„Seelenbohrer“ nennt der Volksmund die scheinbar gedrehte Spitze ihres Glockenturms. Markant ist ebenso der Grundriss der Versöhnungskirche im bergischen Rösrath: Er beschreibt eine Parabelform. Wer das erhöht gelegene Gotteshaus betritt, dessen Blick wird hin gelenkt auf den Scheitel des Raumes. Dort steht der Altar. Dessen Bezirk markieren zwei seitliche Lichtstreifen, sowie oberhalb ein fast den gesamten Kirchraum umgreifendes horizontales Fensterband. Hinter und über dem Altar „schwebt“ ein mächtiges Holzkreuz, dessen Querbalken die Wandbiegung aufnimmt. Dadurch entsteht der Eindruck von empfangenden, zur Umarmung bereiten Armen. Am Ersten Advent feierte man mit einem Festgottesdienst das 40-jährige Bestehen der Rösrather Versöhnungskirche.
„Wir haben allen Grund zu feiern“
Der ansteigende Pfeifton, den eine unfreiwillige Rückkopplung der Lautsprecheranlage zu Beginn des Gottesdienstes verursachte, konnte auch als Signal umgedeutet werden: Als Zeichen am Beginn eines neuen Kirchenjahres. Als Zeichen zum Aufbruch in die vorweihnachtliche Zeit. Als Zeichen auch des Zusammenschlusses von zwei Gemeinden. „Wir haben allen Grund zu feiern“, begrüßte Pfarrer Armin Kopper die Anwesenden. Nach Jahrzehnte langer Teilung sei man wieder vereint, verwies Kopper auf die Fusion der früheren Evangelischen Gemeinde Volberg mit ihren 1959 ausgegliederten Bezirken Forsbach, Rösrath und Kleineichen. Diese Kirchengemeinde hieß zunächst Forsbach und firmierte seit 1983 unter dem Namen Evangelische Kirchengemeinde Forsbach-Rösrath. Seit 1. November 2007 ist daraus die neue Evangelische Gemeinde Volberg-Forsbach-Rösrath geworden, Presbyteriumsvorsitzender ist Norbert Lenke.
„Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“
Traditionell wurde der Gottesdienst zum Ersten Advent wie jedes Jahr inhaltlich vom Frauenkreis Rösrath gestaltet. Musikalisch bereichert wurde er vom Kinderchor Rösrath und dem Kirchenchor Forsbach-Rösrath unter Leitung von Kantorin Doris Röskenbleck. Nach dem Schlusssegen sangen beide Ensembles gemeinsam mit den Besuchenden Adventslieder. Der Gottesdienst stand ganz im Zeichen des Schiffs, einem alten Symbol für die Adventszeit. Es diente den Mitgliedern des Frauenkreises als reichhaltiges Bild, um das Warten auf Weihnachten. Auch Kopper nutzte die Symbolik des Schiffs. Und münzte sie um auf die Versöhnungskirche und deren Gemeinde. Bereits der Architekt Horst Welsch habe bei seinem Entwurf wohl an ein Schiff gedacht. Im Zentrum das Kreuz als Steuermann. Die Holzdecke verglich Kopper mit Planken, den Glockenturm mit einem Mast, oben drauf, als Erkennungszeichen, das Kreuz: „Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt.“
Die Geschichte der Versöhnungskirche
Beim anschließenden Neu(Kirchen)jahresempfang im Gemeindesaal wurde auch das 40-jährige Bestehen des Gotteshauses gewürdigt. Klaus Schaaf, nach einen Auslandspfarramt in Spanien lange Jahre Pfarrer an der Versöhnungskirche und heute im Ruhestand, erinnerte an die Anfänge und Entwicklung. Er dankte der Muttergemeinde Volberg, die ihrer „Tochter“ schon bei der Ausgliederung 1959 das Grundstück in Rösrath-Mitte überantwortet hatte. Nach dem 1956 bezogenen Gemeindezentrum mit der Christuskirche in Forsbach und der 1964 eingeweihten Kreuzkirche in Kleineichen sollte hier die dritte Predigtstätte der jungen Kirchengemeinde entstehen. Sie war notwendig geworden, weil die Zahl der Protestanten in Rösrath-Mitte bis Mitte der sechziger Jahre auf 2500 angewachsen war.
„Am 24. Juli 1966 sind zwei Weichen gestellt worden“, so Schaaf. Zunächst sei er im Gottesdienst in der Schule in sein Pfarramt eingeführt worden. Anschließend habe man den ersten Spatenstich für die neue Kirche vollzogen. „Der Bau ging zügig voran.“ Am Ersten Advent 1967 fand die Einweihung statt. Die künstlerische Verglasung wurde erst zehn Jahre später eingesetzt. Noch heute zeigt sich Schaaf froh darüber, dass die Gemeinde gegenüber dem ersten Entwurf zusätzlich vertikale Fensterbänder gefordert habe. „Sie wirken sich äußert positiv aus.“
Nicht nur der Kirchenbau mit seiner gerundeten Parabelspitze sei einladend geöffnet, meinte Schaaf, sondern die gesamte Anlage. Anlässlich deren Bepflanzung mit Stauden und Ablegern habe er damals nicht nur neue Menschen kennengelernt, Menschen in und außerhalb der Gemeinde, sondern auch neue Sträucher.
„Viel Versöhnendes“
„Lasst Euch versöhnen mit Gott“, die Worte aus dem 2. Korintherbrief, auf die der Name der Versöhnungskirche zurück geht, und die in deren Grundstein verewigt sind, begleiten laut Schaaf die Gemeinde noch heute als Zuspruch und Auftrag. Die damalige Wahl des Namens sei unter anderem zwei Themen zu verdanken: Die damals bedrohlich scheinende Spaltung von Ost und West sowie der Beginn der Ökumene. Auch in Rösrath habe „viel Versöhnendes“ zwischen Jung und Alt geschehen müssen, „zwischen Alteingesessenen und den ´Neuen´, die einen Platz zum Eingewöhnen und Wohlfühlen brauchten“.
Ökumene, Politik, Jugend- und Seniorenarbeit
Jugend- und Seniorenarbeit seien sicherlich die Schwerpunkte in den ersten zwanzig Jahren gewesen, erinnerte Schaaf auch an den wesentlichen Anteil des früheren Küsters Schönwald beim Aufbau eines Seniorennetzwerkes. Er kam auf den Bibelkreis zu sprechen, die diakonische Frauenarbeit, den ökumenischen Arbeitskreis, die Chöre und Musikgruppen, den Jugend-Austausch mit einer spanischen Gemeinde.
Zu den „besonderen“ Höhepunkten der ersten zwanzig Jahre zählte Schaaf die gemeinsame Aktion der evangelischen und katholischen Rösrather Jugend gegen Politikverdrossenheit. Sie hätten alle Parteien zum Gespräch in die Versöhnungskirche eingeladen, auch KPD und NPD. „Damals sprach man nicht übereinander, sondern miteinander.“ Seinen Dank an die zahlreichen Menschen, die in den vier Jahrzehnten in und für die Gemeinde Dienst getan haben, verband er mit dem Wunsch, „dass die neuen Strukturen neue Wirkungsfelder eröffnen“ mögen.
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