You are currently viewing Wesseling: zweiter Kreisbibeltag des Kirchenkreises Köln-Süd

Wesseling: zweiter Kreisbibeltag des Kirchenkreises Köln-Süd

.“Ich heiße Andrea, bin 15 Jahre alt. Ich wollte von meinem ersten Abendmahl berichten und von denen, die folgten.“ Andrea heißt tatsächlich Andrea, mit Familienamen Döhrer. Doch dem Jugendalter ist die in der Evangelischen Friedenskirchengemeinde Erftstadt amtierende Pfarrerin längst entwachsen. Mit ihrer zwar fiktiven aber realitätsnahen Schilderung stimmte Döhrer die 35 Teilnehmenden des zweiten Kreisbibeltags des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd auf das Thema des Abends im Gemeindezentrum an der Kreuzkirche in Wesseling ein: „Das Abendmahl – nachgefragt“. Ihr erstes Abendmahl sei schon etwas Besonderes gewesen, setzte Döhrer in ihrer Rolle den kurzen Theaterimpuls fort. „Es war wirklich eine Feier. Ich war mit beiden geschiedenen Elternteilen da. Das gab mir auch ein Gefühl der Sicherheit.“ Sie erzählte weiter von der großen Anspannung vor dem ersten Abendmahl. Der Angst, zu stolpern, zu lachen. Und komisch sei es gewesen, mit „Wildfremden“ aus einem Kelch zu trinken, verbunden nur durch Gott. „Die Menschen tun beim Abendmahl etwas gemeinsam und werden beschenkt: durch die Vergebung der Sünden.“ Das sei eine gelebte Gemeinschaft, die es sonst eigentlich nicht mehr gebe. Eine Gemeinschaft, in der neues Leben möglich werde durch die Zusage der Vergebung. „Man kann dann neu durchstarten.“ Die Schuld sei zwar noch da, aber sie habe nicht mehr so viel Macht über den einzelnen. „Vielleicht haben das meine Eltern kapiert.“ Gerne hätte die „Berichterstatterin“, dass die Menschen beim Abendmahl etwas freundlicher schauen würden, „denn es ist doch eine Mut machende Verheißung: Leben ist möglich“.


Theologie auch für Laien verständlich vermittelt
Der erste Kreisbibeltag für ehren- und hauptamtlich Mitarbeitende in den Gemeinden des Kirchenkreises Köln-Süd fand 2011 in Köln-Bayenthal statt. Rund fünfzig Teilnehmende behandelten damals das Thema „Sühne und Versöhnung. Die Deutung des Todes Jesus in der Bibel und heute“. Die Premiere verdankte sich einem Anstoß aus der Kreissynode. Und die Veranstaltung erfuhr eine sehr positive Resonanz. Bald darauf erwuchs aus dem Teilnehmendenkreis ein fünfköpfiges Team zwecks Vorbereitung des zweiten Bibeltags im Kirchenkreis. Zu diesem Team zählte neben Synodalassessor Rüdiger Penczek, Pfarrer in Wesseling, und Pfarrerin Andrea Döhrer der in Erftstadt ansässige Pfarrer Jost Klausmeier-Saß. Im Pfarramt für Berufskollegs des Evangelischen Kirchenverband Köln und Region fungiert er als Bezirksbeauftragter. „Es ist ein junges Projekt. Ich fand die erste Veranstaltung reizvoll, weil sie Menschen in einer Zusammensetzung zusammenbrachte, die ich so nicht kannte. Ich kenne das Presbyterium meiner eigenen Gemeinde, aber dass aus einem ganzen Kirchenkreis Leute zusammenkommen, finde ich sehr interessant“, erläuterte er seine Motivation. Stefan Rothenpieler, Presbyter der Kirchengemeinde Brüggen/Erft, und Ina Frank, Presbyterin der Kirchengemeinde Lechenich, fanden ebenfalls als Teilnehmende des ersten Bibeltages in die vorbreitende Gruppe: „Die Veranstaltung im letzten Sommer war inhaltlich wie formell gelungen. Solche Gespräche zwischen Laien und Theologen hat es für mich über meine eigene Gemeinde hinaus zuvor noch nicht gegeben“, so Rothenpieler. Frank findet es spannend, „dass Laien den Bibeltag mit vorbereiten dürfen und dort Theologie auch für Laien verständlich vermittelt wird“.

„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt…“
Es gehe nicht darum, letzte Antworten zu finden, sollte Penczek später sagen. Sondern darum, wie er in der Begrüßung feststellte, auf der Grundlage von biblischen und anderen Texten gemeinsam zu überlegen, sich auszutauschen: „Was ist das Abendmahl, was passiert dabei, was empfange ich, was ist der Grund, dass wir Brot und Wein teilen?“ Fragend wolle man sich dem „´frag-würdigen´ Ritual Abendmahl“ nähern. In Jeremia stehe, „es gibt noch eine Hoffnung für deine Zukunft, für deine Nachkommen“, sagte Penczek. Das Abendmahl mache uns also deutlich: „Wir haben Grund zu hoffen.“ Der vom Kirchenkreis Köln-Süd gemeinsam mit der Melanchthon-Akademie veranstaltete Abend „Bibel im Gespräch“ bot mit Impuls, moderierten Arbeitsgruppen und Referat eine abwechslungsreiche Gliederung. Dabei bildete die Gruppenphase, in der alt- und neutestamtliche sowie außerbiblische Texte zum Abendmahl gelesen und reflektiert wurden, einen Vorgriff, eine Vorbereitung auf den Vortrag von Dr. Klaus Wengst, Jahrgang 1942. Der emeritierte Professor für neutestamentliche Theologie an der Ruhr-Universität Bochum sprach über „´Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt…´ (Joh 6,54) – Die Abendmahlstexte des Neuen Testaments im jüdischen Kontext“.

Grundlage: Text Dr. Klaus Wengst
An Penczeks Begrüßung anschließend hatte der Referent zuvor erläutert, weshalb er für die Gruppenarbeit welche Texte ausgesucht, welche Aspekte und Fragestellungen ausgewählt hat. Insgesamt handelte es sich um vier Aspekte: I. „Fleisch essen und Blut trinken? Eigentlich und metaphorisch.“ II. „´…verpflichtet, sich selbst so anzusehen, als wäre man aus Ägypten ausgezogen´ – das Pessachmahl als Rahmen der Einsetzung des Abendmahls.“ III. „´Das Blut des Bundes´ – ´der neue Bund durch mein Blut´ – Zu den biblischen Bezügen im Becherwort.“ IV. „´Unwürdig´ von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken? Die ekklesiologischen Bezüge des Abendmahls nach Paulus.“ So stellte Wengst fest, dass Pessach von einer ganz bestimmten Erinnerungskultur geprägt sei und hilfreiche Zugänge zum behandelten Thema biete. Er betonte weiter den Bezug der neutestamtlichen Autoren auf die Schrift. Wenn im Neuen Testament zitiert werde, sei der biblische Kontext mit bewusst. Schließlich: Paulus sehe den Leib Christi als „Leib des Gesalbten“ und meine Gemeinde als messianische Verkörperung.
Der Text Dr. Klaus Wengst ist hier nachzulesen (pdf-Datei).

Wie sind ‚Brot essen und Wein trinken‘ in unserer Kirche zu verstehen?
In der Gruppenphase widmeten sich je sechs Teilnehmende dem Thema „Fleisch essen und Blut trinken? Eigentlich und metaphorisch“. In dem von Penczek moderierten Kreis führte die einleitende Lektüre von Johannes 6,51-58, 1. Chronik 11,15-19 und einem Abschnitt des achten Kapitels im 5. Buch von Flavius Josephus´ „Jüdischer Krieg“, in denen in unterschiedlicher Intensität von Fleisch essen und Blut trinken die Rede ist, zu einem angeregten Austausch. Es stelle sich die Frage, „tut man das beim Abendmahl wirklich oder ist es eine hinweisende Metapher?“, so Penczek. „Ich habe das Fleisch essen und das Blut trinken immer als Symbol gesehen, nie wörtlich genommen“, äußerte eine Teilnehmerin. Ihre Nachbarin schloss sich an: „Bisher habe ich das so aufgefasst, dass das Verhalten Jesu verinnerlicht wird. Ich verstehe das nicht wortwörtlich, sondern vergeistigt, spirituell.“ Gleicher Meinung war eine dritte Teilnehmerin: „Im Abendmahl ist Gott unter uns, durch das Erinnern ist er da, ich fühle, Gott ist bei uns.“ Konträr dazu äußerte ein männlicher Teilnehmer der Runde, in Johannes´ Brotrede („Ich bin das Brot des Lebens“) wenig Symbolik entdecken zu können. „Ich denke, es ist im eigentlichen Sinn gemeint.“ Nach 45-minütiger Diskussion formulierte auch diese Gruppe eine in das Plenum getragene Kernfrage: „Wie sind ‚Brot essen und Wein trinken‘ in unserer Kirche zu verstehen?“ Die andere, mit der derselben Fragestellung befasste Gruppe stellte fest: „Wir verstehen, es geht um die Verbindlichkeit, die mit der Gemeinschaft und Solidarität des Messias verknüpft ist. Aber was bedeutet das für den neutestamtlichen Text? Zweitens wollen wir wissen, gilt das auch für das Abendmahl? Wie ist die Verbindung von Leben und Brot/Wein?“ Der Kreis, der über das „Pessachmahl als Rahmen der Einsetzung des Abendmahls“ gearbeitet hatte, einigte sich auf folgende Kernfrage: „Müssen wir als Christengemeinde eine jüdische Erinnerungskultur entwickeln? Sollten wir nicht öfter an die jüdischen Wurzeln im Abendmahl erinnern? Sollten wir unser Abendmahl stärker ´einüben´, ´ritualisieren´ im Blick auf Erinnerung?“ Klausmeier-Saß entgegnete: „Wir haben einen anderen Umgang mit Erinnerung“, und gab stellvertretend zu bedenken: „Sind die Abendmahlfeiern in der Gemeinde nicht zu beliebig? Im jüdischen Text hatten wir den Eindruck, da ist ein Ritual in Fleisch und Blut übergegangen.“

„Die Gemeinde zehrt vom Leben und Sterben Jesus Christi „
Auf einige der Fragen und Stellungnahmen ging Wengst in seinen Vortrag mehr oder weniger klärend ein, manche wurden in der Schlussrunde „angekratzt“. Im jüdischen Kontext, so der Referent, Mitherausgeber des Theologischen Kommentars zum Neuen Testament, werde „die zunächst so befremdlich erscheinende Redeweise in Johannes 6 vom Essen des Fleisches Jesu und dem Trinken seines Blutes verständlich. Es geht ganz und gar nicht um magischen Sakramentalismus. Wessen Fleisch gegessen und wessen Blut getrunken wird, dessen Tod ist vorausgesetzt und davon profitieren die Essenden und Trinkenden. Die am Abendmahl Teilnehmenden ´zehren´ vom Tod Jesu, gewinnen von ihm her Leben. Das gilt deshalb, weil hier nicht von einem beliebigen Tod geredet wird, sondern von dem, mit dem Gott sich identifiziert und in dem er neuschöpferisch gehandelt hat.“ Das Essen vom „Brot des Lebens“ sei also metaphorisch zu verstehen, bedeute, dass die Gemeinde vom Leben und Sterben Jesus Christi „zehre“. Am Schluss des, wie Penczek feststellte, „hoch theologischen, exegetischen“ Referates, das Wengst mit leichten Modifikationen bereits im Januar in der Karl-Rahner-Akademie in Köln gehalten hatte, äußerte der Theologe seine „feste Überzeugung, dass wir ökumenisch nur dann vorankommen – und gerade auch in der Frage von Eucharistie und Abendmahl -, wenn wir uns zurückbesinnen auf unsere biblisch, alt- und neutestamentlich, vorgegebenen jüdischen Wurzeln. Das könnte uns dazu anhalten, konfessionell gewachsene Besonderheiten nicht mehr absolut zu setzen.“

Großes Engagement des Vorbereitungskreises
Auf dem Bibeltag waren 14 von 17 Gemeinden des Kirchenkreises Köln-Süd vertreten. „Eine schöne Zahl“, meinte Penczek. Die Resonanz auf das kirchliche Erwachsenenbildungsangebot freut ihn. Und sie bestätige die Erfahrung, dass Angebote an Orten innerhalb des Kirchenkreises eher angenommen würden. „Die Schwelle ist viel geringer, als wenn wir das zentral in einer Fortbildungsstätte, beispielsweise in Wuppertal, durchführen.“ Wichtig sei, dass man als Kirchenkreis auch durch solche Veranstaltungen für Gemeinden und Presbyterien sichtbar werde. „Dass der Kirchenkreis eine Handlungsebene bietet, auf der Gemeinde sichtbar wird.“ Dem Vorbereitungskreis attestierte Penczek großes Engagement. „Wir haben uns vier Mal getroffen. In Kürze steht das Auswertungstreffen an.“ Findet das Angebot eine Fortsetzung? „Ob wir 2013 einen Presbytertag oder Kreisbibeltag oder beides durchführen, wird in einer der nächsten Sitzungen des Kreissynodalvorstands überlegt. Es stellt sich die Frage, in welchem Rhythmus wir das machen wollen. Wie ich die Mitglieder des Vorbereitungsteams kenne, werden sie weiterarbeiten wollen“, vermutet Penczek. Blickt man auf die abschließende Bewertung der Teilnehmenden, darf man auch auf deren Seite den Wunsch nach Fortsetzung unterstellen: Eine große Mehrheit bewertete die Organisation und Gesamtatmosphäre des zweiten Kreisbibeltags mit sehr gut. Als gut bis sehr gut empfanden die meisten das Gespräch in ihrer Gruppe sowie die Inhalte und Präsentation des Vortrags. Betreffend der Klärung von Fragen hinsichtlich des Abendmahls urteilten etliche mit sehr gut oder befriedigend.

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Broich