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Ulla von Albedyll, seit etwa 20 Jahren im Team der Schuldnerberatung, an ihrem Schreibtisch in Bergisch Gladbach

Wenn Schulden drücken

Das Team der Schuldnerberatung hilft in Köln und Region – auch vorbeugend mit der Haushalts- und Budgetberatung

Das Portemonnaie ist leer? Leben auf Pump? Schulden werden schnell zum Albtraum, wenn die Ausgaben höher als die Einnahmen sind. Überschuldung heißt das Problem, für das es in der Region jedoch einen Rettungsanker gibt: die kostenfreie Schuldnerberatung, eine Einrichtung des Diakonischen Werks des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region seit 1986. Zum Team gehört schon etwa 20 Jahre lang Ulla von Albedyll. Sie hat alles gesehen, hat alles gehört. „Wenn ein Vertrauensverhältnis entsteht, ist es unglaublich, was die Klienten einem erzählen.“

„Nicht jammern, sondern aktiv etwas tun!“

Weitererzählen ist natürlich tabu: Die Schuldnerberatung unterliegt der Schweigepflicht. Aufgabe ist es, überschuldeten Menschen zu helfen. „Ich will sie stabilisieren, damit sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen“, erklärt Ulla von Albedyll und schiebt nach: „Nicht jammern, sondern aktiv etwas tun!“ Schließlich gebe es viele Hilfsangebote.

Jeder zehnte Erwachsene ist überschuldet

Albedylls Schreibtisch steht bei der Schuldnerberatung Rheinberg in Bergisch Gladbach, zu der auch die Außenstellen in Burscheid, Leichlingen und Overath gehören. Außerdem unterhält das Diakonische Werk Schuldnerberatungen in Köln und Brühl. Der Bedarf ist hoch. In Deutschland lag die Überschuldungsquote 2018 bei 10,04 Prozent. Das heißt: Jeder zehnte deutsche Erwachsene war überschuldet. Im Rheinisch-Bergischen Kreis war die Quote mit 9,03 Prozent etwas besser, in Köln mit 11,67 Prozent noch schlechter. Die Zahlen für 2019 sind ähnlich.

Urlaub auf Kredit, Ratenkauf für Spielzeug

Wie kommt es zu solch einer dramatischen Schuldenlage in der Gesellschaft? „Wir leben in einer Zeit, in der Konsum gefragt ist, das ganze Wirtschaftssystem ist darauf ausgelegt, und sparen ist absolut unmodern“, sagt Ulla von Albedyll. Urlaub auf Kredit, Ratenkauf für Kinderspielzeug, überzogene Handyverträge: Manche Menschen leben ungeniert auf Pump, bis Pfändung droht.

Schulden-Fallstricke

Neben dem überhöhten Konsumverhalten gibt es einige Ereignisse, die Menschen besonders häufig in die Schuldenfalle tappen lassen: „Die Klassiker sind sicherlich steigende Mietkosten, Trennung, Scheidung, Krankheit und Arbeitslosigkeit“, zählt die Fachfrau auf und nennt gleich einige Beispiele für Schulden-Fallstricke:

  • Unterhalt: „Es gibt Männer, die haben mehrere Unterhaltsverpflichtungen und können oder wollen nicht zahlen. Da schaukelt sich schnell was hoch.“
  • Erbrecht: „Wenn einer nicht aufpasst und Schulden erbt, kann er selbst ins Strudeln kommen.“
  • Jugendliche: „Sie können Schulden machen zum Beispiel durch Schwarzfahren“, wenn sich niemand um die Kosten kümmert und aus 60 schnell 200 Euro werden. Auch Schadenersatzansprüche nach dem Randalieren können teuer werden.
  • Internet: „Da kann man beim unerlaubten Download von Musik und Filmen in die Falle geraten. Über die IP-Adresse kriegt man die alle. Es gibt Inkassobüros und Anwälte, die sind darauf spezialisiert. Das kann teuer werden!“ Es sei sinnvoll, die Forderung zu überprüfen. „Aber wenn der Betroffene kein Geld für einen Anwalt hat, haben wir ein Problem.“
  • Handy: „Es ist unglaublich, wie viele Leute hier mit dem neuesten I-Phone sitzen. Sie übernehmen sich schon mit dem Vertrag.“
  • Selbstständige Unternehmer: „Manche haben von Betriebswirtschaft keine Ahnung.“ Aber auch eine branchenbedingte Rezession oder eine Kettenreaktion könne zur Überschuldung führen: „Wenn einer nicht zahlt, kippen auch andere.“

Vom Schüler bis zum AG-Vorstand

Jedes Alter, jede Bildung, jedes Einkommen ist unter den Überschuldeten vertreten. Von 15- bis über 80-Jährigen. Nicht nur Schüler, Hausfrauen, Arbeiter, Beamte, Ärzte, Steuerberater und Anwälte suchen Hilfe, sondern es saß auch schon ein Vorstandsmitglied einer großen Aktiengesellschaft bei Ulla von Albedyll vorm Schreibtisch. „Manche Menschen haben nie gelernt, mit Geld umzugehen. Manche werfen Briefe auch nur in die Ecke.“ Deshalb sind Schuldner mit 5000 bis 10.000 Euro Nettomonatseinkommen für sie nichts Ungewöhnliches.

Verantwortung übernehmen

Auch mit strafrechtlichen Themen habe die Schuldnerberatung „nicht selten“ zu tun, etwa bei Sozialbetrug oder Schwarzarbeit, sagt Ulla von Albedyll. „Da lege ich viel Engagement rein.“ Sie will diese Menschen wieder auf den rechten Weg bringen, „ein Bewusstsein schaffen für das was richtig und das was falsch ist.“ Denn: „Das Gesetz spricht vom redlichen Schuldner.“ Andernfalls könne bzw. wolle die Schuldnerberatung nicht helfen. Noch eine weitere Grundhaltung stört die versierte Beraterin: „Es ist relativ häufig, dass immer die anderen schuld sind.“ Viele Klienten müssten daher lernen, Verantwortung für die Misere zu übernehmen und zu begreifen: „Ich bin verantwortlich für das, was ich tue.“

Prioritätenliste: Miete, Strom, Essen

Die Schuldnerberatung unterstützt juristisch und lebenspraktisch, zum Beispiel mit der Haushalts- und Budgetberatung. Wofür muss das Einkommen zuallererst eingesetzt werden? Da hat die Bergisch Gladbacher Beraterin eine klare Prioritätenliste: „Miete, Miete, Miete, Strom – und dann muss der Kühlschrank voll sein. Und wenn dann noch etwas übrigbleibt, kann ich überlegen, wo ich das Geld einsetze.“

Eine Strategie fürs Geldausgeben  

Die Schuldnerberatung hilft, den finanziellen Kollaps zu bewältigen, gern auch vorbeugend. Wenn Selbstständige Finanzamt oder Krankenversicherung nicht mehr bezahlen können, sollten sie sich vorsichtshalber bei der Schuldnerberatung mal melden (02202 937370, dienstags von 10 bis 12 Uhr 0221 160 38-66). Dasselbe gilt bei einer Trennung, bei der das Geld knapp wird. Denn eine Strategie, beispielsweise durch eine Haushalts- und Budgetberatung, kann tolle Früchte tragen, wie Ulla von Albedyll berichtet: „Sehr gefreut hat mich die Rückmeldung einer Klientin, dass sie den Zettel, den wir als Plan erarbeitet haben, an ihren Kühlschrank geklebt hatte und danach lebte – und es klappte wunderbar!“

Infos: www.schuldnerberatung-rheinberg.de und www.diakonie-koeln.de/angebote/schuldnerberatung/koeln.html

 

Text: Ute Glaser
Foto(s): Ute Glaser