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Wer will schon allein sein? Der Frauentag 2006 des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Süd beantwortete die Frage: ‚Mit allen Sinnen‘

Kräftiger Gesang und gelegentliches Gekicher dringt in die Treppenhalle des Berufsförderungswerkes Michaelshoven in Köln. Bea Nyga mit knallrotem Lippenstift und auffälliger Brille sitzt am Klavier und stimmt die rund 20 Frauen aus dem Kölner Süden auf das nächste Lied ein. „Mit allem Singen – viele Lieder und Melodien“ heißt der Workshop, den die quirlige Frau leitet. Es ist einer von insgesamt acht, die der Evangelische Kirchenkreis Köln-Süd auf seinem 13. Frauentag anbietet. Regen Zuspruch hat der Frauentag 2006 gefunden, den die Pfarrerin Almuth Koch-Torjuul aus Frechen organisiert hat. Insgesamt 175 Frauen sind erschienen, um sich fallen zu lassen, sich voll und ganz ihren Sinnen zu widmen. So lautet auch das Thema des Frauentages: „Mit allen Sinnen“.


Wer will schon allein sein?
Für traurige Themen ist an diesem Tag allerdings auch Platz. Nyga thematisiert beispielsweise in einem ihrer Lieder, wie Kinder sich gegenseitig zusetzen können. Vom Spott der Kinder, die ein Junge mit widerspenstigem Haar und unmodernen Kleidern auf sich zieht. Vom Inhalt des Ranzens, der zerstreut auf dem Rasen herumliegt. „Keine Freunde, wir sind allein – kommen und gehen, ganz allein“, lautet der Refrain. Mit ernster Mine und teilweise geschlossenen Augen lauschten die Frauen dem LIed. Doch wer will schon allein sein? So empfiehlt Nyga, die Kreuze von Opfer und Täter abzulegen und es durch das Kreuz des wachsenden Lebens zu ersetzen. Nyga schafft es, eine Spannung zu erzeugen, die sich im nächsten Lied „Du bist du“ von Jan von Lingen in Swing-Musik positiv entlädt.

Den Raum nehmen, der einem zusteht
Während die Frauen mit aller Kraft mitsingen, bringt Silvia Hecker, die Frauenbeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, in einem anderen Raum ihrer Gruppe den bewussten Umgang mit der Körpersprache näher. „Es ist wichtig, sich den Raum zu nehmen, der einem zusteht“, sagt sie. Wenn also zahlreiche Zettel der Tischnachbarn auf dem eigenen Platz landen, sei es kein gutes Zeichen. „Achten Sie darauf, ob Sie sich selbst die Möglichkeit nehmen, sich auszubreiten“, sagt Hecker zu den rund 30 Frauen. Der Workshop schien die Teilnehmerinnen übrigens brennend zu interessieren. Es seien so viele Anmeldungen eingegangen, erzählt Koch-Torjuul, dass nicht alle aufgenommen werden konnten. Hilfreiche Tipps gibt die Referentin Hecker den Frauen mit auf den Weg, um Selbstsicherheit und Souveränität zu demonstrieren. Dazu gehöre ein aufrechter Gang, erhobener Kopf und ganz wichtig sei der Blickkontakt. Damit ließe sich auch vermeiden, Schlangenlinien auf der Straße laufen, um jedem Entgegenkommenden auszuweichen. Mimik und Gestik seien ebenso wichtig. Herumzappeln oder das Vergraben der Hände in den Taschen sei tabu. „Beide Hände sollte man spüren.“

Der Jugend ein Stück näher gebracht
Die jungen Referentinnen Karina Misselich und Christiane Giertz verknüpfen das Motto „Mit allen Sinnen“ mit Jugendthemen. Eine rege Diskussion zwischen Referentinnen und älteren Frauen aus der Teilnehmer-Gruppe entsteht unter der Überschrift „Jugend mit allen Sinnen genießen“. Verständlich findet es eine Teilnehmerin, dass sich viele Jugendliche dem Fast-Food verschreiben. „Wenn ich arbeiten gehe, mache ich es wie sie. Dann schiebe ich mir auch eine Pizza in den Ofen.“ Obwohl sie weiß, dass es nicht gesund ist. „Aber ich bin einfach zu faul.“ Von jungen Männern ist die Rede, die besser kochen als manche Mädchen. Eine Mutter hat festgestellt, dass die Tischkultur bei den Jugendlichen wieder an Bedeutung gewinne. „Da werden Teller dekoriert, der Tisch hübsch gedeckt. Die Hamburger sind dann vergessen.“ Neben dem Fast-Food bringen die Referentinnen auch ein umstrittenes Thema auf den Tisch: Alcopops. Einen grundsätzlich gestiegenen Alkoholkonsum hat eine Mutter festgestellt. „Es ist Wahnsinn, was da konsumiert wird“, sagt die Frau und verweist auf junge Leute, die am Wochenende Bier und Wein in der Bahn trinken. „Darauf müssen die Eltern aufpassen und das tun sie nicht.“ Schließlich nippen die Frauen aber selbst an dem „Smirnoff Ice“-Alcopop. Und so ging die Rechnung der Referentinnen auf. Sie haben den Damen die Jugend ein Stück näher gebracht.

Ein Nein kann so befreiend sein
Im Workshop von Dr. Juliane Arnold, der Leiterin des Amts für Erziehungs-, Ehe- und Lebensberatung im Evangelischen Kirchenverband Köln und Region, geht es weniger um das Näher-Bringen als vielmehr um Grenzen-Setzen. „Frauen tun sich damit schwer“, weiß die Referentin. Während die Männer ihre Wünsche klarer und fordernder äußerten, seien die Frauen eher freundlich, nachgiebig, fürsorglich. Grenzen zu setzen, sei besonders „schwierig, wenn es Menschen sind, die einem nahe stehen.“ In der Gruppe entwickeln die Frauen Strategien, wie sie einfach einmal „Nein“ sagen können. „Frauen neigen zur indirekten Kommunikation und sagen nicht das, was sie wirklich meinen. Dabei kann ein Nein so befreiend sein“, sagt Arnold.

Frauenakte , Frauenleben, Ton und Farbe
Insgesamt zehn Referentinnen geben ihr Wissen den ganzen Nachmittag lang weiter. Hannelore Häusler, Superintendentin im Ruhestand, eröffnet in ihrem Workshop „Sehet die Lilien auf dem Felde“ Lebensmöglichkeiten für Frauen, Carmen Schröder-Meißner führt meditative Kreistänze durch. Unter dem Motto „Mit Farben leben und glauben“ halten Ursula Weska und die Frauenreferentin des Verbandes, Pastorin Christina Schlarp, ihren Workshop ab, und Cornelia Schmehl arbeitet mit Ton in dem Workshop „Frauenakt – so bin ich, wenn ich genieße.“

Das Netzwerk fruchtet
Unisono ziehen die Teilnehmerinnen ein positives Fazit nach der Veranstaltung. „Ganz toll“, urteilen Heidi Eifler und Erika Wingen aus Horrem. Seitdem es den Frauentag gibt, nehmen die beiden daran teil. „Es sind spannende Themen, die Mütter, Berufstätige und auch Großeltern betreffen.“ Auch der Kontakt zu anderen Frauen ist offenbar schnell hergestellt. „Man kommt gleich ins Quatschen mit Leuten, die man sonst nicht treffen würde.“ Das Netzwerk fruchtet. Für ein paar Teilnehmerinnen ist an dem Wochenende sogar die Idee entstanden, einen Frauengottesdienst in Wesseling einzurichten.
Auch das Organisationsteam um Almuth Koch-Torjuul gehen zufrieden nach Hause und freuen sich über die Teilnehmerzahl. „Das gibt mir die Motivation weiterzumachen“, sagt Koch-Torjuul, die zum ersten Mal die organisatorischen Strippen für den Frauentag gezogen hat. Die Kollekte des Gottesdienstes geht in diesem Jahr an die „Lobby für Mädchen“, im Mädchenhaus in Köln.

Text: Bianca Wilkens
Foto(s): Bianca Wilkens