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Wie die Kirche Pfarrer Helmut Schneider-Leßmann 25 Jahre geprägt hat – und er die Kirche

„Gott hat den Menschen zwei Ohren gegeben.“ So lautet der selbst ernannte Wahlspruch von Helmut Schneider-Leßmann. Zunächst hört er zu und genau hin, bevor er selbst den Mund aufmacht. Das ist seine Devise seit 25 Jahren. Und sie fruchtet. Der heute 52-Jährige hat die evangelische Kirchengemeinde in Lechenich mit seinen neuen Ideen und Formen wie „Kunst und Kirche“ geprägt, ihr ein neues Gesicht gegeben.

„Ich muss den Zugang zu Gott immer wieder neu entdecken“
In einem „grottenschlechten Religions- und Konfirmationsunterricht“ liegen die Wurzeln für seinen Berufswunsch. „Damals wurde so lieblos von der Liebe Gottes geredet. Ich habe immer gedacht, das muss man doch besser machen können“, sagt Schneider-Leßmann. Der Drang zum Besser werden, Emporklettern hat ihn bis heute nicht losgelassen. Noch heute feilt er an seiner Aufgabe. „Ich muss den Zugang zu Gott immer wieder neu entdecken“, sagt er. Seine Neugier erleichtert es ihm. Ein wichtiges Charaktermerkmal für den Pfarrersberuf wie Schneider-Leßmann findet. „Man muss nicht einen besonders festen Glauben haben, um Theologie studieren zu können, sondern man muss neugierig sein“, zitiert Schneider-Leßmann aus dem Buch „Die ersten Freigelassenen der Schöpfung“ von Jürgen Moltmann. Es gehe in erster Linie um Erfahrungen. Um Glück, Trauer und Leid. Besonders tiefgreifende Erfahrungen mache er, wenn die Menschen ihm erlaubten, am Sterben teilzunehmen. Den Respekt vor den Menschen habe es ihm gelehrt. „Ich habe mich oft hinterher gefragt, wer eigentlich wem geholfen hat.“

„Ein Wegbegleiter zu sein für Menschen, die auf der Suche sind"
Schneider-Leßmann ist keiner von den Pfarrern, die sich morgens und abends regelmäßig zum Beten zurückziehen. „Das ist nichts für mich.“ Weder ein Kreuz ziert sein Schlafzimmer, noch stecken seine Hände ständig in einer Bibel. Und doch betet er nicht nur in der Kirche. Täglich geht er zusammen mit seinem Hund am Rotbach entlang über die Felder spazieren. Dann kommt er in Zwiegespräche mit Gott, klärt für sich im Kopf Situationen und Gespräche mit Menschen. Und schimpft auch manchmal. „Diese Zeit hat für mich Gebetscharakter“, sagt Schneider-Leßmann. Auch wenn er nicht morgens und abends das Vater Unser aufsage, trage er doch biblische Geschichten mit sich herum. Eine ist die vom Kämmerer aus Äthiopien. Und die geht so: Der Kämmerer ist auf der Suche nach Gott und trifft dabei auf Philippus und wird schließlich von ihm getauft. „Und er zog seiner Straße fröhlich“, heißt es in der Apostelgeschichte. Dieses Bild zeichnet Schneider-Leßmann auch für seinen Beruf. „Ein Wegbegleiter zu sein für Menschen, die auf der Suche sind für eine bestimmte Zeit. Und dann ziehen sie ihrer Straße fröhlich.“ Das könne auch die Sterbebegleitung sein. Doch seine Rolle in der Kirchengemeinde ist mehr als das.

Für die Jugendlichen müssen Anreize geschaffen werden

Gerade jetzt, da weniger Leute die Kirche besuchen, sucht er nach neuen Wegen für die Gemeindearbeit. Dafür müsse man aufmerksam verfolgen, was die Menschen bewegt, ist er überzeugt. „Wenn ich lese, dass laut Werbestudien Menschen von Events angezogen werden, gilt für die Kirche dasselbe.“ Auch für die Jugendlichen müssten Anreize geschaffen werden. Dabei denkt der Pfarrer laut über eine Mittags- und Hausaufgabenbetreuung nach. „Ein Drittel von 1200 Jugendlichen passieren täglich unsere Kirche. Ihnen müssen wir etwas anbieten, damit sie einen Stopp einlegen.“

Privat legt Schneider-Leßmann selbst gern einen Stopp in Irland ein („das ist meine Seelenheimat“), stöbert in seinen unzähligen Fachbüchern oder schwingt den Kochlöffel. Zu einer seiner Leidenschaften fehlt aber bisher die Zeit: „Ich träume davon, endlich meine große Modelleisenbahn aufzubauen.“

Die aktuellen Diskussionen von fehlenden Kirchensteuereinnahmen lassen den kreativen Kopf nicht verzweifeln. „Es gibt zwar kein vollwertiges System, das die Kirchensteuer ablösen kann. Doch wir versuchen, uns so gut es geht, abzukoppeln“, sagt er und lässt als Stichwörter „Kunst und Kirche“ und Spendenaufrufe fallen. Mit der Spendenbereitschaft der Menschen hat er bereits in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Die 16.000 Euro teure neu gestaltete Beleuchtung für die Kirche konnte so finanziert werden. Erste Überlegungen gehen in die Zusammenarbeit mit einer Stiftung. „Wir schauen, ob die Kirche nicht auch beerbt werden kann.“

Wie die Institution in zehn Jahren aussieht, wagt sich allerdings auch Schneider-Leßmann nicht auszumalen. „Schwer zu sagen, die Kirche verändert sich so rasant.“ Eine religiöse Welle, die unzählige Besucher in die Gotteshäuser spüle, sei denkbar. „Ich mache mir aber auch nichts vor. Es kann genauso gut sein, dass die Pfarrstelle nicht besetzt wird, wenn ich in Pension gehe.“

Text: Bianca Wilkens
Foto(s): Bianca Wilkens