Veranstaltung mit dem Essener Generalvikar Klaus Pfeffer zu Dietrich Bonhoeffers Vision von Kirche
Am 9. April 1945, vor rund 75 Jahren, starb Dietrich Bonhoeffer. Hingerichtet von den Nazis im Konzentrationslager Flossenbürg. “Christsein ist keine einfache Angelegenheit. Mit Dietrich Bonhoeffer auf dem Weg zu einer erneuerten Kirche” war der Titel einer Veranstaltung, zu der die Kirchengemeinde Köln-Lindenthal in die Dietrich-Bonhoeffer-Kirche eingeladen hatte. Man hatte als Veranstaltungsmotto den Titel eines Buches, oder Büchleins, wie er selbst sagt, von Klaus Pfeffer gewählt.
Neben dem Generalvikar im Bistum Essen saßen der katholische Lindenthaler Pfarrer Thomas Iking, die Lindenthaler Pfarrerin Ulrike Gebhardt und Pfarrer Dr. Martin Bock, Leiter der Melanchthon Akademie, auf dem Podium, um über ihre Visionen von einer christlichen Kirche der Zukunft zu sprechen. Orientierung sollten die Visionen des Theologen Bonhoeffer bieten.
Bonhoeffers Gedankenwelt
Generalvikar Pfeffer hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit Dietrich Bonhoeffer beschäftigt. „Das ist mehr als ein Hobby. Ich habe bei Bonhoeffer Fundamentales entdeckt, dass mit meinem Glauben zu tun hat. Das Büchlein ist sozusagen die Quintessenz einer sehr langen Auseinandersetzung mit den Gedanken Bonhoeffers.“ Auf den evangelischen Theologen ist Pfeffer während seiner theologischen Ausbildung gestoßen. In einem mehrwöchigen Kurs in Neuwied wurde er zum Krankenhaus-Seelsorger weitergebildet. „Die Begegnungen mit den manchmal Sterbenskranken hat mich als Theologiestudent sehr erschüttert. Wir haben diese Begegnungen intensiv reflektiert.
Mein Ausbilder in jener Zeit promovierte über Dietrich Bonhoeffer. Der hat mich mit der Gedankenwelt Bonhoeffers bekannt gemacht.“ Insbesondere die Verbindung dieser theologischen Gedanken mit den Fragen des praktischen Lebens hat Pfeffer beeindruckt. Er warf einen Blick auf die Biographie des berühmten evangelischen Theologen. „Bonhoeffer ist aufgewachsen in einer liberalen bürgerlichen Familie, die ihren Glauben nicht praktizierte. Er kam mitten aus der Welt in die Theologie, setzte sich intensiv mit dem Christsein auseinander und setzte das alles in Beziehung zu seinen eigenen Lebensfragen.“
Als Beispiel nannte der Generalvikar die Jugendarbeit, die Bonhoeffer im Berliner „Problemstadtteil“ Wedding geleistet habe. Der Theologe habe erkannt, dass es kein „Friss oder stirb“ im Umgang mit Konfirmandengruppen geben könne. „Daraus habe ich viel für meine Arbeit mit Jugendlichen gelernt“, erzählte Pfeffer. „Es ist ja oft schwierig zum Beispiel mit Schulklassen. Gottesdienste sind mit denen eher nicht möglich. Da muss man einen ganz anderen Zugang finden und Beziehungen aufbauen.“
Nachkriegszeit
Bonhoeffer habe sich in seiner Kirche isoliert gefühlt. Er habe sich oft gefragt, wie man eine Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufbauen könne. Ihm sei klar gewesen, dass das mit den Menschen der modernen Zeit mit den althergebrachten Konzepten wohl kaum möglich sein würde. „Die hätten im Zuge der Aufklärung gelernt, ihre Probleme selbst zu lösen.“ Es müssten Fragen beantwortet werden wie „Was bedeutet Jesus Christus für uns heute? Was bedeutet er ganz persönlich für mich? Wenn wir Kirche sein wollen, geht das nur, wenn wir Antworten finden auf die Frage: Was bedeutet der Glaube für mich.“
Nach dem Krieg hätten sich die großen christlichen Kirchen nach dem alten Muster entwickelt. Es habe sich gezeigt, so Pfeffer, „dass die Leute ja alle wiederkommen. Der Ruhrbischof Franz Hengsbach vertrat damals vehement die Auffassung, je mehr Kirchen wir bauen, umso mehr Leute kommen in die Gotteshäuser.“ Es sei anders gekommen. Pfeffers persönliche Kirchenvision geht davon aus, dass eine kleinere Gruppe Christen eine ist, die aus interessanten Leuten besteht und deshalb anziehend wirkt auf andere Leute. In dieser Gemeinschaft werden die Konfessionen keine große Rolle mehr spielen.
Christsein und Kirche sein
Pfarrer Iking erinnerte daran, dass auch in katholischen Gemeinden Bonhoeffers Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ gesungen werde. Ansonsten habe er sich mit Bonhoeffer noch nicht intensiv auseinandergesetzt. Klar sei: „Wir müssen einfach mehr voneinander wissen.“ Christsein sei in der heutigen Zeit keine einfache Angelegenheit. „Kirche sein aber auch nicht.“ Denn: „Wie schaffen wir es, Menschen zusammenzubringen, die sich fragen ,Wer ist Jesus Christus für mich?’“ Das Christsein und Kirche sein schwierig sei, wollten manche in der katholischen Kirche voneinander trennen.
Dr. Martin Bock wandte sich dann an Pfarrerin Ulrike Gebhardt als „Nachnachfolgerin“ von Otto Dudzus. Der war Teilnehmer am Predigerseminar Finkenwalde bis zu dessen polizeilicher Schließung Ende September 1937. Bonhoeffer war Leiter des Seminars. Seit 1938 war Dudzus illegal als Pfarrer der Bekennenden Kirche in Wilhelmshorst bei Potsdam tätig. 1946 war er Studentenpfarrer in Berlin und danach Pfarrer in Köln-Lindenthal. 1980 trat er in den Ruhestand. Dudzus war Herausgeber und Verfasser mehrerer Bücher über Dietrich Bonhoeffer.
Bonhoeffers „Schatz“
„Wilmenshorst ist bis heute Partnergemeinde von uns“, erzählte die Lindenthaler Pfarrerin. Dudzus habe sich während seiner Lindenthaler Zeit dem Lebenswerk von Bonhoeffer gewidmet. „Er begriff sich sozusagen als Hüter des Schatzes“, erzählte die Pfarrerin. In der Nachkriegszeit habe sich die Kirche stark an Bonhoeffer gerieben: „Es hat eine Generation gedauert, bis es Dietrich-Bonhoeffer-Kirchen gab. Ich habe von Bonhoeffer gelernt, dass man auf keinen Fall aufgeben darf, wenn an von etwas überzeugt ist. Und: Tu Deinen Mund auf für die Schwachen.“ Christ sein könne verdammt schwierig sein in schwierigen Zeiten.
Bonhoeffer habe letztlich den Tyrannenmord propagiert, weil Menschen frei seien und Verantwortung übernehmen müssten ohne die Gewissheit zu haben, dass Gott sie von Schuld freispreche. Pfeffer warf noch einen Blick in die Zukunft. „Wir haben als Kirche keine Überlebenschance, wenn wir uns weiter zersplittern. Kirche muss viele Facetten haben. Wir brauchen eine Kirche der Vielfalt und der gemeinsamen Verbundenheit.“ Da sind die Lindenthaler Gemeinden schon auf einem guten Weg. Sie verreisen sogar gemeinsam. In Wittenberg war man schon. Jetzt geht es in die ewige Stadt. Pfarrerin Gebhardt sagt warum: „Wir wollen mal was richtig Römisches sehen.“
Foto(s): Stefan Rahmann