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Dr. Thorsten Latzel (Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland / EKiR, links) und Weihbischof Rolf Steinhäuser (derzeit Apostolischer Administrator des Erzbistums Köln) leiteten erstmals den seit vielen Jahren von beiden großen Kirchen gemeinsam durchgeführten Gottesdienst.

„Wir leuchten selbst, wenn wir andere Menschen lieben“: Ökumenische Adventsvesper in St. Aposteln

Die ökumenische Vesper am Vorabend des 1. Advents in der Basilika St. Aposteln am Kölner Neumarkt hielt gleich zwei Premieren bereit. Sowohl Dr. Thorsten Latzel (Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland / EKiR), als auch Weihbischof Rolf Steinhäuser (derzeit Apostolischer Administrator des Erzbistums Köln) leiteten erstmals den seit vielen Jahren von beiden großen Kirchen gemeinsam durchgeführten Gottesdienst. Er war geprägt von erläuternden, wegweisenden und ermutigenden Worten. So will laut Steinhäuser das Gedächtnis der ersten Ankunft Gottes vor 2000 Jahren bei uns Menschen die Bereitschaft wachhalten, „für Gott immer einen Platz bereit zu halten“. Im Blick auf das Unvergängliche lade der Advent uns ein, „unsere Türen und Tore für den Herrn und füreinander zu öffnen“. Latzel betonte, dass es im Advent um eine andere Zeitansage, ein anderes Lichtverhältnis gehe. „Mitten in den dunkelsten Tagen des Jahres feiern wir den Anbruch einer neuen Zeit.“ Dazu führte er sieben eindringliche, inspirierende Lichtgedanken aus.

Geprägt war die Vesper ebenso von insbesondere vorweihnachtlicher Musik. Raumerfüllend, famos interpretiert vom Mädchenchor am Kölner Dom unter der Leitung von Domkantor Oliver Sperling sowie vom St. Aposteln-Kantor Vincent Heitzer an der Orgel. Am Ausgang gab es für die zahlreichen Besuchenden einen passenden Plätzchen-Klassiker mit auf den Weg: Latzel und Steinhäuser überreichten mit dem Advents-Gruß leckere Zimtsterne. Eine Erinnerung daran, „dass wir im Advent dem Stern von Bethlehem folgen wollen“.

„Mit diesem 1. Advent beginnt das neue Kirchenjahr“

Diese Adventsvesper in St. Aposteln „gehört fest in den ökumenischen Kalender des Erzbistums Köln und der Evangelischen Kirche im Rheinland“, begrüßte Steinhäuser. Ebenso beginne man traditionell die Passionszeit gemeinsam mit einem Gottesdienst in der evangelischen Johanneskirche in Düsseldorf. EKiR und Erzbistum verstünden beide Gottesdienste stets als eine Feier aller in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) zusammengeschlossenen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, betonte der Weihbischof. So trugen Vertreter und Vertreterinnen unterschiedlicher Konfessionen die Fürbitten vor. Darunter der griechisch-orthodoxe Erzpriester Radu Constantin Miron (Vorsitzender der ACK in Deutschland), Superintendentin Susanne Beuth (Vorsitzende der ACK Köln) und Landeskirchenrat Pfarrer Thomas Markus Schaefer (EKiR-Dezernat Ökumene).

„Mit diesem 1. Advent beginnt das neue Kirchenjahr“, stellte Steinhäuser fest. Und bejahte die Möglichkeit, dass die Uhren der Christen anders ticken könnten. „Dabei sind wir nicht die ewig Gestrigen, die die gesellschaftlichen Veränderungen nicht mitvollzogen hätten, sondern Frauen Männer der Zukunft.“ Der Schriftsteller Jochen Klepper habe das Kirchenjahr einmal eine der größten Erfindungen der Menschen genannt. Denn es konfrontiere deren Lebensrhythmus mit dem Einbruch Gottes in unsere Welt. „Diesen Lebenstakt der Menschen spricht das Matthäusevangelium an“, so Steinhäuser. „Menschen werden geboren, arbeiten und sterben.“ In diesen scheinbar unumstößlichen und ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen breche Gott ein. So werde es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein.

Seitdem Gott sich gebunden habe, die Menschheit nie wieder mit einer Sintflut auszulöschen, gehe er einen neuen, unerwarteten Weg. Dieser lasse jeden Menschen frei entscheiden, ob er Gott Raum geben wolle. Das Gedächtnis des ersten Advents, der ersten Ankunft Gottes bei uns Menschen, wolle in uns die Bereitschaft wachhalten, für Gott immer einen Platz bereit zu halten. „Ja, ihn zur Mitte unseres Lebens zu machen“, betonte Steinhäuser. „Die erste Ankunft Gottes wäre vergeblich gewesen, wenn er nicht in jedem von uns neu geboren würde.“ Gleichzeitig richte der Advent unseren Blick nach vorne. „Wir leben auf die zweite Ankunft Gottes zu. Auf seine Wiederkehr am Jüngsten Tag.“

Wir lebten nicht im Jahreskreis, veranschaulichte Steinhäuser, sondern auf einer Zielgeraden. Aber gefühlsmäßig sei der Jüngste Tag ewig weit weg. Genau da hinein gehe die Warnung Jesu: „Seid also wachsam, denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.“ Das Evangelium wolle uns nicht ängstigen, beruhigte der Apostolische Administrator. Aber es mache ganz klar: „Gott ist souverän. Er kommt wann und wie er will.“ Gott möge unseren Blick auf das Unvergängliche lenken, damit wir in allem sein Reich suchten, heiße es in einem Adventsgebet. „Der Advent will uns dafür einige Lichter aufstecken. Er lädt uns ein, unsere Türen und Tore für den Herrn und füreinander zu öffnen.“

„Wie kann man den Advent schöner beginnen, als in guter ökumenischer Gemeinschaft, bei so wunderschöner Musik“, stellte Latzel seiner Predigt voran. Einleitend ging der Präses knapp auf den autobiografischen Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ (2011) von Eugen Ruge ein. Dieser Titel drücke auch ein heutiges Lebensgefühl vieler Menschen „im Blick auf die Welt, die Gesellschaft, das eigene Leben“ aus. „Zwei Jahre Corona haben viele Menschen ermüdet, erschöpft.“

Rauerer Umgang miteinander

Insgesamt konstatierte Latzel einen raueren Umgang miteinander und dunkle Zukunftsvisionen. Diese Stimmung passe zum November. Aber im Advent gehe es um eine andere Zeitansage. „Um ein anderes Lichtverhältnis“, zeigte der Präses auf. „Mitten in den dunkelsten Tagen des Jahres feiern wir den Anbruch einer neuen Zeit.“ So wie es in den Worten aus Jesaja 60 anklinge: „Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“ Latzel formulierte dazu sieben nicht allein auf die Adventszeit beschränkte kurze Lichtgedanken.

Zusammengefasst lauten sie erstens: „Nicht wir, sondern Gott ist Schöpfer und Ursprung allen Lichts.“ Diese wichtige Unterscheidung bewahre uns davor, uns selbst zu überheben und zu überfordern. Da nicht nur das Licht, sondern auch die Finsternis in Gottes Hand ruhten, gebe es kein Dunkel, dass uns von seinem Licht trennen könne. „Das ist unsere Hoffnung“, bekräftige Latzel. Zweitens sei es unsere Bestimmung, zu leuchten. „Licht zu werden. Für uns und andere zu strahlen“, ging er auf Marianne Williamsons Gedicht „Unsere tiefste Angst“ ein. Sich kleinzumachen diene der Welt nicht. „Sich kleinzumachen, nur damit sich andere um Dich herum nicht unsicher fühlen, hat nichts Erleuchtetes. Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, der in uns ist, zu manifestieren.“ Wenn wir unser Licht scheinen ließen, erlaubten wir damit unbewusst anderen, es auch zu tun, so der Präses.

Aller Dunkelheit zum Trotz leuchtet Gottes Licht

„Um licht zu werden“, ist es laut Latzel drittens wichtig, „sich nicht vom Dunkel bestimmen zu lassen.“ Aller Dunkelheit zum Trotz leuchte Gottes Licht. „Und wir können es deswegen auch“, ermutigte der Präses. Aber um das eigene Leben neu auszurichten, bedürfe es Übung. „Es braucht Gebet, Stille, Gottes Wort, damit ich selbst davon etwas wahrnehme, meine Augen neu sehen lernen.“ Der Advent meine „Leben in einer Zeit aufgehenden Lichts“, so Latzel viertens. Die verschiedenartigen Beschreibungen der Evangelisten vermittelten den „verwegenen Glauben, dass in diesem einen Menschen Jesus von Nazareth Gottes Liebe zu seiner ganzen Schöpfung ein für alle Mal sichtbar geworden ist“. Wir glaubten, dass Gott in Christus selbst dem Tod die Macht genommen habe. „Deswegen sind alle unsere Kirchen nach Osten gerichtet. Hin zu Christus als aufgehende Sonne am Morgen.“

Fünftens stellte Latzel klar, dass der Glaube an Christus aus dem Morgenland stamme. „Im Warten auf Christus ist das Licht der neuen Schöpfung Gottes schon gegenwärtig“, zog er einen Vergleich zu „Vögeln, die mitten in der Nacht anfangen vom Licht des neuen Tages zu singen“. „Warten im Advent“ beschrieb er als „eine Mischung von brennender Geduld und Gegenwart des Zukünftigen.“

„Gott liebt uns und macht uns so liebenswert“

„Wir leuchten selbst, wenn wir andere Menschen lieben“, stellte Latzel sechstens fest. „Und doch sind es nicht wir, sondern es ist Gottes Geist, Christus in uns.“ Wir hätten Anteil an der einen unbedingten, allumfassenden, schöpferischen Liebe Gottes. „Gott liebt uns und macht uns so liebenswert“, nannte er die Feindesliebe den Inbegriff unseres Glaubens. „Im Glauben lernen wir den anderen im Licht der Liebe Gottes zu sehen. Und werden so selbst zu einem Teil dieser einen schöpferischen Liebe, bis Gott einmal sein wird alles in allem.“ Wo dies geschehe, breche wirklich etwas von der Herrlichkeit des Herrn an, so Latzel siebtens. „Auch wenn ich in meinem Leben immer wieder daran scheitere, andere zu lieben, und auch wenn wir als Kirche das Licht allzu oft verstellen: Gottes Licht scheint.“ So sicher wie die Sonne am Morgen, gehe die Herrlichkeit des Herrn auf.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich