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„Wer für sich alleine geht, dem entgeht vieles“

Seit Jahren ist es in Köln Tradition, das neue Kirchenjahr mit einem ökumenischen Gottesdienst einzuläuten. So hatten Erzbischof Joachim Kardinal Meisner und der neue Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, für den Vorabend des ersten Advents zur ökumenischen Adventsvesper eingeladen. Die Feier fand in der Basilika St. Aposteln am Neumarkt statt und wurde begleitet von der „Capella Vocale St. Aposteln“ unter der Leitung von Kantor Friedhelm Hohmann.

Die Gemeinde in schwierigen Zeiten
Kardinal Meisner verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, der Herr möge „im Rheinland Glauben finden, wenn er wiederkommt“ und forderte dazu auf, „Räume für den Glauben zu schaffen: in Familien, Gemeinden, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in uns selbst.“ Das Thema der Gemeinde in schwierigen Zeiten griff Präses Rekowski in seiner Predigt über Hebräer 10, 19-25 auf. Auch in dieser Bibelstelle habe man es mit einer Gemeinde zu tun, „in der es bröckelt“, in der Verzagtheit Vertrauensverlust, Mutlosigkeit, Unsicherheit, Selbstaufgabe und Abfall an der Tagesordnung sind.

Jesus als rechter Beistand
In der Gegenwart mehrten sich ebenfalls die Stimmen außerhalb der Kirche – in den Parlamenten, auf dem Börsenparkett, in den Vorstandsetagen, in den Medien zum Beispiel -, die besagten, dass nicht Gott, sondern der Mensch der Herr der Welt sei und schon „alles im Griff“ habe. Dem sei nur schwer standzuhalten, doch Manfred Rekowski verwies auf den Hebräerbrief, in dem Jesus als „rechter Beistand“ bezeichnet wird. Der sei kein verklärter Guru, sondern durch sein Leiden ein Weggefährte, dem nichts Menschliches fremd ist. Und er bringe Gott mit auf den Weg, weise den Weg in das Heiligtum.

Trainingsprogramm der Glaubenden
„Angesagt ist: die Hoffnung wach halten und die Liebe üben! Das ist das tägliche ’Trainingsprogramm’ der Glaubenden“, fuhr der Präses fort und betonte ausdrücklich den ökumenischen Charakter dieses Programms: „Die Gemeinde ist so etwas wie eine Übungsgemeinschaft. Gemeinde ist konfessionsübergreifend eine Gemeinschaft der Hoffenden. Gemeinde ist konfessionsübergreifend eine Gesellschaft mit unbeschränkter Hoffnung.“

Anreizen zu Lieben und zu guten Werken
Die Ermahnung aus dem Hebräerbrief „Lasst uns aufeinander acht haben“ interpretierte Rekowski als Aufforderung zum achtsamen Umgang miteinander, der aufbauende Kritik nicht ausschließe und verlange, dass man einander ernst nimmt und bei allen unterschiedlichen Erfahrungen voneinander lernen möchte. So in der Gemeinschaft leben, heiße auch, einander „anreizen zur Liebe und zu guten Werken, sodass die Liebe ansteckend wird. Das ist etwas! Das ist eine tragfähige ökumenische Perspektive! Es ist doch eine schöne Vorstellung, dass unsere Kirchen in ökumenischer Weggemeinschaft aufeinander achten und sich wechselseitig zur Liebe und zu guten Werken anreizen“, sagte der Präses.

Und er schloss mit einer Warnung vor dem Rückzug aus dieser Gemeinde: „Wer für sich alleine geht, wer als Solist glauben, lieben, hoffen will, dem entgeht vieles! Wer aus der Gemeinschaft auf dem Weg ausscheidet, gibt Menschen auf.“

Text: Hans-Willi Hermans
Foto(s): Hans-Willi Hermans