahrungen einer Teilnehmerin, oft ein besonderes Bedürfnis danach, neue Kontakte zu schließen, in ein Presbyterium hineinzuwachsen – doch Vorsicht: Gerade solche Menschen müssen (wie natürlich auch alle anderen…) ganz bewusst, Schritt für Schritt an ihre neuen Aufgaben herangeführt werden! Sonst steht da am Ende vielleicht ein von der Gemeinde tief enttäuschter und vorzeitig zurück getretener Ex-Presbyter….
Motivation ist das A und O
„Wie bringe ich Kandidat/innen ehrlich bei, was sie erwartet – ohne sie zu erschrecken?!“, lautete die Frage einer Teilnehmerin. Heinemanns Antwort war: durch Motivation. Eine kleine Umfrage unter den Teilnehmenden – allesamt selbst Presbyter – ergab rasch, dass es viele positive Erfahrungen gibt, die sie in ihrer zum Teil jahrzehntelangen „Amtszeit“ gemacht haben:
- Das Schönste ist, selbst gestalten zu können“
- „Es gefällt mir, Repräsentant oder Botschafter meiner Gemeinde sein zu können. Ein gefragter Gesprächspartner, jemand, den man kennt.“
- „Mir ist wichtig, für etwas einstehen zu können.“
- „Die Gemeinschaft, das Gemeinsame, die Verbundenheit untereinander“, sagte ein anderer und präzisierte dann: „Die vertrauensvolle Zusammenarbeit in einer Gruppe, die gemeinsame Ziele hat – das ist wirklich schön. Wo hat man das sonst?“
- „Die Arbeit im Team“ wurde als positiv erlebt, ebenso wie
- „das Wissen, nützlich zu sein“ oder
- „anerkannt zu werden: Mich grüßen so viele Menschen, wie sonst nie zuvor.“
- Wichtig und positiv auch: „Man lernt. Man lernt, was Kirche ist.“
- „Ich liebe den Lektorendienst“
Das waren die persönlichen Gründe, warum die Anwesenden ihr Presbyteramt als etwas Positives erlebt haben. Es lassen sich sicher noch viele weitere Aspekte finden. Fragen Sie doch mal im eigenen Presbyterium: „Welche positiven Erfahrungen haben Sie in diesem Amt gemacht?“ Und diese Erfahrungen sind perfekte „Motivationshilfen“, die sich potentiellen Kandidatinnen und Kandidaten jederzeit guten Gewissens im „Anwerbegespräch“ mit auf den Weg geben lassen!
Erwartungen und Hilfsangebote
Natürlich müssen die Kandidatinnen auch wissen, was sie erwartet (kleine Übersichten bietet die EKiR hier). Dazu ist es wichtig zu wissen, dass es – wenn es dann ernst wird, und man gewählt ist – jede Menge Anlaufstellen gibt, die neuen Presbyter/innen mit Rat und Tat zur Seite stehen. In Köln die Melanchthon-Akademie, die eigene Angebote für „neue Presbyter“ hat, die Gemeindeämter, erfahrene Kolleginnen und Kollegen, „alte Hasen“, die es in fast jedem Presbyterium gibt und die in aller Regel gern helfen, das Presbytertelefon, und bei der EKiR (alle Materialien hier). Auch das sollte schon im „Anwerbegespräch vermittelt (und später natürlich auch umgesetzt!) werden: „Du wirst nicht allein sein mit deinen neuen Aufgaben. Du wirst vielfältige Hilfe finden!“
Bleibt noch die Frage: Was geschieht mit den Kandidierenden, die am Ende NICHT gewählt werden? Es gibt jede Menge Ausschüsse, in denen man in der evangelischen Kirche regelmäßig mitarbeiten kann, OHNE Presbyter/in zu sein! Es wäre gut, sich darüber vorher schon mal einen Überblick zu verschaffen, um die Nicht-Gewählten dann schnell „auffangen“ zu können. Denn: Es gibt ja kaum etwas Undankbareres, als zum Beispiel der 11. Kandidat in einem 10-köpfigen, noch zu wählenden Presbyterium zu sein! Und das vielleicht auch noch als „Neue/r“!
Noch eine Idee sind „Schnuppersitzungen“ – das heißt: Das amtierende Presbyterium beschließt, die ein oder andere Sitzung öffentlich zu machen, um potentiellen Kandidat/innen die Möglichkeit zu geben, schon mal hautnah zu erleben, was sie erwartet.
Was macht ein gutes Presbyterium aus oder: Welche Kandidat/innen sollten wir ansprechen?
Es ist ganz einfach: Die Mischung macht’s! Eine möglichst ausgewogene Mischung aus Geschlechtern und Altersgruppen, aus Neuzugezogenen und Alteingesessenen, aus Interessen und „Sachverstand“.
Wichtig ist auch, dass das zur Zeit amtierende Presbyterium jetzt schon mal Bilanz zieht:
- Was war?
- Was soll werden?
- Wer scheidet aus?
- Was oder wen brauchen wir?
- Was hat die Gemeinde in den nächsten vier Jahren vor?
- Für welchen Bereich, welche Fragestellung brauchen wir Spezialisten?
- Auch die Frage: Wie ist die Gemeinde theologisch ausgerichtet? kann als „Wegweiser“ für die Anwerbung neuer Kandidat/innen dienen.
Idealerweise gehen diese Fragen einher mit dem Fortschreiben der Gemeindekonzeption – damit stellen sich manche Fragen auch in der Kandidatensuche vielleicht schon gar nicht mehr. Oder sie müssen anders gestellt werden….
Zu den Formalien: Die Kandidatensuche muss bis 16. November abgeschlossen sein! Diese und alle anderen Termine im Ablaufplan finden sich hier.
Wenn ich meine Kandidat/innen gefunden habe, wie werbe ich für sie? Wie kriege ich eine möglichst hohe Wahlbeteiligung?
Da gibt es zwei „Standards“: Die Vorstellung in der Gemeindeversammlung. Die ist verpflichtend. Und den Gemeindebrief. Viele Gemeinden drucken eine Sonderausgabe, die sich nur mit der Vorstellung der Kandidaten und der Aufforderung, wählen zu gehen, beschäftigt. Das ist ein bewährter Weg, denn er signalisiert ja auch: „Hallo, bei uns passiert in einigen Monaten etwas Wichtiges!“ Plakate der Kandidat/innen im Schaukasten können das noch verstärken. Wichtig ist bei allen „Werbemaßnahmen“: Die Vorstellung der Kandidat/innen sollte vergleichbar sein: Die Fotos von allen gleich groß und vergleichbar (schlecht, wenn einer ein schwarz-weißes Passfoto und alle anderen ein farbiges Urlaubsfoto haben!), die Texte für und von allen sollten nach einem bestimmten (Frage-)Muster aufgebaut, Längen möglichst angeglichen sein. Kurz: Alle Kandidat/innen sollten – auch schon in der optischen Präsentation – die gleichen Chancen haben!
Eine Möglichkeit für Gemeinden, die Briefwahl zulassen und einen solchen Sonder-Wahl-Gemeindebrief drucken, ist, beides gemeinsam zu verschicken – oder von zuverlässigen Menschen verteilen zu lassen. Das erhöht – wie Briefwahl allgemein – nachgewiesenermaßen die Wahlbeteiligung. Ist aber auch eine Frage der Finanzen. Denn natürlich sind Briefwahlen teuer.
Zur Briefwahl, zur Wahlvorbereitung, zu Wahllisten und Adressen und vielem mehr hat die EKiR Checklisten erstellt, die man hier herunterladen kann. Damit im „Eifer des Gefechts“ nichts vergessen wird…..
Ein weiterer Wunsch in der Ideenwerkstatt war der nach Bild- und Fotomaterial zur Gestaltung der „Wahlwerbung“ – eine Idee ist, das Logo der Gemeinde zu nehmen und vielleicht mit einem speziellen Presbyteriums-Motiv zu kombinieren, was dann auf allen Wahlunterlagen auftaucht. Die EKiR bietet einiges an Fotomaterial, aber das Motiv mit dem Fußball (siehe Bild hier) stößt nicht überall auf Gegenliebe. Im Fotoarchiv auf dieser Seite werden wir nach und nach alles an Fotomaterial einstellen, was wir finden. Sie müssen dazu nur den Suchbegriff „Presbyterium“ eingeben. Und noch ein Tipp: Die Gemeindebriefredaktion des Medienverbands bietet Themenpakete mit Texten und Fotos an – so vor vier Jahren auch ein „Themenpaket Presbyteriumswahlen“. Man muss sich zwar regisitrieren, aber es ist kostenlos – und zwar hier.
Wie kriege ich die Menschen zur Wahl?
Auch das war eine Frage dieser Ideenwerkstatt. Zunächst wird auch das Amt für Presse und Kommunikation versuchen, den „Weg zu ebnen“, die allgemeine Öffentlichkeit schon durch allgemeine Medien-Informationen auf die Wahl vorzubereiten: Wir werden demnächst alle Gemeinden anschreiben, um zu fragen: „Planen Sie etwas Besonderes?“ Mag sein, im ein oder anderen Fall interessiert sich auch ein lokaler Medienvertreter dafür…. Wir werden hier im Internet Gemeinden in der Wahl-Vorbereitung begleiten und am „Wahltag“ präsent sein.
Alles andere aber ist eher gemeindespezifisch. Und lokal. Das könnte ein Tag der Offenen Tür sein, um alle Arbeitsbereiche der Gemeinde zu präsentieren. Das könnte eine Tombola im Vorfeld oder am Wahltag sein. Das könnte eine spezielle Einladung – besonders in großen Gemeinden – sein, die Kandidat/innen über Tischgruppen, an denen die Interessierten von Kandidat zu Kandidat wechseln, um sie im Gespräch besser kennen zu lernen. Das könnte ein besonderer Gottesdienst am Wahltag mit Musik und Essen, mit Wahlparty und besonderen Darbietungen oder einem besonderen Gast sein. Das könnte ein Gemeindefest (im Februar allerdings ohne Grill….) sein…. Versuchen Sie, Jugendgruppen zu aktivieren – ob die in Facebook erläutern, was eine Presbyteriumswahl ist, oder sich einen „Wahl-Flashmob“ einfallen lassen – all dies könnte das Wissen um die Bedeutung der evangelischen Presbyteriumswahl stärken. Der Phantasie sind hier kaum Grenzen gesetzt!
Foto(s): EKiR